daß nicht schon Vieles angebahnt wurde, was erst nachher in den Vordergrund der Forschung trat.
Kaum nennenswerth sind dagegen die geringen Fortschritte, welche die Theorie der Saftbewegung der Pflanzen seit Du- trochet bis tief in die fünfziger Jahre hinein gemacht hat; doch war es ein Fortschritt, daß man die Endosmosenlehre nach und nach in ihrer physiologischen Bedeutung immer mehr schätzen lernte und daß die tiefere Begründung und die genauere Kennt- niß der osmotischen Vorgänge nach und nach eine mehr in's Einzelne gehende Erklärung der Stoffbewegung ermöglichte, wenn auch noch keineswegs ein genügender Abschluß erzielt wurde; als eine Entdeckung von großem Belang ist hier aber vor Allem auf die 1857 von Hofmeister constatirte Thatsache hinzuweisen, daß dieselbe Erscheinung, welche man seit Jahr- hunderten an der Weinrebe und an einigen Bäumen, später auch an den Agaven und an manchen Schlingpflanzen der Tropen unter dem Namen des Thränens oder Blutens kannte, und welche man auf gewisse Vegetationsperioden beschränkt glaubte, nicht nur allen mit ächten Holzzellen versehenen Ge- wächsen zukommt, sondern an diesen auch durch geeignete Mittel zu jeder Zeit hervorgerufen werden kann. Diese Verallge- meinerung war für die weitere Erforschung des Thränens selbst von großer Bedeutung.
Am schlimmsten sah es auch in dieser Periode noch mit der Lehre vom absteigenden Saft aus; auch jetzt noch berief man sich in dieser Beziehung immer wieder auf Experimente von derselben Art, wie bereits Malpighi, Du Hamel und Cotta sie angestestellt hatten, Experimente, die im Grunde gar Nichts anderes bewiesen, als daß bei dikotylen Holzpflanzen überhaupt eine von den Blättern bereitete Nahrung durch die Rinde abwärts geführt wird. War jedoch einmal erkannt, daß alle organische Substanz ursprünglich in den Blättern ent- steht, woran seit 1840 Niemand zweifeln konnte, so verstand es sich auch ohne solche Experimente von selbst, daß die zum Wachsthum der Wurzeln, wie der Knospen und Früchte
Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
daß nicht ſchon Vieles angebahnt wurde, was erſt nachher in den Vordergrund der Forſchung trat.
Kaum nennenswerth ſind dagegen die geringen Fortſchritte, welche die Theorie der Saftbewegung der Pflanzen ſeit Du- trochet bis tief in die fünfziger Jahre hinein gemacht hat; doch war es ein Fortſchritt, daß man die Endosmoſenlehre nach und nach in ihrer phyſiologiſchen Bedeutung immer mehr ſchätzen lernte und daß die tiefere Begründung und die genauere Kennt- niß der osmotiſchen Vorgänge nach und nach eine mehr in's Einzelne gehende Erklärung der Stoffbewegung ermöglichte, wenn auch noch keineswegs ein genügender Abſchluß erzielt wurde; als eine Entdeckung von großem Belang iſt hier aber vor Allem auf die 1857 von Hofmeiſter conſtatirte Thatſache hinzuweiſen, daß dieſelbe Erſcheinung, welche man ſeit Jahr- hunderten an der Weinrebe und an einigen Bäumen, ſpäter auch an den Agaven und an manchen Schlingpflanzen der Tropen unter dem Namen des Thränens oder Blutens kannte, und welche man auf gewiſſe Vegetationsperioden beſchränkt glaubte, nicht nur allen mit ächten Holzzellen verſehenen Ge- wächſen zukommt, ſondern an dieſen auch durch geeignete Mittel zu jeder Zeit hervorgerufen werden kann. Dieſe Verallge- meinerung war für die weitere Erforſchung des Thränens ſelbſt von großer Bedeutung.
Am ſchlimmſten ſah es auch in dieſer Periode noch mit der Lehre vom abſteigenden Saft aus; auch jetzt noch berief man ſich in dieſer Beziehung immer wieder auf Experimente von derſelben Art, wie bereits Malpighi, Du Hamel und Cotta ſie angeſteſtellt hatten, Experimente, die im Grunde gar Nichts anderes bewieſen, als daß bei dikotylen Holzpflanzen überhaupt eine von den Blättern bereitete Nahrung durch die Rinde abwärts geführt wird. War jedoch einmal erkannt, daß alle organiſche Subſtanz urſprünglich in den Blättern ent- ſteht, woran ſeit 1840 Niemand zweifeln konnte, ſo verſtand es ſich auch ohne ſolche Experimente von ſelbſt, daß die zum Wachsthum der Wurzeln, wie der Knoſpen und Früchte
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Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
daß nicht ſchon Vieles angebahnt wurde, was erſt nachher in den
Vordergrund der Forſchung trat.
Kaum nennenswerth ſind dagegen die geringen Fortſchritte,
welche die Theorie der Saftbewegung der Pflanzen ſeit Du-
trochet bis tief in die fünfziger Jahre hinein gemacht hat;
doch war es ein Fortſchritt, daß man die Endosmoſenlehre nach
und nach in ihrer phyſiologiſchen Bedeutung immer mehr ſchätzen
lernte und daß die tiefere Begründung und die genauere Kennt-
niß der osmotiſchen Vorgänge nach und nach eine mehr in's
Einzelne gehende Erklärung der Stoffbewegung ermöglichte,
wenn auch noch keineswegs ein genügender Abſchluß erzielt
wurde; als eine Entdeckung von großem Belang iſt hier aber
vor Allem auf die 1857 von Hofmeiſter conſtatirte Thatſache
hinzuweiſen, daß dieſelbe Erſcheinung, welche man ſeit Jahr-
hunderten an der Weinrebe und an einigen Bäumen, ſpäter
auch an den Agaven und an manchen Schlingpflanzen der
Tropen unter dem Namen des Thränens oder Blutens kannte,
und welche man auf gewiſſe Vegetationsperioden beſchränkt
glaubte, nicht nur allen mit ächten Holzzellen verſehenen Ge-
wächſen zukommt, ſondern an dieſen auch durch geeignete Mittel
zu jeder Zeit hervorgerufen werden kann. Dieſe Verallge-
meinerung war für die weitere Erforſchung des Thränens ſelbſt
von großer Bedeutung.
Am ſchlimmſten ſah es auch in dieſer Periode noch mit
der Lehre vom abſteigenden Saft aus; auch jetzt noch berief
man ſich in dieſer Beziehung immer wieder auf Experimente
von derſelben Art, wie bereits Malpighi, Du Hamel und
Cotta ſie angeſteſtellt hatten, Experimente, die im Grunde gar
Nichts anderes bewieſen, als daß bei dikotylen Holzpflanzen
überhaupt eine von den Blättern bereitete Nahrung durch die
Rinde abwärts geführt wird. War jedoch einmal erkannt,
daß alle organiſche Subſtanz urſprünglich in den Blättern ent-
ſteht, woran ſeit 1840 Niemand zweifeln konnte, ſo verſtand es
ſich auch ohne ſolche Experimente von ſelbſt, daß die zum
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/588>, abgerufen am 22.11.2024.
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