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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
wicht sich abwärts biege, wogegen im Stengel der Nahrungssaft
sich nach der Unterseite hinzieht und diese so lange zu stärkerem
Wachsthum veranlaßt, bis durch die so bewirkte Krümmung der
Stengel wieder grade aufgerichtet ist. Auch hier, wie einst bei
Dodart, kam zunächst wenig darauf an, daß die Erklärung
sich später als ungenügend erwies; in jener Zeit konnte man
sich bei ihr beruhigen, denn sie erklärte, was man von der Er-
scheinung kannte, genügend. Derselbe Geist echter Naturforsch-
ung, der sich in Knight's Erklärung des Geotropismus aus-
sprach, fand übrigens seinen Ausdruck auch in zahlreichen anderen
Beiträgen zur Pflanzenphysiologie, unter denen hier nur noch
zw[e]i erwähnt werden sollen; 1811 zeigte er, daß unter geeigneten
Umständen Wurzeln von ihrer verticalen Richtung durch feuchte
Erde abgelenkt werden können, eine Beobachtung, die später
(1828) zwar von Johnson bestätigt, dann aber ganz vergessen
wurde. Mehr Beachtung fand seine Entdeckung (1812), daß
die Ranken von Vitis und Ampelopsis negativ heliotropisch
sind, d. h. sich von der Lichtquelle wegwenden; die ersten Fälle
dieser Art von Heliotropismus, für welche man auch jetzt eine
nur geringe Zahl von Beispielen kennt, die aber deshalb von
großem Interesse sind, weil sie lehren, daß die Beziehungen der
Pflanzen zum Licht denselben Gegensatz zeigen, wie die zur
Schwerkraft. Es war etwas von Hales' grader und kühner
Logik in seinem Landsmanne Knight, der der Lebenskraft zum
Trotz mit mechanischen Erklärungen, wo sich die Möglichkeit bot,
sofort bei der Hand war; so erklärte er auch das Winden der
Ranken dadurch, daß der Druck der Stütze die Säfte nach der
entgegensetzten Seite treibe, die in Folge dessen stärker wächst
und so die Krümmung bewirkt, durch welche die Ranke die Stütze
umwindet. Diese Theorie war jedenfalls besser, als was später
(1827) Hugo Mohl an ihre Stelle zu setzen suchte und bis
auf die letzten Jahre ist keine bessere gegeben worden. Aehnlich
war es auch mit Knight's Erklärung der geotropischen Krüm-
mungen; zwar zeigte 1828 Johnson, daß abwärts krümmende
Wurzelspitzen ein Gewicht, schwerer als sie selbst, in Bewegung

Sachs, Geschichte der Botanik. 38

Geſchichte der Phytodynamik.
wicht ſich abwärts biege, wogegen im Stengel der Nahrungsſaft
ſich nach der Unterſeite hinzieht und dieſe ſo lange zu ſtärkerem
Wachsthum veranlaßt, bis durch die ſo bewirkte Krümmung der
Stengel wieder grade aufgerichtet iſt. Auch hier, wie einſt bei
Dodart, kam zunächſt wenig darauf an, daß die Erklärung
ſich ſpäter als ungenügend erwies; in jener Zeit konnte man
ſich bei ihr beruhigen, denn ſie erklärte, was man von der Er-
ſcheinung kannte, genügend. Derſelbe Geiſt echter Naturforſch-
ung, der ſich in Knight's Erklärung des Geotropismus aus-
ſprach, fand übrigens ſeinen Ausdruck auch in zahlreichen anderen
Beiträgen zur Pflanzenphyſiologie, unter denen hier nur noch
zw[e]i erwähnt werden ſollen; 1811 zeigte er, daß unter geeigneten
Umſtänden Wurzeln von ihrer verticalen Richtung durch feuchte
Erde abgelenkt werden können, eine Beobachtung, die ſpäter
(1828) zwar von Johnſon beſtätigt, dann aber ganz vergeſſen
wurde. Mehr Beachtung fand ſeine Entdeckung (1812), daß
die Ranken von Vitis und Ampelopsis negativ heliotropiſch
ſind, d. h. ſich von der Lichtquelle wegwenden; die erſten Fälle
dieſer Art von Heliotropismus, für welche man auch jetzt eine
nur geringe Zahl von Beiſpielen kennt, die aber deshalb von
großem Intereſſe ſind, weil ſie lehren, daß die Beziehungen der
Pflanzen zum Licht denſelben Gegenſatz zeigen, wie die zur
Schwerkraft. Es war etwas von Hales' grader und kühner
Logik in ſeinem Landsmanne Knight, der der Lebenskraft zum
Trotz mit mechaniſchen Erklärungen, wo ſich die Möglichkeit bot,
ſofort bei der Hand war; ſo erklärte er auch das Winden der
Ranken dadurch, daß der Druck der Stütze die Säfte nach der
entgegenſetzten Seite treibe, die in Folge deſſen ſtärker wächſt
und ſo die Krümmung bewirkt, durch welche die Ranke die Stütze
umwindet. Dieſe Theorie war jedenfalls beſſer, als was ſpäter
(1827) Hugo Mohl an ihre Stelle zu ſetzen ſuchte und bis
auf die letzten Jahre iſt keine beſſere gegeben worden. Aehnlich
war es auch mit Knight's Erklärung der geotropiſchen Krüm-
mungen; zwar zeigte 1828 Johnſon, daß abwärts krümmende
Wurzelſpitzen ein Gewicht, ſchwerer als ſie ſelbſt, in Bewegung

Sachs, Geſchichte der Botanik. 38
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[593/0605] Geſchichte der Phytodynamik. wicht ſich abwärts biege, wogegen im Stengel der Nahrungsſaft ſich nach der Unterſeite hinzieht und dieſe ſo lange zu ſtärkerem Wachsthum veranlaßt, bis durch die ſo bewirkte Krümmung der Stengel wieder grade aufgerichtet iſt. Auch hier, wie einſt bei Dodart, kam zunächſt wenig darauf an, daß die Erklärung ſich ſpäter als ungenügend erwies; in jener Zeit konnte man ſich bei ihr beruhigen, denn ſie erklärte, was man von der Er- ſcheinung kannte, genügend. Derſelbe Geiſt echter Naturforſch- ung, der ſich in Knight's Erklärung des Geotropismus aus- ſprach, fand übrigens ſeinen Ausdruck auch in zahlreichen anderen Beiträgen zur Pflanzenphyſiologie, unter denen hier nur noch zwei erwähnt werden ſollen; 1811 zeigte er, daß unter geeigneten Umſtänden Wurzeln von ihrer verticalen Richtung durch feuchte Erde abgelenkt werden können, eine Beobachtung, die ſpäter (1828) zwar von Johnſon beſtätigt, dann aber ganz vergeſſen wurde. Mehr Beachtung fand ſeine Entdeckung (1812), daß die Ranken von Vitis und Ampelopsis negativ heliotropiſch ſind, d. h. ſich von der Lichtquelle wegwenden; die erſten Fälle dieſer Art von Heliotropismus, für welche man auch jetzt eine nur geringe Zahl von Beiſpielen kennt, die aber deshalb von großem Intereſſe ſind, weil ſie lehren, daß die Beziehungen der Pflanzen zum Licht denſelben Gegenſatz zeigen, wie die zur Schwerkraft. Es war etwas von Hales' grader und kühner Logik in ſeinem Landsmanne Knight, der der Lebenskraft zum Trotz mit mechaniſchen Erklärungen, wo ſich die Möglichkeit bot, ſofort bei der Hand war; ſo erklärte er auch das Winden der Ranken dadurch, daß der Druck der Stütze die Säfte nach der entgegenſetzten Seite treibe, die in Folge deſſen ſtärker wächſt und ſo die Krümmung bewirkt, durch welche die Ranke die Stütze umwindet. Dieſe Theorie war jedenfalls beſſer, als was ſpäter (1827) Hugo Mohl an ihre Stelle zu ſetzen ſuchte und bis auf die letzten Jahre iſt keine beſſere gegeben worden. Aehnlich war es auch mit Knight's Erklärung der geotropiſchen Krüm- mungen; zwar zeigte 1828 Johnſon, daß abwärts krümmende Wurzelſpitzen ein Gewicht, ſchwerer als ſie ſelbſt, in Bewegung Sachs, Geſchichte der Botanik. 38

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/605>, abgerufen am 23.11.2024.