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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Feststellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie."
Schon der Name des Autors, des hervorragendsten Chemikers
Deutschlands, ließ erwarten, daß hier die Ernährungsfragen in
einer ganz anderen Form, als bisher würden behandelt werden
und diese Erwartung wurde nicht nur nicht getäuscht, sondern noch
weit übertroffen durch die Neuheit und Kühnheit, mit welcher
Liebig die wichtigsten Puncte der Ernährungstheorie beleuchtete,
das principiell Wichtige herausgriff und unbekümmert um alles
Herkommen das Nebensächliche und Unbedeutende, was die Frage
bisher nur verwirrt hatte, ganz außer Acht ließ. Dazu kam,
daß sich Liebig gerade in den wichtigsten Puncten auf längst
bekannte Thatsachen stützen konnte und daß er dieselben nur mit
dem Licht seines chemischen Wissens zu beleuchten brauchte, um
an die Stelle des bisherigen Dunkels, plötzlich Klarheit treten
zu lassen. Seiner Hauptabsicht entsprechend, die organische Chemie
und Pflanzenphysiologie der Agricultur dienstbar zu machen,
richtete Liebig die Schärfe seiner Kritik zunächst gegen die bisher
von den Chemikern und Landwirthen ausgebildete, von verschie-
denen Pflanzenphysiologen unbedachtsam angenommene Humus-
theorie; sie mußte vor Allem beseitigt sein, wenn die Frage
beantwortet werden sollte, aus welchen Stoffen die Nahrungs-
substanz der Pflanzen besteht; denn die Humustheorie war nicht
nur unrichtig, sondern viel schlimmer als das, sie war das Produkt
einer Gedankenlosigkeit, welche die ganz offen daliegenden That-
sachen übersah; Liebig zeigte, daß der sogenannte Humus durch
die Vegetation nicht nur nicht vermindert, sondern beständig ver-
mehrt wird, daß der vorhandene zur Ernährung einer kräftigen
Vegetation auf die Dauer gar nicht hinreichen würde und daß
er von Pflanzen überhaupt nicht aufgenommen wird. War dieß
einmal festgestellt, und Liebig's Berechnungen ließen darüber
keinen Zweifel, so blieb eben nur eine einzige Quelle des Kohlen-
stoffs der Pflanze übrig: die atmosphärische Kohlensäure, von
welcher eine sehr einfache, auf die eudiometrischen Ergebnisse ge-
stützte Rechnung darthat, daß ihre Quantität auf undenkliche
Zeiten hinaus für die Vegetation der gesammten Erde ausreicht.

Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Phyſiologie.“
Schon der Name des Autors, des hervorragendſten Chemikers
Deutſchlands, ließ erwarten, daß hier die Ernährungsfragen in
einer ganz anderen Form, als bisher würden behandelt werden
und dieſe Erwartung wurde nicht nur nicht getäuſcht, ſondern noch
weit übertroffen durch die Neuheit und Kühnheit, mit welcher
Liebig die wichtigſten Puncte der Ernährungstheorie beleuchtete,
das principiell Wichtige herausgriff und unbekümmert um alles
Herkommen das Nebenſächliche und Unbedeutende, was die Frage
bisher nur verwirrt hatte, ganz außer Acht ließ. Dazu kam,
daß ſich Liebig gerade in den wichtigſten Puncten auf längſt
bekannte Thatſachen ſtützen konnte und daß er dieſelben nur mit
dem Licht ſeines chemiſchen Wiſſens zu beleuchten brauchte, um
an die Stelle des bisherigen Dunkels, plötzlich Klarheit treten
zu laſſen. Seiner Hauptabſicht entſprechend, die organiſche Chemie
und Pflanzenphyſiologie der Agricultur dienſtbar zu machen,
richtete Liebig die Schärfe ſeiner Kritik zunächſt gegen die bisher
von den Chemikern und Landwirthen ausgebildete, von verſchie-
denen Pflanzenphyſiologen unbedachtſam angenommene Humus-
theorie; ſie mußte vor Allem beſeitigt ſein, wenn die Frage
beantwortet werden ſollte, aus welchen Stoffen die Nahrungs-
ſubſtanz der Pflanzen beſteht; denn die Humustheorie war nicht
nur unrichtig, ſondern viel ſchlimmer als das, ſie war das Produkt
einer Gedankenloſigkeit, welche die ganz offen daliegenden That-
ſachen überſah; Liebig zeigte, daß der ſogenannte Humus durch
die Vegetation nicht nur nicht vermindert, ſondern beſtändig ver-
mehrt wird, daß der vorhandene zur Ernährung einer kräftigen
Vegetation auf die Dauer gar nicht hinreichen würde und daß
er von Pflanzen überhaupt nicht aufgenommen wird. War dieß
einmal feſtgeſtellt, und Liebig's Berechnungen ließen darüber
keinen Zweifel, ſo blieb eben nur eine einzige Quelle des Kohlen-
ſtoffs der Pflanze übrig: die atmoſphäriſche Kohlenſäure, von
welcher eine ſehr einfache, auf die eudiometriſchen Ergebniſſe ge-
ſtützte Rechnung darthat, daß ihre Quantität auf undenkliche
Zeiten hinaus für die Vegetation der geſammten Erde ausreicht.

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[569/0581] Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen. Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Phyſiologie.“ Schon der Name des Autors, des hervorragendſten Chemikers Deutſchlands, ließ erwarten, daß hier die Ernährungsfragen in einer ganz anderen Form, als bisher würden behandelt werden und dieſe Erwartung wurde nicht nur nicht getäuſcht, ſondern noch weit übertroffen durch die Neuheit und Kühnheit, mit welcher Liebig die wichtigſten Puncte der Ernährungstheorie beleuchtete, das principiell Wichtige herausgriff und unbekümmert um alles Herkommen das Nebenſächliche und Unbedeutende, was die Frage bisher nur verwirrt hatte, ganz außer Acht ließ. Dazu kam, daß ſich Liebig gerade in den wichtigſten Puncten auf längſt bekannte Thatſachen ſtützen konnte und daß er dieſelben nur mit dem Licht ſeines chemiſchen Wiſſens zu beleuchten brauchte, um an die Stelle des bisherigen Dunkels, plötzlich Klarheit treten zu laſſen. Seiner Hauptabſicht entſprechend, die organiſche Chemie und Pflanzenphyſiologie der Agricultur dienſtbar zu machen, richtete Liebig die Schärfe ſeiner Kritik zunächſt gegen die bisher von den Chemikern und Landwirthen ausgebildete, von verſchie- denen Pflanzenphyſiologen unbedachtſam angenommene Humus- theorie; ſie mußte vor Allem beſeitigt ſein, wenn die Frage beantwortet werden ſollte, aus welchen Stoffen die Nahrungs- ſubſtanz der Pflanzen beſteht; denn die Humustheorie war nicht nur unrichtig, ſondern viel ſchlimmer als das, ſie war das Produkt einer Gedankenloſigkeit, welche die ganz offen daliegenden That- ſachen überſah; Liebig zeigte, daß der ſogenannte Humus durch die Vegetation nicht nur nicht vermindert, ſondern beſtändig ver- mehrt wird, daß der vorhandene zur Ernährung einer kräftigen Vegetation auf die Dauer gar nicht hinreichen würde und daß er von Pflanzen überhaupt nicht aufgenommen wird. War dieß einmal feſtgeſtellt, und Liebig's Berechnungen ließen darüber keinen Zweifel, ſo blieb eben nur eine einzige Quelle des Kohlen- ſtoffs der Pflanze übrig: die atmoſphäriſche Kohlenſäure, von welcher eine ſehr einfache, auf die eudiometriſchen Ergebniſſe ge- ſtützte Rechnung darthat, daß ihre Quantität auf undenkliche Zeiten hinaus für die Vegetation der geſammten Erde ausreicht.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/581>, abgerufen am 22.11.2024.