Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

der Organe von Caesalpin bis auf Linne
ich diejenigen allein hervorhebe, welche die Systematik wirklich
bereichert haben. Wer eine genauere Kenntniß aller Systeme,
welche bis auf Linne erschienen sind, wünscht, wird eine meister-
hafte Darstellung in Linne's Classes plantarum, eine beach-
tenswerthe auch in der Histoire de la Botanique de Michel
Adanson
, Paris
1864 finden. Unserem Zweck genügt es,
die Leistungen der oben genannten vier Männer näher zu
betrachten.

Robert Morison (geboren 1620 zu Aberdeen, gestorben zu
London 1683) 1), war seit Caesalpin und Bauhin wieder
der Erste, der sich der systematischen Botanik, d. h. der Begründung
und dem Ausbau des Systems widmete. Ihm wurde von seinen
Zeitgenossen und Nachfolgern der Vorwurf gemacht, als habe er
den Caesalpin abgeschrieben, ohne ihn zu nennen; dies war
Uebertreibung; Morison eröffnete seine Thätigkeit als Systemati-
ker mit einer sorgfältigen Kritik von Caspar Bauhin's
Pinax; dort holte er seine Vorstellungen von der natürlichen
Verwandtschaft der Pflanzen, und wenn er später sein eigenes
System vorwiegend auf die Fruchtformen gründete, so geschah
dieß doch in einer von Caesalpin weit abweichenden Weise und
Linne beseitigt den obengenannten Vorwurf mit der treffenden
Bemerkung, Morison weiche gerade soweit von Caesalpin
ab, als er diesem in der Reinheit der Methode untergeordnet
sei. Im Jahre 1669 erschien sein mit dem charakteristischen
Titel versehenes Werk: Hallucinationes Caspari Bauhini
in Pinace tam in digerendis quam denominandis plantis,

welches Haller mit Recht ein invidiosum opus nennt; denn
wie es zu allen Zeiten Schriftsteller gibt, welche das Gute und
Bedeutende ihrer Vorgänger als etwas Selbstverständliches

1) Morison diente gegen Cromwell im königl. Herr und ging,
nachdem jener gesiegt, nach Frankreich, wo er zu Paris unter Robin sich
der Botanik widmete. 1660 wurde er Leibarzt Karls II. und Professor
der Botanik, zehn Jahre später Professor zu Oxford (K. Sprengel,
Gesch. der Bot. II. p. 30.)

der Organe von Caeſalpin bis auf Linné
ich diejenigen allein hervorhebe, welche die Syſtematik wirklich
bereichert haben. Wer eine genauere Kenntniß aller Syſteme,
welche bis auf Linné erſchienen ſind, wünſcht, wird eine meiſter-
hafte Darſtellung in Linné's Classes plantarum, eine beach-
tenswerthe auch in der Histoire de la Botanique de Michel
Adanson
, Paris
1864 finden. Unſerem Zweck genügt es,
die Leiſtungen der oben genannten vier Männer näher zu
betrachten.

Robert Moriſon (geboren 1620 zu Aberdeen, geſtorben zu
London 1683) 1), war ſeit Caeſalpin und Bauhin wieder
der Erſte, der ſich der ſyſtematiſchen Botanik, d. h. der Begründung
und dem Ausbau des Syſtems widmete. Ihm wurde von ſeinen
Zeitgenoſſen und Nachfolgern der Vorwurf gemacht, als habe er
den Caeſalpin abgeſchrieben, ohne ihn zu nennen; dies war
Uebertreibung; Moriſon eröffnete ſeine Thätigkeit als Syſtemati-
ker mit einer ſorgfältigen Kritik von Caspar Bauhin's
Pinax; dort holte er ſeine Vorſtellungen von der natürlichen
Verwandtſchaft der Pflanzen, und wenn er ſpäter ſein eigenes
Syſtem vorwiegend auf die Fruchtformen gründete, ſo geſchah
dieß doch in einer von Caeſalpin weit abweichenden Weiſe und
Linné beſeitigt den obengenannten Vorwurf mit der treffenden
Bemerkung, Moriſon weiche gerade ſoweit von Caeſalpin
ab, als er dieſem in der Reinheit der Methode untergeordnet
ſei. Im Jahre 1669 erſchien ſein mit dem charakteriſtiſchen
Titel verſehenes Werk: Hallucinationes Caspari Bauhini
in Pinace tam in digerendis quam denominandis plantis,

welches Haller mit Recht ein invidiosum opus nennt; denn
wie es zu allen Zeiten Schriftſteller gibt, welche das Gute und
Bedeutende ihrer Vorgänger als etwas Selbſtverſtändliches

1) Moriſon diente gegen Cromwell im königl. Herr und ging,
nachdem jener geſiegt, nach Frankreich, wo er zu Paris unter Robin ſich
der Botanik widmete. 1660 wurde er Leibarzt Karls II. und Profeſſor
der Botanik, zehn Jahre ſpäter Profeſſor zu Oxford (K. Sprengel,
Geſch. der Bot. II. p. 30.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="71"/><fw place="top" type="header">der Organe von Cae&#x017F;alpin bis auf Linn<hi rendition="#aq">é</hi></fw><lb/>
ich diejenigen allein hervorhebe, welche die Sy&#x017F;tematik wirklich<lb/>
bereichert haben. Wer eine genauere Kenntniß aller Sy&#x017F;teme,<lb/>
welche bis auf <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> er&#x017F;chienen &#x017F;ind, wün&#x017F;cht, wird eine mei&#x017F;ter-<lb/>
hafte Dar&#x017F;tellung in <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi>'s <hi rendition="#aq">Classes plantarum,</hi> eine beach-<lb/>
tenswerthe auch in der <hi rendition="#aq">Histoire de la Botanique de <hi rendition="#g">Michel<lb/>
Adanson</hi>, Paris</hi> 1864 finden. Un&#x017F;erem Zweck genügt es,<lb/>
die Lei&#x017F;tungen der oben genannten vier Männer näher zu<lb/>
betrachten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Robert Mori&#x017F;on</hi> (geboren 1620 zu Aberdeen, ge&#x017F;torben zu<lb/>
London 1683) <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Mori&#x017F;on</hi> diente gegen <hi rendition="#g">Cromwell</hi> im königl. Herr und ging,<lb/>
nachdem jener ge&#x017F;iegt, nach Frankreich, wo er zu Paris unter <hi rendition="#g">Robin</hi> &#x017F;ich<lb/>
der Botanik widmete. 1660 wurde er Leibarzt <hi rendition="#g">Karls</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> und Profe&#x017F;&#x017F;or<lb/>
der Botanik, zehn Jahre &#x017F;päter Profe&#x017F;&#x017F;or zu <hi rendition="#g">Oxford</hi> (K. <hi rendition="#g">Sprengel</hi>,<lb/>
Ge&#x017F;ch. der Bot. <hi rendition="#aq">II. p.</hi> 30.)</note>, war &#x017F;eit <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi> und <hi rendition="#g">Bauhin</hi> wieder<lb/>
der Er&#x017F;te, der &#x017F;ich der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Botanik, d. h. der Begründung<lb/>
und dem Ausbau des Sy&#x017F;tems widmete. Ihm wurde von &#x017F;einen<lb/>
Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en und Nachfolgern der Vorwurf gemacht, als habe er<lb/>
den <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi> abge&#x017F;chrieben, ohne ihn zu nennen; dies war<lb/>
Uebertreibung; <hi rendition="#g">Mori&#x017F;on</hi> eröffnete &#x017F;eine Thätigkeit als Sy&#x017F;temati-<lb/>
ker mit einer &#x017F;orgfältigen Kritik von <hi rendition="#g">Caspar Bauhin</hi>'s<lb/><hi rendition="#aq">Pinax;</hi> dort holte er &#x017F;eine Vor&#x017F;tellungen von der natürlichen<lb/>
Verwandt&#x017F;chaft der Pflanzen, und wenn er &#x017F;päter &#x017F;ein eigenes<lb/>
Sy&#x017F;tem vorwiegend auf die Fruchtformen gründete, &#x017F;o ge&#x017F;chah<lb/>
dieß doch in einer von <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi> weit abweichenden Wei&#x017F;e und<lb/><hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> be&#x017F;eitigt den obengenannten Vorwurf mit der treffenden<lb/>
Bemerkung, <hi rendition="#g">Mori&#x017F;on</hi> weiche gerade &#x017F;oweit von <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi><lb/>
ab, als er die&#x017F;em in der Reinheit der Methode untergeordnet<lb/>
&#x017F;ei. Im Jahre 1669 er&#x017F;chien &#x017F;ein mit dem charakteri&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Titel ver&#x017F;ehenes Werk: <hi rendition="#aq">Hallucinationes Caspari Bauhini<lb/>
in Pinace tam in digerendis quam denominandis plantis,</hi><lb/>
welches <hi rendition="#g">Haller</hi> mit Recht ein <hi rendition="#aq">invidiosum opus</hi> nennt; denn<lb/>
wie es zu allen Zeiten Schrift&#x017F;teller gibt, welche das Gute und<lb/>
Bedeutende ihrer Vorgänger als etwas Selb&#x017F;tver&#x017F;tändliches<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0083] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné ich diejenigen allein hervorhebe, welche die Syſtematik wirklich bereichert haben. Wer eine genauere Kenntniß aller Syſteme, welche bis auf Linné erſchienen ſind, wünſcht, wird eine meiſter- hafte Darſtellung in Linné's Classes plantarum, eine beach- tenswerthe auch in der Histoire de la Botanique de Michel Adanson, Paris 1864 finden. Unſerem Zweck genügt es, die Leiſtungen der oben genannten vier Männer näher zu betrachten. Robert Moriſon (geboren 1620 zu Aberdeen, geſtorben zu London 1683) 1), war ſeit Caeſalpin und Bauhin wieder der Erſte, der ſich der ſyſtematiſchen Botanik, d. h. der Begründung und dem Ausbau des Syſtems widmete. Ihm wurde von ſeinen Zeitgenoſſen und Nachfolgern der Vorwurf gemacht, als habe er den Caeſalpin abgeſchrieben, ohne ihn zu nennen; dies war Uebertreibung; Moriſon eröffnete ſeine Thätigkeit als Syſtemati- ker mit einer ſorgfältigen Kritik von Caspar Bauhin's Pinax; dort holte er ſeine Vorſtellungen von der natürlichen Verwandtſchaft der Pflanzen, und wenn er ſpäter ſein eigenes Syſtem vorwiegend auf die Fruchtformen gründete, ſo geſchah dieß doch in einer von Caeſalpin weit abweichenden Weiſe und Linné beſeitigt den obengenannten Vorwurf mit der treffenden Bemerkung, Moriſon weiche gerade ſoweit von Caeſalpin ab, als er dieſem in der Reinheit der Methode untergeordnet ſei. Im Jahre 1669 erſchien ſein mit dem charakteriſtiſchen Titel verſehenes Werk: Hallucinationes Caspari Bauhini in Pinace tam in digerendis quam denominandis plantis, welches Haller mit Recht ein invidiosum opus nennt; denn wie es zu allen Zeiten Schriftſteller gibt, welche das Gute und Bedeutende ihrer Vorgänger als etwas Selbſtverſtändliches 1) Moriſon diente gegen Cromwell im königl. Herr und ging, nachdem jener geſiegt, nach Frankreich, wo er zu Paris unter Robin ſich der Botanik widmete. 1660 wurde er Leibarzt Karls II. und Profeſſor der Botanik, zehn Jahre ſpäter Profeſſor zu Oxford (K. Sprengel, Geſch. der Bot. II. p. 30.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/83
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/83>, abgerufen am 23.11.2024.