Hans Sachs: Die kunigin peschlieff ein merwunder. In: ‚MG 13‘ (13. Meistergesangbuch). [s. l.], 1552, Bl. 35r–35v. Hrsg. und übersetzt von Anja Braun et al. Stuttgart, 2017.[Hans Sachs:] Anno salutis 1552 am 16 tag septembris In des romers gesang wis Die kunigin peschlieff ein merwunder [1] Vers 1Agilulphus, ein kunig, in Lamparten sas,Vers 2Het ein gmahel, Teudelinda genenet was, Vers 3Ein adelich und uberschone frawe; Vers 4Die mit irem frawenzimer in zucht und er Vers 5Eins tags hinaus ging spaciren ans wilde mer, Vers 6Kurzweil zu haben in der grunen awe. Vers 7Die kunigin von in spacirt Vers 8Weitn nauff an des meres gstat pesunder. Vers 9Vast auf ein virtail meil revirt. Vers 10Da aus dem mer sprang ein grewlichs merwunder, Vers 11Wie ein per zottet vngehewr. Vers 12Het flugel geleich einer fledermausse, Vers 13Sein augen prunen wie ein feur. Vers 14Das ergrieff die kungin in dem gestrawse Vers 15Und gewalticlich mit ir rang, Vers 16Sie schentlich zu notzwingen. Vers 17Sie schray und weret sich sein lang, Vers 18Doch ubertrang Vers 19Das merwunder, und sie notzwang. Vers 20Und gleich zu diesen dingen 2 Vers 21Kam ain riter am jaid, ailt zu der stim gar ser.Vers 22Das merwunder gab pald die flucht, sprang in des mer. Vers 23Doch det sie dem ritter die schant nit klagen. Vers 24Der pelait sie, pis sie zum frawenzimer kam. Vers 25Mit dem eilt sie hin haim trawrig in groser scham. Vers 26Doch thet sie iren unfal nimant sagen. Vers 27Nun war schwanger das trawrig weib Vers 28Von dem merwunder und ein sun gepare; Vers 29Rawch, schwarcz und harig war sein leib, [Hans Sachs:] Anno salutis 1552 am 16 tag septembris In des romers gesang wis Die kunigin peschlieff ein merwunder [1] Vers 1Agilulphus, ein kunig, in Lamparten sas,Vers 2Het ein gmahel, Teudelinda genenet was, Vers 3Ein adelich und uberschone frawe; Vers 4Die mit irem frawenzimer in zucht und er Vers 5Eins tags hinaus ging spaciren ans wilde mer, Vers 6Kurzweil zu haben in der grunen awe. Vers 7Die kunigin von in spacirt Vers 8Weitn nauff an des meres gstat pesunder. Vers 9Vast auf ein vïrtail meil revirt. Vers 10Da aus dem mer sprang ein grewlichs merwunder, Vers 11Wie ein per zottet vngehewr. Vers 12Het flugel geleich einer fledermausse, Vers 13Sein augen prunen wie ein feur. Vers 14Das ergrieff die kungin in dem gestrawse Vers 15Und gewalticlich mit ir rang, Vers 16Sie schentlich zu notzwingen. Vers 17Sie schray und weret sich sein lang, Vers 18Doch ubertrang Vers 19Das merwunder, und sie notzwang. Vers 20Und gleich zu diesen dingen 2 Vers 21Kam ain riter am jaid, ailt zu der stim gar ser.Vers 22Das merwunder gab pald die flucht, sprang in des mer. Vers 23Doch det sie dem ritter die schant nit klagen. Vers 24Der pelait sie, pis sie zum frawenzimer kam. Vers 25Mit dem eilt sie hin haim trawrig in groser scham. Vers 26Doch thet sie iren unfal nimant sagen. Vers 27Nun war schwanger das trawrig weib Vers 28Von dem merwunder und ein sun gepare; Vers 29Rawch, schwarcz und harig war sein leib, <TEI> <text> <pb facs="#f0001" corresp="https://www.ilw.uni-stuttgart.de/abteilungen/germanistische-mediaevistik/forschung/digitale-editionen/meerwunder/Sachs_Meerwunder_S1.jpg" n="35r"/> <front> <div> <head> <hi rendition="#smaller"><supplied resp="#NK"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118604597">Hans Sachs</persName>:</supplied><lb/> Anno salutis 1552<lb/> am 16 tag septembris<lb/> In des romers gesang wis</hi><lb/> <hi rendition="#larger">Die kunigin peschlieff ein merwunder<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: Überschrift: Die königin mit dem merwunder. In der gesangweis Römers 15. septemb. 1552</note></hi> </head><lb/> </div> </front> <body> <div> <lg type="poem"> <lg n="1"> <head> <supplied>1</supplied> </head><lb/> <l n="1"><choice><sic/><corr resp="#NK">A</corr></choice>gilulphus, ein kunig, in Lamparten sas,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Ein König namens Agilulphus herrschte in der Lombardei,“</note></l><lb/> <l n="2">Het ein gmahel, Teudelinda genenet was,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „(er) hatte eine Ehefrau, die Teudelinda hieß,“</note></l><lb/> <l n="3">Ein adelich und uberschone frawe;<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „eine adelige und wunderschöne Dame,“</note></l><lb/> <l n="4">Die mit irem frawenzimer in zucht und er<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „die eines Tages mit ihrer Gefolgschaft – den Gepflogenheiten entsprechend –“</note></l><lb/> <l n="5">Eins tags hinaus ging spaciren ans wilde mer,<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: eins tages ging hinaus spaziren an daß mer</note><note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „hinaus ans wilde Meer spazieren ging,“</note></l><lb/> <l n="6">Kurzweil zu haben in der grunen awe.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „um sich in der grünen Aue die Zeit zu vertreiben.“</note></l><lb/> <l n="7">Die kunigin von in spacirt<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die Königin entfernte sich allein von ihnen“</note></l><lb/> <l n="8">Weit<del rendition="#s">n</del><note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: mitten</note> nauff an des meres gstat pesunder.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „weit auf den Meeresstrand“</note></l><lb/> <l n="9">Vast auf ein vïrtail meil revirt.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und schweifte gut eine Viertelmeile umher.“</note></l><lb/> <l n="10">Da aus dem mer sprang ein grewlichs merwunder,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Da sprang aus dem Meer ein gräuliches Meerwunder,“</note></l><lb/> <l n="11">Wie ein per zottet vngehewr.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „das wie ein Bär furchtbar behaart war.“</note></l><lb/> <l n="12">Het flugel geleich einer fledermausse,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Es hatte Flügel wie eine Fledermaus,“</note></l><lb/> <l n="13">Sein augen prun<add place="superlinear">e</add>n<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: brannen</note> wie ein feur.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „seine Augen brannten wie Feuer.“</note></l><lb/> <l n="14">Das ergrieff die kungin in dem<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: bald im</note> gestrawse<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Das zerrte die Königin ins Gebüsch“</note></l><lb/> <l n="15">Und gewalticlich mit ir rang,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und kämpfte heftig mit ihr,“</note></l><lb/> <l n="16">Sie schentlich zu notzwingen.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „um sie zu vergewaltigen.“</note></l><lb/> <l n="17">Sie schray und weret sich sein lang,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Sie schrie und wehrte sich lang gegen ihn,“</note></l><lb/> <l n="18">Doch ubertrang<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „doch überwältigte“</note></l><lb/> <l n="19">Das merwunder, und sie notzwang.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und vergewaltigte das Meerwunder sie.“</note></l><lb/> <l n="20">Und gleich zu diesen dingen<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Und zeitgleich damit“</note></l><lb/> </lg> <lg n="2"> <head>2</head><lb/> <l n="21">Kam ain riter am jaid, ailt zu der stim gar ser.<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: Kam ein ritter vom jeid, eilt zu dem geschrei gar ser</note><note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Kam ein Ritter auf der Jagd (und) eilte schnellstens zu dem Geschrei.“</note></l><lb/> <l n="22">Das merwunder gab pald die flucht, sprang in des mer.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Das Meerwunder ergriff schnell die Flucht (und) sprang ins Meer.“</note></l><lb/> <l n="23">Doch det sie dem ritter <add place="superlinear">die</add> schant nit klagen.<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: sagen (:klagen)</note><note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Jedoch beklagte sie dem Ritter gegenüber ihre Schande nicht.“</note></l><lb/> <l n="24">Der pelait<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: begleit</note> sie, pis sie zum frawenzimer kam.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Der geleitete sie, bis sie zurück zum Gefolge kam.“</note></l><lb/> <l n="25">Mit dem eilt sie hin<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: hin fehlt</note> haim trawrig in groser scham.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Mit diesem eilte sie traurig und voller Scham heim.“</note></l><lb/> <l n="26">Doch thet sie iren unfal nimant sagen.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Doch erzählte sie niemandem ihre Entehrung.“</note></l><lb/> <l n="27">Nun war schwanger das trawrig weib<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Nun war die Unglückliche schwanger“</note></l><lb/> <l n="28">Von dem merwunder und<note resp="#NK" type="editorial"><bibl><ref target="http://d-nb.info/1000844587">Goedeke [1870]</ref></bibl>: sie</note> ein sun gepare;<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „von dem Meerwunder und (sie) gebar einen Sohn.“</note></l><lb/> <l n="29">Rawch, schwarcz und harig war sein leib,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Sein Körper war struppig, schwarz und behaart – ganz gräulich.“</note></l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [35r/0001]
Hans Sachs:
Anno salutis 1552
am 16 tag septembris
In des romers gesang wis
Die kunigin peschlieff ein merwunder
1
Agilulphus, ein kunig, in Lamparten sas,
Het ein gmahel, Teudelinda genenet was,
Ein adelich und uberschone frawe;
Die mit irem frawenzimer in zucht und er
Eins tags hinaus ging spaciren ans wilde mer,
Kurzweil zu haben in der grunen awe.
Die kunigin von in spacirt
Weit nauff an des meres gstat pesunder.
Vast auf ein vïrtail meil revirt.
Da aus dem mer sprang ein grewlichs merwunder,
Wie ein per zottet vngehewr.
Het flugel geleich einer fledermausse,
Sein augen prunen wie ein feur.
Das ergrieff die kungin in dem gestrawse
Und gewalticlich mit ir rang,
Sie schentlich zu notzwingen.
Sie schray und weret sich sein lang,
Doch ubertrang
Das merwunder, und sie notzwang.
Und gleich zu diesen dingen
2
Kam ain riter am jaid, ailt zu der stim gar ser.
Das merwunder gab pald die flucht, sprang in des mer.
Doch det sie dem ritter die schant nit klagen.
Der pelait sie, pis sie zum frawenzimer kam.
Mit dem eilt sie hin haim trawrig in groser scham.
Doch thet sie iren unfal nimant sagen.
Nun war schwanger das trawrig weib
Von dem merwunder und ein sun gepare;
Rawch, schwarcz und harig war sein leib,
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des „Meerwunders“
(2018-02-22T15:10:46Z)
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