Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Phytodynamik.
den Haaren, Dornen u. dergl. ähnlich wie schon bei Caesalpin
erwähnt. Wenn wir in dieser Behandlungsweise der verschie-
denen Bewegungen der Pflanzen eine Classifikation derselben
sehen dürfen; so war diese jedenfalls noch eine höchst ungenügende,
insofern sie Gleichartiges trennte, ganz Ungleichartiges vereinigte;
trotzdem war sie doch schon eine viel geordnetere als bei Bon-
net und im Einzelnen finden wir hier sogar recht werthvolle
neue Beobachtungen. Du Hamel kann zunächst als derjenige
gelten, der zuerst das Licht als die Veranlassung heliotropischer
Krümmung in Anspruch nahm; was er bezeichnend genug aus
Bonnet's Experimenten ableitete. Nachdem er sich in ähnlicher
Weise wie Hales mit der Vertheilung des Wachsthums an
Sprossen beschäftigt und erkannt hatte, daß dieses mit beginnen-
der Verholzung aufhört, legte er sich auch die Frage vor: an
welchen Stellen die Verlängerung der Wurzeln stattfinde und
durch zweckmäßige Experimente fand er, daß jeder Wurzelfaden
nur an seinem, einige Linien langen, Endstück wächst, alles
Uebrige aber keine weitere Verlängerung erfährt. In dem
Capitel über die Richtung der Pflanzentheile prüft er nun die
Richtigkeit der bis dahin versuchten Erklärungen der geotropischen
Krümmungen. Astruc und de la Hire hatten das Gewicht
des absteigenden Saftes als die Ursache der Abwärtskrümmung
der Wurzeln und die im Gewebe aufsteigenden leichteren Dünste
als die Ursache der Aufwärtskrümmung der Stengel in An-
spruch genommen, Bazin dagegen die Feuchtigkeit der Erde für
den Geotropismus der Wurzel verantwortlich gemacht. Du
Hamel
unternahm es nun, zu entscheiden, ob es die Feuchtig-
keit, geringere Temperatur oder Dunkelheit der Erde sei, welche
die Abwärtskrümmung der Wurzeln veranlaßte, was er nach
dem Ausfall seiner Versuche verneinen mußte. Uebrigens sah
es mit seiner mechanischen Erklärung derjenigen Bewegungen,
welche wir jetzt als geotropische, heliotropische und periodische
bezeichnen würden, übel aus; denn er kam zu dem Schluß, daß
die "Richtung der Dämpfe" innerhalb der Pflanzengefäße und in
der Umgebung der Pflanze mehr als andere Ursachen zur Her-

Geſchichte der Phytodynamik.
den Haaren, Dornen u. dergl. ähnlich wie ſchon bei Caeſalpin
erwähnt. Wenn wir in dieſer Behandlungsweiſe der verſchie-
denen Bewegungen der Pflanzen eine Claſſifikation derſelben
ſehen dürfen; ſo war dieſe jedenfalls noch eine höchſt ungenügende,
inſofern ſie Gleichartiges trennte, ganz Ungleichartiges vereinigte;
trotzdem war ſie doch ſchon eine viel geordnetere als bei Bon-
net und im Einzelnen finden wir hier ſogar recht werthvolle
neue Beobachtungen. Du Hamel kann zunächſt als derjenige
gelten, der zuerſt das Licht als die Veranlaſſung heliotropiſcher
Krümmung in Anſpruch nahm; was er bezeichnend genug aus
Bonnet's Experimenten ableitete. Nachdem er ſich in ähnlicher
Weiſe wie Hales mit der Vertheilung des Wachsthums an
Sproſſen beſchäftigt und erkannt hatte, daß dieſes mit beginnen-
der Verholzung aufhört, legte er ſich auch die Frage vor: an
welchen Stellen die Verlängerung der Wurzeln ſtattfinde und
durch zweckmäßige Experimente fand er, daß jeder Wurzelfaden
nur an ſeinem, einige Linien langen, Endſtück wächſt, alles
Uebrige aber keine weitere Verlängerung erfährt. In dem
Capitel über die Richtung der Pflanzentheile prüft er nun die
Richtigkeit der bis dahin verſuchten Erklärungen der geotropiſchen
Krümmungen. Aſtruc und de la Hire hatten das Gewicht
des abſteigenden Saftes als die Urſache der Abwärtskrümmung
der Wurzeln und die im Gewebe aufſteigenden leichteren Dünſte
als die Urſache der Aufwärtskrümmung der Stengel in An-
ſpruch genommen, Bazin dagegen die Feuchtigkeit der Erde für
den Geotropismus der Wurzel verantwortlich gemacht. Du
Hamel
unternahm es nun, zu entſcheiden, ob es die Feuchtig-
keit, geringere Temperatur oder Dunkelheit der Erde ſei, welche
die Abwärtskrümmung der Wurzeln veranlaßte, was er nach
dem Ausfall ſeiner Verſuche verneinen mußte. Uebrigens ſah
es mit ſeiner mechaniſchen Erklärung derjenigen Bewegungen,
welche wir jetzt als geotropiſche, heliotropiſche und periodiſche
bezeichnen würden, übel aus; denn er kam zu dem Schluß, daß
die „Richtung der Dämpfe“ innerhalb der Pflanzengefäße und in
der Umgebung der Pflanze mehr als andere Urſachen zur Her-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0599" n="587"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Phytodynamik.</fw><lb/>
den Haaren, Dornen u. dergl. ähnlich wie &#x017F;chon bei <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi><lb/>
erwähnt. Wenn wir in die&#x017F;er Behandlungswei&#x017F;e der ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Bewegungen der Pflanzen eine Cla&#x017F;&#x017F;ifikation der&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ehen dürfen; &#x017F;o war die&#x017F;e jedenfalls noch eine höch&#x017F;t ungenügende,<lb/>
in&#x017F;ofern &#x017F;ie Gleichartiges trennte, ganz Ungleichartiges vereinigte;<lb/>
trotzdem war &#x017F;ie doch &#x017F;chon eine viel geordnetere als bei <hi rendition="#g">Bon</hi>-<lb/><hi rendition="#g">net</hi> und im Einzelnen finden wir hier &#x017F;ogar recht werthvolle<lb/>
neue Beobachtungen. <hi rendition="#g">Du Hamel</hi> kann zunäch&#x017F;t als derjenige<lb/>
gelten, der zuer&#x017F;t das Licht als die Veranla&#x017F;&#x017F;ung heliotropi&#x017F;cher<lb/>
Krümmung in An&#x017F;pruch nahm; was er bezeichnend genug aus<lb/><hi rendition="#g">Bonnet</hi>'s Experimenten ableitete. Nachdem er &#x017F;ich in ähnlicher<lb/>
Wei&#x017F;e wie <hi rendition="#g">Hales</hi> mit der Vertheilung des Wachsthums an<lb/>
Spro&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;chäftigt und erkannt hatte, daß die&#x017F;es mit beginnen-<lb/>
der Verholzung aufhört, legte er &#x017F;ich auch die Frage vor: an<lb/>
welchen Stellen die Verlängerung der Wurzeln &#x017F;tattfinde und<lb/>
durch zweckmäßige Experimente fand er, daß jeder Wurzelfaden<lb/>
nur an &#x017F;einem, einige Linien langen, End&#x017F;tück wäch&#x017F;t, alles<lb/>
Uebrige aber keine weitere Verlängerung erfährt. In dem<lb/>
Capitel über die Richtung der Pflanzentheile prüft er nun die<lb/>
Richtigkeit der bis dahin ver&#x017F;uchten Erklärungen der geotropi&#x017F;chen<lb/>
Krümmungen. <hi rendition="#g">A&#x017F;truc</hi> und <hi rendition="#g">de la Hire</hi> hatten das Gewicht<lb/>
des ab&#x017F;teigenden Saftes als die Ur&#x017F;ache der Abwärtskrümmung<lb/>
der Wurzeln und die im Gewebe auf&#x017F;teigenden leichteren Dün&#x017F;te<lb/>
als die Ur&#x017F;ache der Aufwärtskrümmung der Stengel in An-<lb/>
&#x017F;pruch genommen, <hi rendition="#g">Bazin</hi> dagegen die Feuchtigkeit der Erde für<lb/>
den Geotropismus der Wurzel verantwortlich gemacht. <hi rendition="#g">Du<lb/>
Hamel</hi>unternahm es nun, zu ent&#x017F;cheiden, ob es die Feuchtig-<lb/>
keit, geringere Temperatur oder Dunkelheit der Erde &#x017F;ei, welche<lb/>
die Abwärtskrümmung der Wurzeln veranlaßte, was er nach<lb/>
dem Ausfall &#x017F;einer Ver&#x017F;uche verneinen mußte. Uebrigens &#x017F;ah<lb/>
es mit &#x017F;einer mechani&#x017F;chen Erklärung derjenigen Bewegungen,<lb/>
welche wir jetzt als geotropi&#x017F;che, heliotropi&#x017F;che und periodi&#x017F;che<lb/>
bezeichnen würden, übel aus; denn er kam zu dem Schluß, daß<lb/>
die &#x201E;Richtung der Dämpfe&#x201C; innerhalb der Pflanzengefäße und in<lb/>
der Umgebung der Pflanze mehr als andere Ur&#x017F;achen zur Her-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[587/0599] Geſchichte der Phytodynamik. den Haaren, Dornen u. dergl. ähnlich wie ſchon bei Caeſalpin erwähnt. Wenn wir in dieſer Behandlungsweiſe der verſchie- denen Bewegungen der Pflanzen eine Claſſifikation derſelben ſehen dürfen; ſo war dieſe jedenfalls noch eine höchſt ungenügende, inſofern ſie Gleichartiges trennte, ganz Ungleichartiges vereinigte; trotzdem war ſie doch ſchon eine viel geordnetere als bei Bon- net und im Einzelnen finden wir hier ſogar recht werthvolle neue Beobachtungen. Du Hamel kann zunächſt als derjenige gelten, der zuerſt das Licht als die Veranlaſſung heliotropiſcher Krümmung in Anſpruch nahm; was er bezeichnend genug aus Bonnet's Experimenten ableitete. Nachdem er ſich in ähnlicher Weiſe wie Hales mit der Vertheilung des Wachsthums an Sproſſen beſchäftigt und erkannt hatte, daß dieſes mit beginnen- der Verholzung aufhört, legte er ſich auch die Frage vor: an welchen Stellen die Verlängerung der Wurzeln ſtattfinde und durch zweckmäßige Experimente fand er, daß jeder Wurzelfaden nur an ſeinem, einige Linien langen, Endſtück wächſt, alles Uebrige aber keine weitere Verlängerung erfährt. In dem Capitel über die Richtung der Pflanzentheile prüft er nun die Richtigkeit der bis dahin verſuchten Erklärungen der geotropiſchen Krümmungen. Aſtruc und de la Hire hatten das Gewicht des abſteigenden Saftes als die Urſache der Abwärtskrümmung der Wurzeln und die im Gewebe aufſteigenden leichteren Dünſte als die Urſache der Aufwärtskrümmung der Stengel in An- ſpruch genommen, Bazin dagegen die Feuchtigkeit der Erde für den Geotropismus der Wurzel verantwortlich gemacht. Du Hamelunternahm es nun, zu entſcheiden, ob es die Feuchtig- keit, geringere Temperatur oder Dunkelheit der Erde ſei, welche die Abwärtskrümmung der Wurzeln veranlaßte, was er nach dem Ausfall ſeiner Verſuche verneinen mußte. Uebrigens ſah es mit ſeiner mechaniſchen Erklärung derjenigen Bewegungen, welche wir jetzt als geotropiſche, heliotropiſche und periodiſche bezeichnen würden, übel aus; denn er kam zu dem Schluß, daß die „Richtung der Dämpfe“ innerhalb der Pflanzengefäße und in der Umgebung der Pflanze mehr als andere Urſachen zur Her-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/599
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/599>, abgerufen am 22.11.2024.