theilen habe, daß die Aschenbestandtheile für die Vegetation nicht bloß ein Gewürz sind u. dergl. m.; für Alle war in diesen Dingen ein fester Boden gewonnen, eine Anzahl von wissen- schaftlichen Sätzen zum dauernden Gemeingut geworden; das schloß freilich nicht aus, daß es nunmehr für die Andern ein Verdienst war, die übrigen von Liebig aufgestellten Theorieen zu prüfen, z. B. seinen großen Mißgriff Betreffs der Athmung der Pflanzen zu corrigiren, was Mohl mit Nachdruck that.
Es ist bei den hier verfolgten Aufgaben weder möglich noch thunlich, auf alle die Einzelheiten einzugehen, welche in Folge der von Liebig gegebenen Anregungen nunmehr bis in die sech- ziger Jahre hinein diskutirt wurden, zumal alles das, was über die ersten Assimilationsprodukte in den Pflanzen und ihre etwaigen weiteren Metamorphosen durch den Stoffwechsel zur Sprache kam: ob die basischen Mineralbestandtheile nur wesentlich zur Bindung von Pflanzensäuren dienen, ob diese letzteren die ersten Produkte der Assimilation sind, oder ob diese sofort Kohlenhydrate erzeugt u. s. w. mehr bloße Vermuthung, Deduktion und Com- bination blieb, die sich auf sichere Beobachtungen und geeignete Methoden nicht stützte; erst nach 1860 wurden in dieser Richt- ung neue Wege eingeschlagen und Resultate von Belang erzielt. Viel wichtiger war in jener Zeit für den Fortschritt der Wissen- schaft die weitere Bearbeitung der Frage nach der Herkunft des in den Pflanzen assimilirten Stickstoffs; eine definitive Entscheid- ung hierüber war um so nöthiger, als Liebig's Deduktionen noch manchen Zweifeln Raum gaben und gerade der berühmteste Ver- treter der Pflanzenphysiologie, Theodor de Saussure, in seinen alten Tagen den Fehler beging, sich zum Vertheidiger der Humustheorie Liebig gegenüber aufzuwerfen und die Behauptung aufzustellen (1842), daß das Ammoniak oder salpetersaure Salze nicht selbst Nahrungsmittel der Pflanze sind, sondern nur zur Auflösung des Humus dienen. Auch Andere konnten sich schwer von der alten, liebgewordenen Humuslehre ganz lossagen; wenn man sich auch, wie Mohl, der Wahrnehmung nicht verschloß, daß der Kohlenstoff der Pflanzen der Hauptsache nach aus der
Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
theilen habe, daß die Aſchenbeſtandtheile für die Vegetation nicht bloß ein Gewürz ſind u. dergl. m.; für Alle war in dieſen Dingen ein feſter Boden gewonnen, eine Anzahl von wiſſen- ſchaftlichen Sätzen zum dauernden Gemeingut geworden; das ſchloß freilich nicht aus, daß es nunmehr für die Andern ein Verdienſt war, die übrigen von Liebig aufgeſtellten Theorieen zu prüfen, z. B. ſeinen großen Mißgriff Betreffs der Athmung der Pflanzen zu corrigiren, was Mohl mit Nachdruck that.
Es iſt bei den hier verfolgten Aufgaben weder möglich noch thunlich, auf alle die Einzelheiten einzugehen, welche in Folge der von Liebig gegebenen Anregungen nunmehr bis in die ſech- ziger Jahre hinein diskutirt wurden, zumal alles das, was über die erſten Aſſimilationsprodukte in den Pflanzen und ihre etwaigen weiteren Metamorphoſen durch den Stoffwechſel zur Sprache kam: ob die baſiſchen Mineralbeſtandtheile nur weſentlich zur Bindung von Pflanzenſäuren dienen, ob dieſe letzteren die erſten Produkte der Aſſimilation ſind, oder ob dieſe ſofort Kohlenhydrate erzeugt u. ſ. w. mehr bloße Vermuthung, Deduktion und Com- bination blieb, die ſich auf ſichere Beobachtungen und geeignete Methoden nicht ſtützte; erſt nach 1860 wurden in dieſer Richt- ung neue Wege eingeſchlagen und Reſultate von Belang erzielt. Viel wichtiger war in jener Zeit für den Fortſchritt der Wiſſen- ſchaft die weitere Bearbeitung der Frage nach der Herkunft des in den Pflanzen aſſimilirten Stickſtoffs; eine definitive Entſcheid- ung hierüber war um ſo nöthiger, als Liebig's Deduktionen noch manchen Zweifeln Raum gaben und gerade der berühmteſte Ver- treter der Pflanzenphyſiologie, Theodor de Sauſſure, in ſeinen alten Tagen den Fehler beging, ſich zum Vertheidiger der Humustheorie Liebig gegenüber aufzuwerfen und die Behauptung aufzuſtellen (1842), daß das Ammoniak oder ſalpeterſaure Salze nicht ſelbſt Nahrungsmittel der Pflanze ſind, ſondern nur zur Auflöſung des Humus dienen. Auch Andere konnten ſich ſchwer von der alten, liebgewordenen Humuslehre ganz losſagen; wenn man ſich auch, wie Mohl, der Wahrnehmung nicht verſchloß, daß der Kohlenſtoff der Pflanzen der Hauptſache nach aus der
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Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
theilen habe, daß die Aſchenbeſtandtheile für die Vegetation nicht
bloß ein Gewürz ſind u. dergl. m.; für Alle war in dieſen
Dingen ein feſter Boden gewonnen, eine Anzahl von wiſſen-
ſchaftlichen Sätzen zum dauernden Gemeingut geworden; das
ſchloß freilich nicht aus, daß es nunmehr für die Andern ein
Verdienſt war, die übrigen von Liebig aufgeſtellten Theorieen
zu prüfen, z. B. ſeinen großen Mißgriff Betreffs der Athmung
der Pflanzen zu corrigiren, was Mohl mit Nachdruck that.
Es iſt bei den hier verfolgten Aufgaben weder möglich noch
thunlich, auf alle die Einzelheiten einzugehen, welche in Folge
der von Liebig gegebenen Anregungen nunmehr bis in die ſech-
ziger Jahre hinein diskutirt wurden, zumal alles das, was über
die erſten Aſſimilationsprodukte in den Pflanzen und ihre etwaigen
weiteren Metamorphoſen durch den Stoffwechſel zur Sprache
kam: ob die baſiſchen Mineralbeſtandtheile nur weſentlich zur
Bindung von Pflanzenſäuren dienen, ob dieſe letzteren die erſten
Produkte der Aſſimilation ſind, oder ob dieſe ſofort Kohlenhydrate
erzeugt u. ſ. w. mehr bloße Vermuthung, Deduktion und Com-
bination blieb, die ſich auf ſichere Beobachtungen und geeignete
Methoden nicht ſtützte; erſt nach 1860 wurden in dieſer Richt-
ung neue Wege eingeſchlagen und Reſultate von Belang erzielt.
Viel wichtiger war in jener Zeit für den Fortſchritt der Wiſſen-
ſchaft die weitere Bearbeitung der Frage nach der Herkunft des
in den Pflanzen aſſimilirten Stickſtoffs; eine definitive Entſcheid-
ung hierüber war um ſo nöthiger, als Liebig's Deduktionen noch
manchen Zweifeln Raum gaben und gerade der berühmteſte Ver-
treter der Pflanzenphyſiologie, Theodor de Sauſſure, in
ſeinen alten Tagen den Fehler beging, ſich zum Vertheidiger der
Humustheorie Liebig gegenüber aufzuwerfen und die Behauptung
aufzuſtellen (1842), daß das Ammoniak oder ſalpeterſaure Salze
nicht ſelbſt Nahrungsmittel der Pflanze ſind, ſondern nur zur
Auflöſung des Humus dienen. Auch Andere konnten ſich ſchwer
von der alten, liebgewordenen Humuslehre ganz losſagen; wenn
man ſich auch, wie Mohl, der Wahrnehmung nicht verſchloß,
daß der Kohlenſtoff der Pflanzen der Hauptſache nach aus der
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/585>, abgerufen am 22.11.2024.
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