Abschluß allerdings gelangte bis in die sechziger Jahre keine einzige dieser neuen Wahrnehmungen; wie sehr sich aber doch die Ansichten über die Phytodynamik im Allgemeinen schon im Anfang der fünfziger Jahre geklärt hatten, erkennt man deutlich genug in Mohl's 1851 (Vegetabilische Zelle) und in Unger's 1855 (Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Pflanzen) übersichtlichen Darstellungen, von denen der erstere mehr kriti- sirend das Ungenügende der bis dahin gemachten Erklärungs- versuche, Unger dagegen das bereits principiell Feststehende hervorhob.
So wenig, wie in den früheren Darstellungen der Phyto- dynamik wurde aber auch von Mohl und Unger die Mechanik des Wachsthums mit in den Kreis der phytodynamischen Er- scheinungen gezogen. Vielmehr schien man einen gewissen Gegen- satz zwischen Wachsthum und anderen Bewegungen im Pflanzen- reich anzunehmen, was auch bis auf die allerneueste Zeit festge- halten worden ist. Ueberhaupt wurde seit Mariotte und Hales die Mechanik des Wachsthums nicht mehr zum Gegen- stand von Untersuchungen und theoretischen Erwägungen gemacht; doch fehlte es nicht ganz an Beobachtungen, welche wenigstens die formalen Verhältnisse und die Abhängigkeit des Wachsthums von äußeren Einflüssen in's Auge faßten. Seit Du Hamel war Ohlert 1837 wieder der Erste, der sich mit der Vertheilung des Wachsthums an der Wurzel beschäftigte; bezüglich derselben Frage Betreffs der Stengel hatten Cotta's 1806, Chr. F. Meyer's 1808, Cassini's 1821, Steinheil's und andere Messungen wesentlich nur zu dem Resultat geführt, daß die Ver- theilung des Wachsthums an den Internodien eine sehr ver- schiedene sein könne und selbst Münter's 1841 und 1843 und Grisebach's 1843 an wachsenden Internodien gemachte Mess- ungen führten noch zu keinem erheblichen Ergebniß, weil es die Beobachter unterließen, die gewonnenen Zahlen theoretisch zu verwerthen. Man gab sich damals überhaupt, wie es scheint, der Meinung hin, es genüge, die Messungen einfach in Zahlen aufzuschreiben und es müsse dann ein theoretisches Ergebniß
Geſchichte der Phytodynamik.
Abſchluß allerdings gelangte bis in die ſechziger Jahre keine einzige dieſer neuen Wahrnehmungen; wie ſehr ſich aber doch die Anſichten über die Phytodynamik im Allgemeinen ſchon im Anfang der fünfziger Jahre geklärt hatten, erkennt man deutlich genug in Mohl's 1851 (Vegetabiliſche Zelle) und in Unger's 1855 (Lehrbuch der Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen) überſichtlichen Darſtellungen, von denen der erſtere mehr kriti- ſirend das Ungenügende der bis dahin gemachten Erklärungs- verſuche, Unger dagegen das bereits principiell Feſtſtehende hervorhob.
So wenig, wie in den früheren Darſtellungen der Phyto- dynamik wurde aber auch von Mohl und Unger die Mechanik des Wachsthums mit in den Kreis der phytodynamiſchen Er- ſcheinungen gezogen. Vielmehr ſchien man einen gewiſſen Gegen- ſatz zwiſchen Wachsthum und anderen Bewegungen im Pflanzen- reich anzunehmen, was auch bis auf die allerneueſte Zeit feſtge- halten worden iſt. Ueberhaupt wurde ſeit Mariotte und Hales die Mechanik des Wachsthums nicht mehr zum Gegen- ſtand von Unterſuchungen und theoretiſchen Erwägungen gemacht; doch fehlte es nicht ganz an Beobachtungen, welche wenigſtens die formalen Verhältniſſe und die Abhängigkeit des Wachsthums von äußeren Einflüſſen in's Auge faßten. Seit Du Hamel war Ohlert 1837 wieder der Erſte, der ſich mit der Vertheilung des Wachsthums an der Wurzel beſchäftigte; bezüglich derſelben Frage Betreffs der Stengel hatten Cotta's 1806, Chr. F. Meyer's 1808, Caſſini's 1821, Steinheil's und andere Meſſungen weſentlich nur zu dem Reſultat geführt, daß die Ver- theilung des Wachsthums an den Internodien eine ſehr ver- ſchiedene ſein könne und ſelbſt Münter's 1841 und 1843 und Griſebach's 1843 an wachſenden Internodien gemachte Meſſ- ungen führten noch zu keinem erheblichen Ergebniß, weil es die Beobachter unterließen, die gewonnenen Zahlen theoretiſch zu verwerthen. Man gab ſich damals überhaupt, wie es ſcheint, der Meinung hin, es genüge, die Meſſungen einfach in Zahlen aufzuſchreiben und es müſſe dann ein theoretiſches Ergebniß
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Geſchichte der Phytodynamik.
Abſchluß allerdings gelangte bis in die ſechziger Jahre keine
einzige dieſer neuen Wahrnehmungen; wie ſehr ſich aber doch
die Anſichten über die Phytodynamik im Allgemeinen ſchon im
Anfang der fünfziger Jahre geklärt hatten, erkennt man deutlich
genug in Mohl's 1851 (Vegetabiliſche Zelle) und in Unger's
1855 (Lehrbuch der Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen)
überſichtlichen Darſtellungen, von denen der erſtere mehr kriti-
ſirend das Ungenügende der bis dahin gemachten Erklärungs-
verſuche, Unger dagegen das bereits principiell Feſtſtehende
hervorhob.
So wenig, wie in den früheren Darſtellungen der Phyto-
dynamik wurde aber auch von Mohl und Unger die Mechanik
des Wachsthums mit in den Kreis der phytodynamiſchen Er-
ſcheinungen gezogen. Vielmehr ſchien man einen gewiſſen Gegen-
ſatz zwiſchen Wachsthum und anderen Bewegungen im Pflanzen-
reich anzunehmen, was auch bis auf die allerneueſte Zeit feſtge-
halten worden iſt. Ueberhaupt wurde ſeit Mariotte und
Hales die Mechanik des Wachsthums nicht mehr zum Gegen-
ſtand von Unterſuchungen und theoretiſchen Erwägungen gemacht;
doch fehlte es nicht ganz an Beobachtungen, welche wenigſtens
die formalen Verhältniſſe und die Abhängigkeit des Wachsthums
von äußeren Einflüſſen in's Auge faßten. Seit Du Hamel
war Ohlert 1837 wieder der Erſte, der ſich mit der Vertheilung
des Wachsthums an der Wurzel beſchäftigte; bezüglich derſelben
Frage Betreffs der Stengel hatten Cotta's 1806, Chr. F.
Meyer's 1808, Caſſini's 1821, Steinheil's und andere
Meſſungen weſentlich nur zu dem Reſultat geführt, daß die Ver-
theilung des Wachsthums an den Internodien eine ſehr ver-
ſchiedene ſein könne und ſelbſt Münter's 1841 und 1843 und
Griſebach's 1843 an wachſenden Internodien gemachte Meſſ-
ungen führten noch zu keinem erheblichen Ergebniß, weil es die
Beobachter unterließen, die gewonnenen Zahlen theoretiſch zu
verwerthen. Man gab ſich damals überhaupt, wie es ſcheint,
der Meinung hin, es genüge, die Meſſungen einfach in Zahlen
aufzuſchreiben und es müſſe dann ein theoretiſches Ergebniß
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/616>, abgerufen am 24.11.2024.
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