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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
kritisch Sichtenden bezüglich der früheren Leistungen, und was
an Neuem und Positivem zum Vorschein kam, blieb unvollendet
bis in die Zeit, in welche unsere Geschichte nicht mehr fortzu-
führen ist. Bei dieser Sachlage ist eine zusammenfassende Dar-
stellung der Leistungen dieses Zeitraums kaum möglich und be-
schränke ich mich darauf, die wichtigeren neuen Entdeckungen und
theoretischen Bestrebungen einzeln vorzuführen.

Im Anfang der vierziger Jahre beschäftigten sich verschie-
dene Beobachter mit dem Einflusse des Lichts auf wachsende
Pflanzentheile. Payer behauptete 1843, daß die Keimwurzeln
verschiedener Phanerogamen das Licht fliehen, worüber sich zwi-
schen ihm und Dutrochet ein Streit entspann, an welchem sich
1845 auch Durand betheiligte; ohne daß es später auch nur
betreffs der Thatsache selbst zu einem bestimmten Abschluß kam.
Viel wichtiger hätte die schöne Entdeckung von Schmitz 1843
werden können, daß die Rhizomorphen im Licht zwar lang-
samer als im Finstern wachsen, aber dennoch negativ heliotropisch
sind; eine Thatsache, deren theoretischer Werth jedoch bis auf
die neueste Zeit vollständig verkannt worden ist. -- Sebastian
Poggioli
hatte schon 1817 die stark brechbaren Strahlen des
Lichtes als die heliotropisch wirksameren erkannt und 1842
wurde dieß von Payer bestätigt, dem jedoch Dutrochet 1843
mit der unrichtigen Behauptung entgegentrat, daß nicht die Brech-
barkeit, sondern die Helligkeit des Lichtes der entscheidende Factor
sei. Zantedeschi fand aber 1843, daß rothes, oranges und
gelbes Licht heliotropisch unwirksam ist, wogegen Gardner
1844 und Guillemain 1857 mit Hülfe des Spektrums zu
dem Resultat kamen, daß alle Strahlen desselben heliotropisch
wirksam sind; mit welchen Widersprüchen behaftet, die Frage
liegen blieb, bis sie erst 1864 wieder neu aufgenommen wurde.
Ganz ähnlich ging es, um dieß hier nachzutragen, mit der
Wirkung des verschiedenfarbigen Lichts auf die Sauerstoffab-
scheidung und die Chlorophyllbildung; schon 1836 hatte sich
Daubeny damit beschäftigt und sich der Ansicht zugeneigt, daß
nicht sowohl die Brechbarkeit, als die Helligkeit des Lichtes ent-

Geſchichte der Phytodynamik.
kritiſch Sichtenden bezüglich der früheren Leiſtungen, und was
an Neuem und Poſitivem zum Vorſchein kam, blieb unvollendet
bis in die Zeit, in welche unſere Geſchichte nicht mehr fortzu-
führen iſt. Bei dieſer Sachlage iſt eine zuſammenfaſſende Dar-
ſtellung der Leiſtungen dieſes Zeitraums kaum möglich und be-
ſchränke ich mich darauf, die wichtigeren neuen Entdeckungen und
theoretiſchen Beſtrebungen einzeln vorzuführen.

Im Anfang der vierziger Jahre beſchäftigten ſich verſchie-
dene Beobachter mit dem Einfluſſe des Lichts auf wachſende
Pflanzentheile. Payer behauptete 1843, daß die Keimwurzeln
verſchiedener Phanerogamen das Licht fliehen, worüber ſich zwi-
ſchen ihm und Dutrochet ein Streit entſpann, an welchem ſich
1845 auch Durand betheiligte; ohne daß es ſpäter auch nur
betreffs der Thatſache ſelbſt zu einem beſtimmten Abſchluß kam.
Viel wichtiger hätte die ſchöne Entdeckung von Schmitz 1843
werden können, daß die Rhizomorphen im Licht zwar lang-
ſamer als im Finſtern wachſen, aber dennoch negativ heliotropiſch
ſind; eine Thatſache, deren theoretiſcher Werth jedoch bis auf
die neueſte Zeit vollſtändig verkannt worden iſt. — Sebaſtian
Poggioli
hatte ſchon 1817 die ſtark brechbaren Strahlen des
Lichtes als die heliotropiſch wirkſameren erkannt und 1842
wurde dieß von Payer beſtätigt, dem jedoch Dutrochet 1843
mit der unrichtigen Behauptung entgegentrat, daß nicht die Brech-
barkeit, ſondern die Helligkeit des Lichtes der entſcheidende Factor
ſei. Zantedeſchi fand aber 1843, daß rothes, oranges und
gelbes Licht heliotropiſch unwirkſam iſt, wogegen Gardner
1844 und Guillemain 1857 mit Hülfe des Spektrums zu
dem Reſultat kamen, daß alle Strahlen desſelben heliotropiſch
wirkſam ſind; mit welchen Widerſprüchen behaftet, die Frage
liegen blieb, bis ſie erſt 1864 wieder neu aufgenommen wurde.
Ganz ähnlich ging es, um dieß hier nachzutragen, mit der
Wirkung des verſchiedenfarbigen Lichts auf die Sauerſtoffab-
ſcheidung und die Chlorophyllbildung; ſchon 1836 hatte ſich
Daubeny damit beſchäftigt und ſich der Anſicht zugeneigt, daß
nicht ſowohl die Brechbarkeit, als die Helligkeit des Lichtes ent-

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[601/0613] Geſchichte der Phytodynamik. kritiſch Sichtenden bezüglich der früheren Leiſtungen, und was an Neuem und Poſitivem zum Vorſchein kam, blieb unvollendet bis in die Zeit, in welche unſere Geſchichte nicht mehr fortzu- führen iſt. Bei dieſer Sachlage iſt eine zuſammenfaſſende Dar- ſtellung der Leiſtungen dieſes Zeitraums kaum möglich und be- ſchränke ich mich darauf, die wichtigeren neuen Entdeckungen und theoretiſchen Beſtrebungen einzeln vorzuführen. Im Anfang der vierziger Jahre beſchäftigten ſich verſchie- dene Beobachter mit dem Einfluſſe des Lichts auf wachſende Pflanzentheile. Payer behauptete 1843, daß die Keimwurzeln verſchiedener Phanerogamen das Licht fliehen, worüber ſich zwi- ſchen ihm und Dutrochet ein Streit entſpann, an welchem ſich 1845 auch Durand betheiligte; ohne daß es ſpäter auch nur betreffs der Thatſache ſelbſt zu einem beſtimmten Abſchluß kam. Viel wichtiger hätte die ſchöne Entdeckung von Schmitz 1843 werden können, daß die Rhizomorphen im Licht zwar lang- ſamer als im Finſtern wachſen, aber dennoch negativ heliotropiſch ſind; eine Thatſache, deren theoretiſcher Werth jedoch bis auf die neueſte Zeit vollſtändig verkannt worden iſt. — Sebaſtian Poggioli hatte ſchon 1817 die ſtark brechbaren Strahlen des Lichtes als die heliotropiſch wirkſameren erkannt und 1842 wurde dieß von Payer beſtätigt, dem jedoch Dutrochet 1843 mit der unrichtigen Behauptung entgegentrat, daß nicht die Brech- barkeit, ſondern die Helligkeit des Lichtes der entſcheidende Factor ſei. Zantedeſchi fand aber 1843, daß rothes, oranges und gelbes Licht heliotropiſch unwirkſam iſt, wogegen Gardner 1844 und Guillemain 1857 mit Hülfe des Spektrums zu dem Reſultat kamen, daß alle Strahlen desſelben heliotropiſch wirkſam ſind; mit welchen Widerſprüchen behaftet, die Frage liegen blieb, bis ſie erſt 1864 wieder neu aufgenommen wurde. Ganz ähnlich ging es, um dieß hier nachzutragen, mit der Wirkung des verſchiedenfarbigen Lichts auf die Sauerſtoffab- ſcheidung und die Chlorophyllbildung; ſchon 1836 hatte ſich Daubeny damit beſchäftigt und ſich der Anſicht zugeneigt, daß nicht ſowohl die Brechbarkeit, als die Helligkeit des Lichtes ent-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/613>, abgerufen am 24.11.2024.