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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
werden wir durch folgenden Satz Caesalpin's eingeführt:
"Jener Theil aber (die Wurzel nämlich) ist edler (superior),
weil sie ursprünglicher ist und in die Erde eingesenkt; denn es
leben viele Pflanzen nur durch die Wurzel, nachdem der Stengel
mit der Samenreife verschwunden ist -- --; der Stengel dagegen
ist von geringerer Bedeutung (inferior), obgleich er über die
Erde emporgehoben wird; denn die Exkrete, wenn solche vorhan-
den sind, werden durch diesen Theil ausgeschieden; es ist also
ähnlich wie bei den Thieren bezüglich der Ausdrücke pars su-
perior
und inferior. Wenn wir in Wahrheit die Art der
Ernährung in Betracht ziehen, so müssen wir in anderer Weise
das Oben und Unten bestimmen; da nämlich sowohl bei den
Thieren, wie bei den Pflanzen die Nahrung aufwärts steigt
(denn das Ernährende ist leicht, weil es von der Wärme empor-
getragen wird), so war es nöthig, die Wurzeln am untern Theile
einzupflanzen, den Stengel aber gerade aufwärts zu ziehen, denn
auch bei den Thieren findet die Einwurzelung der Venen am
unteren Theil des Bauches statt, der Hauptstamm derselben aber
strebt aufwärts nach dem Herzen und dem Kopf." Man sieht
wie hier in ächt aristotelischer Weise die Thatsachen in ein
vorher bestimmtes Schema hineingezwängt werden.

Von besonderem Interesse für die Beurtheilung gewisser
Ansichten späterer Botaniker ist Caesalpin's Auseinandersetzung
über den Sitz der Pflanzenseele. "Ob irgend ein Theil bei den
Pflanzen angenommen werden kann, in welchem das Princip der
Seele liegt, wie das Herz bei den Thieren, ist noch zu erwägen
-- denn da die Seele die Bethätigung (actus) des organischen
Körpers ist, so kann dieselbe weder tota in toto noch tota in
singulis partibus
sein, sondern ganz in irgend einem Haupt-
theile, aus welchem den übrigen abhängigen Theilen das Leben
mitgetheilt wird. -- Wenn nämlich die Thätigkeit der Wurzel
ist, Nahrung aus der Erde zu ziehen, des Stengels dagegen,
Samen zu tragen, und beide nicht vertauscht werden können,
so daß die Wurzel Samen trüge und der Sproß in die Erde
geführt würde; so würde es entweder zweierlei der Art nach

Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
werden wir durch folgenden Satz Caeſalpin's eingeführt:
„Jener Theil aber (die Wurzel nämlich) iſt edler (superior),
weil ſie urſprünglicher iſt und in die Erde eingeſenkt; denn es
leben viele Pflanzen nur durch die Wurzel, nachdem der Stengel
mit der Samenreife verſchwunden iſt — —; der Stengel dagegen
iſt von geringerer Bedeutung (inferior), obgleich er über die
Erde emporgehoben wird; denn die Exkrete, wenn ſolche vorhan-
den ſind, werden durch dieſen Theil ausgeſchieden; es iſt alſo
ähnlich wie bei den Thieren bezüglich der Ausdrücke pars su-
perior
und inferior. Wenn wir in Wahrheit die Art der
Ernährung in Betracht ziehen, ſo müſſen wir in anderer Weiſe
das Oben und Unten beſtimmen; da nämlich ſowohl bei den
Thieren, wie bei den Pflanzen die Nahrung aufwärts ſteigt
(denn das Ernährende iſt leicht, weil es von der Wärme empor-
getragen wird), ſo war es nöthig, die Wurzeln am untern Theile
einzupflanzen, den Stengel aber gerade aufwärts zu ziehen, denn
auch bei den Thieren findet die Einwurzelung der Venen am
unteren Theil des Bauches ſtatt, der Hauptſtamm derſelben aber
ſtrebt aufwärts nach dem Herzen und dem Kopf.“ Man ſieht
wie hier in ächt ariſtoteliſcher Weiſe die Thatſachen in ein
vorher beſtimmtes Schema hineingezwängt werden.

Von beſonderem Intereſſe für die Beurtheilung gewiſſer
Anſichten ſpäterer Botaniker iſt Caeſalpin's Auseinanderſetzung
über den Sitz der Pflanzenſeele. „Ob irgend ein Theil bei den
Pflanzen angenommen werden kann, in welchem das Princip der
Seele liegt, wie das Herz bei den Thieren, iſt noch zu erwägen
— denn da die Seele die Bethätigung (actus) des organiſchen
Körpers iſt, ſo kann dieſelbe weder tota in toto noch tota in
singulis partibus
ſein, ſondern ganz in irgend einem Haupt-
theile, aus welchem den übrigen abhängigen Theilen das Leben
mitgetheilt wird. — Wenn nämlich die Thätigkeit der Wurzel
iſt, Nahrung aus der Erde zu ziehen, des Stengels dagegen,
Samen zu tragen, und beide nicht vertauſcht werden können,
ſo daß die Wurzel Samen trüge und der Sproß in die Erde
geführt würde; ſo würde es entweder zweierlei der Art nach

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[84[48]/0060] Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur werden wir durch folgenden Satz Caeſalpin's eingeführt: „Jener Theil aber (die Wurzel nämlich) iſt edler (superior), weil ſie urſprünglicher iſt und in die Erde eingeſenkt; denn es leben viele Pflanzen nur durch die Wurzel, nachdem der Stengel mit der Samenreife verſchwunden iſt — —; der Stengel dagegen iſt von geringerer Bedeutung (inferior), obgleich er über die Erde emporgehoben wird; denn die Exkrete, wenn ſolche vorhan- den ſind, werden durch dieſen Theil ausgeſchieden; es iſt alſo ähnlich wie bei den Thieren bezüglich der Ausdrücke pars su- perior und inferior. Wenn wir in Wahrheit die Art der Ernährung in Betracht ziehen, ſo müſſen wir in anderer Weiſe das Oben und Unten beſtimmen; da nämlich ſowohl bei den Thieren, wie bei den Pflanzen die Nahrung aufwärts ſteigt (denn das Ernährende iſt leicht, weil es von der Wärme empor- getragen wird), ſo war es nöthig, die Wurzeln am untern Theile einzupflanzen, den Stengel aber gerade aufwärts zu ziehen, denn auch bei den Thieren findet die Einwurzelung der Venen am unteren Theil des Bauches ſtatt, der Hauptſtamm derſelben aber ſtrebt aufwärts nach dem Herzen und dem Kopf.“ Man ſieht wie hier in ächt ariſtoteliſcher Weiſe die Thatſachen in ein vorher beſtimmtes Schema hineingezwängt werden. Von beſonderem Intereſſe für die Beurtheilung gewiſſer Anſichten ſpäterer Botaniker iſt Caeſalpin's Auseinanderſetzung über den Sitz der Pflanzenſeele. „Ob irgend ein Theil bei den Pflanzen angenommen werden kann, in welchem das Princip der Seele liegt, wie das Herz bei den Thieren, iſt noch zu erwägen — denn da die Seele die Bethätigung (actus) des organiſchen Körpers iſt, ſo kann dieſelbe weder tota in toto noch tota in singulis partibus ſein, ſondern ganz in irgend einem Haupt- theile, aus welchem den übrigen abhängigen Theilen das Leben mitgetheilt wird. — Wenn nämlich die Thätigkeit der Wurzel iſt, Nahrung aus der Erde zu ziehen, des Stengels dagegen, Samen zu tragen, und beide nicht vertauſcht werden können, ſo daß die Wurzel Samen trüge und der Sproß in die Erde geführt würde; ſo würde es entweder zweierlei der Art nach

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 84[48]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/60>, abgerufen am 27.11.2024.