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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
beachtet. Linne ist vielmehr vorwiegend das letzte Glied der
Entwicklungsreihe, welche sich in den eben genannten Männern
darstellt; der ganze Gesichtskreis Linne's, der ganze Inhalt
seiner Gedanken sind dieselben, die Grundirrthümer jener Zeit
theilt Linne ebenfalls, ja er hat ganz wesentlich dazu beigetra-
gen, diese letzteren bis in das 19. Jahrhundert hinein fortzu-
pflanzen. Mit der Behauptung, daß Linne nicht den Anfang
einer neuen Entwicklungsperiode, sondern den Abschluß einer
älteren darstellt, ist aber keineswegs gesagt, daß seine Wirksamkeit
für die spätere Zeit verloren gewesen sei. Linne verhält sich
zu den Systematikern der hier geschilderten Periode eben so, wie
sich Caspar Bauhin zu den Botanikern des 16. Jahrhunderts
verhält; wie dieser alles Brauchbare seiner Vorgänger außer
Caesalpin zusammentrug und aus ihm wiederum die Botaniker
der zweiten Periode schöpften, obwohl sie von ganz anderen Ge-
sichtspuncten ausgingen; ebenso hat Linne Alles, was die
Systematiker des 17. Jahrhunderts auf Grund Caesalpin'scher
Ideen geleistet, in sich aufgenommen, es zu einem Ganzen ver-
schmolzen, zu einem Lehrgebäude vereinigt, ohne im Grunde
etwas wesentlich Neues hinzuzubringen; in ihm gipfelte Alles,
was von Caesalpin bis auf Tournefort an systematischer
Botanik sich entwickelt hatte und die Resultate, die er in sehr
eigenthümlicher Form aber mit wahrer Meisterschaft zusammen-
faßte, blieben für die spätere Entwicklung der Botanik eben so
wenig unfruchtbar, wie der Inhalt von Caspar Bauhin's
Werken für die Nachfolger des Caesalpin.

Wer die Werke von Caesalpin, Jungius, Morison,
Ray, Rivinus, Tournefort mit Linne's Fundamenten
der Botanik (1736), seinen Classres plantarum (1738), und
seiner Philosophia botanica (1751) sorgfältig vergleicht, muß
sich auf das Bestimmteste überzeugen, daß der ideelle Inhalt der
Linne'schen Theorien bereits in jenen Werken zerstreut enthalten
ist; wer ferner die Geschichte der Sexualtheorie seit Rudolph
Jacob Camerarius
(1694) verfolgt hat, muß zugeben, daß
Linne dieser Theorie nicht das geringste Neue hinzugefügt, daß

Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
beachtet. Linné iſt vielmehr vorwiegend das letzte Glied der
Entwicklungsreihe, welche ſich in den eben genannten Männern
darſtellt; der ganze Geſichtskreis Linné's, der ganze Inhalt
ſeiner Gedanken ſind dieſelben, die Grundirrthümer jener Zeit
theilt Linné ebenfalls, ja er hat ganz weſentlich dazu beigetra-
gen, dieſe letzteren bis in das 19. Jahrhundert hinein fortzu-
pflanzen. Mit der Behauptung, daß Linné nicht den Anfang
einer neuen Entwicklungsperiode, ſondern den Abſchluß einer
älteren darſtellt, iſt aber keineswegs geſagt, daß ſeine Wirkſamkeit
für die ſpätere Zeit verloren geweſen ſei. Linné verhält ſich
zu den Syſtematikern der hier geſchilderten Periode eben ſo, wie
ſich Caspar Bauhin zu den Botanikern des 16. Jahrhunderts
verhält; wie dieſer alles Brauchbare ſeiner Vorgänger außer
Caeſalpin zuſammentrug und aus ihm wiederum die Botaniker
der zweiten Periode ſchöpften, obwohl ſie von ganz anderen Ge-
ſichtspuncten ausgingen; ebenſo hat Linné Alles, was die
Syſtematiker des 17. Jahrhunderts auf Grund Caeſalpin'ſcher
Ideen geleiſtet, in ſich aufgenommen, es zu einem Ganzen ver-
ſchmolzen, zu einem Lehrgebäude vereinigt, ohne im Grunde
etwas weſentlich Neues hinzuzubringen; in ihm gipfelte Alles,
was von Caeſalpin bis auf Tournefort an ſyſtematiſcher
Botanik ſich entwickelt hatte und die Reſultate, die er in ſehr
eigenthümlicher Form aber mit wahrer Meiſterſchaft zuſammen-
faßte, blieben für die ſpätere Entwicklung der Botanik eben ſo
wenig unfruchtbar, wie der Inhalt von Caspar Bauhin's
Werken für die Nachfolger des Caeſalpin.

Wer die Werke von Caeſalpin, Jungius, Moriſon,
Ray, Rivinus, Tournefort mit Linné's Fundamenten
der Botanik (1736), ſeinen Classres plantarum (1738), und
ſeiner Philosophia botanica (1751) ſorgfältig vergleicht, muß
ſich auf das Beſtimmteſte überzeugen, daß der ideelle Inhalt der
Linné'ſchen Theorien bereits in jenen Werken zerſtreut enthalten
iſt; wer ferner die Geſchichte der Sexualtheorie ſeit Rudolph
Jacob Camerarius
(1694) verfolgt hat, muß zugeben, daß
Linné dieſer Theorie nicht das geringſte Neue hinzugefügt, daß

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[86/0098] Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur beachtet. Linné iſt vielmehr vorwiegend das letzte Glied der Entwicklungsreihe, welche ſich in den eben genannten Männern darſtellt; der ganze Geſichtskreis Linné's, der ganze Inhalt ſeiner Gedanken ſind dieſelben, die Grundirrthümer jener Zeit theilt Linné ebenfalls, ja er hat ganz weſentlich dazu beigetra- gen, dieſe letzteren bis in das 19. Jahrhundert hinein fortzu- pflanzen. Mit der Behauptung, daß Linné nicht den Anfang einer neuen Entwicklungsperiode, ſondern den Abſchluß einer älteren darſtellt, iſt aber keineswegs geſagt, daß ſeine Wirkſamkeit für die ſpätere Zeit verloren geweſen ſei. Linné verhält ſich zu den Syſtematikern der hier geſchilderten Periode eben ſo, wie ſich Caspar Bauhin zu den Botanikern des 16. Jahrhunderts verhält; wie dieſer alles Brauchbare ſeiner Vorgänger außer Caeſalpin zuſammentrug und aus ihm wiederum die Botaniker der zweiten Periode ſchöpften, obwohl ſie von ganz anderen Ge- ſichtspuncten ausgingen; ebenſo hat Linné Alles, was die Syſtematiker des 17. Jahrhunderts auf Grund Caeſalpin'ſcher Ideen geleiſtet, in ſich aufgenommen, es zu einem Ganzen ver- ſchmolzen, zu einem Lehrgebäude vereinigt, ohne im Grunde etwas weſentlich Neues hinzuzubringen; in ihm gipfelte Alles, was von Caeſalpin bis auf Tournefort an ſyſtematiſcher Botanik ſich entwickelt hatte und die Reſultate, die er in ſehr eigenthümlicher Form aber mit wahrer Meiſterſchaft zuſammen- faßte, blieben für die ſpätere Entwicklung der Botanik eben ſo wenig unfruchtbar, wie der Inhalt von Caspar Bauhin's Werken für die Nachfolger des Caeſalpin. Wer die Werke von Caeſalpin, Jungius, Moriſon, Ray, Rivinus, Tournefort mit Linné's Fundamenten der Botanik (1736), ſeinen Classres plantarum (1738), und ſeiner Philosophia botanica (1751) ſorgfältig vergleicht, muß ſich auf das Beſtimmteſte überzeugen, daß der ideelle Inhalt der Linné'ſchen Theorien bereits in jenen Werken zerſtreut enthalten iſt; wer ferner die Geſchichte der Sexualtheorie ſeit Rudolph Jacob Camerarius (1694) verfolgt hat, muß zugeben, daß Linné dieſer Theorie nicht das geringſte Neue hinzugefügt, daß

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/98>, abgerufen am 23.11.2024.