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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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der Organe von Caesalpin bis auf Linne.
französischen Botanikern eine Wichtigkeit beigelegt wurde, die
ohne historische Nachweisung kaum verständlich wäre. -- Kehren wir
nun nochmals zu Caesalpin's cor zurück, so macht ihm die
Thatsache, daß die meisten Pflanzen sich aus abgetrennten Theilen
regeneriren, keine große Sorge; in ächt aristotelischer Art sagt
er: obgleich das Lebens-Princip thatsächlich nur eins, so sei es
doch der Möglichkeit nach vielfältig. Schließlich findet sich auch
in jeder Blattaxel ein cor, durch welches sich der Axelsproß mit
dem Mark des Muttersprosses verbindet und endlich, im directen
Widerspruch mit obigem Nachweis für den Sitz der Pflanzenseele
im Wurzelhals wird im 5. Cap. ganz unumwunden gesagt, daß
die Pflanzenseele gewissermaßen durch alle Theile verbreitet sei.

Die theoretische Einleitung zu seinen trefflichen und reich-
haltigen Bemerkungen über die Fructificationstheile mag uns
noch ein Beispiel von Caesalpin's peripatetischer Methode dar-
bieten: "Da in derjenigen Fortpflanzung, welche aus dem Samen
geschieht, der Endzweck (finis) der Pflanzen besteht, während die
Fortpflanzung aus einem Sproß von unvollkommener Natur ist,
insoferne nämlich Pflanzen auch getheilt leben, so zeigt sich die
Schönheit der Pflanzen am meisten bei der Hervorbringung des
Samens; denn in der Zahl der Theile, in den Formen und
Verschiedenheiten der Samenbehälter zeigt die Fructification
einen bei Weitem größeren Schmuck als die Entfaltung eines
Sprosses; diese wunderbare Schönheit beweise den Genuß
(delitias) der erzeugenden Natur bei der Hervorbringung der
Samen. Sowie folglich bei den Thieren der Same ein Excret
des feinsten Nährstoffes im Herzen sei, durch dessen Lebenswärme
und Geist er fruchtbar gemacht wird; so sei auch bei den Pflan-
zen nothwendig, daß die Substanz der Samen aus dem Theil
sich abtrenne, in welchem das Prinzip der Eigenwärme liegt,
welcher, wie er oben gezeigt, das Mark ist. Deßhalb also ent-
springt aus dem feuchteren und reineren Theil der Nahrung
das Mark des Samens 1), aus dem gröberen entsteht die Samen-

1) Das Mark des Samens, wie sich später zeigt, ist die Substanz der
Cotyledonen und des Endosperms.
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der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
franzöſiſchen Botanikern eine Wichtigkeit beigelegt wurde, die
ohne hiſtoriſche Nachweiſung kaum verſtändlich wäre. — Kehren wir
nun nochmals zu Caeſalpin's cor zurück, ſo macht ihm die
Thatſache, daß die meiſten Pflanzen ſich aus abgetrennten Theilen
regeneriren, keine große Sorge; in ächt ariſtoteliſcher Art ſagt
er: obgleich das Lebens-Princip thatſächlich nur eins, ſo ſei es
doch der Möglichkeit nach vielfältig. Schließlich findet ſich auch
in jeder Blattaxel ein cor, durch welches ſich der Axelſproß mit
dem Mark des Mutterſproſſes verbindet und endlich, im directen
Widerſpruch mit obigem Nachweis für den Sitz der Pflanzenſeele
im Wurzelhals wird im 5. Cap. ganz unumwunden geſagt, daß
die Pflanzenſeele gewiſſermaßen durch alle Theile verbreitet ſei.

Die theoretiſche Einleitung zu ſeinen trefflichen und reich-
haltigen Bemerkungen über die Fructificationstheile mag uns
noch ein Beiſpiel von Caeſalpin's peripatetiſcher Methode dar-
bieten: „Da in derjenigen Fortpflanzung, welche aus dem Samen
geſchieht, der Endzweck (finis) der Pflanzen beſteht, während die
Fortpflanzung aus einem Sproß von unvollkommener Natur iſt,
inſoferne nämlich Pflanzen auch getheilt leben, ſo zeigt ſich die
Schönheit der Pflanzen am meiſten bei der Hervorbringung des
Samens; denn in der Zahl der Theile, in den Formen und
Verſchiedenheiten der Samenbehälter zeigt die Fructification
einen bei Weitem größeren Schmuck als die Entfaltung eines
Sproſſes; dieſe wunderbare Schönheit beweiſe den Genuß
(delitias) der erzeugenden Natur bei der Hervorbringung der
Samen. Sowie folglich bei den Thieren der Same ein Excret
des feinſten Nährſtoffes im Herzen ſei, durch deſſen Lebenswärme
und Geiſt er fruchtbar gemacht wird; ſo ſei auch bei den Pflan-
zen nothwendig, daß die Subſtanz der Samen aus dem Theil
ſich abtrenne, in welchem das Prinzip der Eigenwärme liegt,
welcher, wie er oben gezeigt, das Mark iſt. Deßhalb alſo ent-
ſpringt aus dem feuchteren und reineren Theil der Nahrung
das Mark des Samens 1), aus dem gröberen entſteht die Samen-

1) Das Mark des Samens, wie ſich ſpäter zeigt, iſt die Subſtanz der
Cotyledonen und des Endoſperms.
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[51/0063] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné. franzöſiſchen Botanikern eine Wichtigkeit beigelegt wurde, die ohne hiſtoriſche Nachweiſung kaum verſtändlich wäre. — Kehren wir nun nochmals zu Caeſalpin's cor zurück, ſo macht ihm die Thatſache, daß die meiſten Pflanzen ſich aus abgetrennten Theilen regeneriren, keine große Sorge; in ächt ariſtoteliſcher Art ſagt er: obgleich das Lebens-Princip thatſächlich nur eins, ſo ſei es doch der Möglichkeit nach vielfältig. Schließlich findet ſich auch in jeder Blattaxel ein cor, durch welches ſich der Axelſproß mit dem Mark des Mutterſproſſes verbindet und endlich, im directen Widerſpruch mit obigem Nachweis für den Sitz der Pflanzenſeele im Wurzelhals wird im 5. Cap. ganz unumwunden geſagt, daß die Pflanzenſeele gewiſſermaßen durch alle Theile verbreitet ſei. Die theoretiſche Einleitung zu ſeinen trefflichen und reich- haltigen Bemerkungen über die Fructificationstheile mag uns noch ein Beiſpiel von Caeſalpin's peripatetiſcher Methode dar- bieten: „Da in derjenigen Fortpflanzung, welche aus dem Samen geſchieht, der Endzweck (finis) der Pflanzen beſteht, während die Fortpflanzung aus einem Sproß von unvollkommener Natur iſt, inſoferne nämlich Pflanzen auch getheilt leben, ſo zeigt ſich die Schönheit der Pflanzen am meiſten bei der Hervorbringung des Samens; denn in der Zahl der Theile, in den Formen und Verſchiedenheiten der Samenbehälter zeigt die Fructification einen bei Weitem größeren Schmuck als die Entfaltung eines Sproſſes; dieſe wunderbare Schönheit beweiſe den Genuß (delitias) der erzeugenden Natur bei der Hervorbringung der Samen. Sowie folglich bei den Thieren der Same ein Excret des feinſten Nährſtoffes im Herzen ſei, durch deſſen Lebenswärme und Geiſt er fruchtbar gemacht wird; ſo ſei auch bei den Pflan- zen nothwendig, daß die Subſtanz der Samen aus dem Theil ſich abtrenne, in welchem das Prinzip der Eigenwärme liegt, welcher, wie er oben gezeigt, das Mark iſt. Deßhalb alſo ent- ſpringt aus dem feuchteren und reineren Theil der Nahrung das Mark des Samens 1), aus dem gröberen entſteht die Samen- 1) Das Mark des Samens, wie ſich ſpäter zeigt, iſt die Subſtanz der Cotyledonen und des Endoſperms. 4*

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/63>, abgerufen am 27.11.2024.