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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
die bekannten, der naturwissenschaftlichen Forschung schädlichen
Elemente der aristotelischen Philosophie den Verfasser vielfach auf
Irrwege führen. Bloße Gedankendinge, welche durch Abstraction
des Verstandes gewonnen sind, werden als objectiv vorhandene
Substanzen, als wirkende Kräfte unter dem Namen Principien
behandelt; neben den wirkenden Ursachen treten Zweckbestimmun-
gen auf: die Organe und Functionen des Organismus sind ent-
weder alicujus gratia oder bloß ob necessitatem vorhanden;
die ganze Darstellung wird von einer Teleologie beherrscht, die
um so schädlicher in die Betrachtung eingreift, als die Zwecke,
um welche es sich handeln soll, überall als bekannt und selbst-
verständlich vorausgesetzt werden, indem die Pflanze und Vegeta-
tion in jeder Beziehung als eine unvollkommene Nachbildung
des Thierreiches aufgefaßt wird; gerade bei dieser Behandlung
des Stoffes aber mußte nothwendig die völlige Unkenntniß der
Sexualität der Pflanzen und der Bedeutung der Blätter für die
Ernährung zu folgeschweren Fehlschlüssen führen; dieser Mangel
würde nur für eine rein morphologische Betrachtung der Pflanze,
wie wir später bei Jungius sehen werden, von geringerem
Belang sein; allein bei Caesalpin verschlingen sich morpho-
logische und physiologische Betrachtungen so, daß ein Fehler in
der einen Richtung nothwendig auch Fehler in der andern nach
sich zieht.

Das in Bezug auf die Methode Caesalpin's Gesagte
mag zunächst an einigen Beispielen erläutert werden, um zu
zeigen, wie eng er sich einerseits an Aristoteles anschließt
und wie andererseits durch Caesalpin's Vermittlung gewisse
aristotelische Auffassungen in die spätere theoretische Botanik
übergegangen sind, ohne daß dieser Ursprung bisher hinreichend
beachtet worden wäre 1).

"Da die Natur der Pflanzen", so beginnt Caesalpin's

1) Auf Caesalpin's Ansichten über Ernährung und seine Abweisung
der Sexualität der Pflanzen komme ich in der Geschichte der Physiologie
zurück.

Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
die bekannten, der naturwiſſenſchaftlichen Forſchung ſchädlichen
Elemente der ariſtoteliſchen Philoſophie den Verfaſſer vielfach auf
Irrwege führen. Bloße Gedankendinge, welche durch Abſtraction
des Verſtandes gewonnen ſind, werden als objectiv vorhandene
Subſtanzen, als wirkende Kräfte unter dem Namen Principien
behandelt; neben den wirkenden Urſachen treten Zweckbeſtimmun-
gen auf: die Organe und Functionen des Organismus ſind ent-
weder alicujus gratia oder bloß ob necessitatem vorhanden;
die ganze Darſtellung wird von einer Teleologie beherrſcht, die
um ſo ſchädlicher in die Betrachtung eingreift, als die Zwecke,
um welche es ſich handeln ſoll, überall als bekannt und ſelbſt-
verſtändlich vorausgeſetzt werden, indem die Pflanze und Vegeta-
tion in jeder Beziehung als eine unvollkommene Nachbildung
des Thierreiches aufgefaßt wird; gerade bei dieſer Behandlung
des Stoffes aber mußte nothwendig die völlige Unkenntniß der
Sexualität der Pflanzen und der Bedeutung der Blätter für die
Ernährung zu folgeſchweren Fehlſchlüſſen führen; dieſer Mangel
würde nur für eine rein morphologiſche Betrachtung der Pflanze,
wie wir ſpäter bei Jungius ſehen werden, von geringerem
Belang ſein; allein bei Caeſalpin verſchlingen ſich morpho-
logiſche und phyſiologiſche Betrachtungen ſo, daß ein Fehler in
der einen Richtung nothwendig auch Fehler in der andern nach
ſich zieht.

Das in Bezug auf die Methode Caeſalpin's Geſagte
mag zunächſt an einigen Beiſpielen erläutert werden, um zu
zeigen, wie eng er ſich einerſeits an Ariſtoteles anſchließt
und wie andererſeits durch Caeſalpin's Vermittlung gewiſſe
ariſtoteliſche Auffaſſungen in die ſpätere theoretiſche Botanik
übergegangen ſind, ohne daß dieſer Urſprung bisher hinreichend
beachtet worden wäre 1).

„Da die Natur der Pflanzen“, ſo beginnt Caeſalpin's

1) Auf Caeſalpin's Anſichten über Ernährung und ſeine Abweiſung
der Sexualität der Pflanzen komme ich in der Geſchichte der Phyſiologie
zurück.
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[46/0058] Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur die bekannten, der naturwiſſenſchaftlichen Forſchung ſchädlichen Elemente der ariſtoteliſchen Philoſophie den Verfaſſer vielfach auf Irrwege führen. Bloße Gedankendinge, welche durch Abſtraction des Verſtandes gewonnen ſind, werden als objectiv vorhandene Subſtanzen, als wirkende Kräfte unter dem Namen Principien behandelt; neben den wirkenden Urſachen treten Zweckbeſtimmun- gen auf: die Organe und Functionen des Organismus ſind ent- weder alicujus gratia oder bloß ob necessitatem vorhanden; die ganze Darſtellung wird von einer Teleologie beherrſcht, die um ſo ſchädlicher in die Betrachtung eingreift, als die Zwecke, um welche es ſich handeln ſoll, überall als bekannt und ſelbſt- verſtändlich vorausgeſetzt werden, indem die Pflanze und Vegeta- tion in jeder Beziehung als eine unvollkommene Nachbildung des Thierreiches aufgefaßt wird; gerade bei dieſer Behandlung des Stoffes aber mußte nothwendig die völlige Unkenntniß der Sexualität der Pflanzen und der Bedeutung der Blätter für die Ernährung zu folgeſchweren Fehlſchlüſſen führen; dieſer Mangel würde nur für eine rein morphologiſche Betrachtung der Pflanze, wie wir ſpäter bei Jungius ſehen werden, von geringerem Belang ſein; allein bei Caeſalpin verſchlingen ſich morpho- logiſche und phyſiologiſche Betrachtungen ſo, daß ein Fehler in der einen Richtung nothwendig auch Fehler in der andern nach ſich zieht. Das in Bezug auf die Methode Caeſalpin's Geſagte mag zunächſt an einigen Beiſpielen erläutert werden, um zu zeigen, wie eng er ſich einerſeits an Ariſtoteles anſchließt und wie andererſeits durch Caeſalpin's Vermittlung gewiſſe ariſtoteliſche Auffaſſungen in die ſpätere theoretiſche Botanik übergegangen ſind, ohne daß dieſer Urſprung bisher hinreichend beachtet worden wäre 1). „Da die Natur der Pflanzen“, ſo beginnt Caeſalpin's 1) Auf Caeſalpin's Anſichten über Ernährung und ſeine Abweiſung der Sexualität der Pflanzen komme ich in der Geſchichte der Phyſiologie zurück.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/58>, abgerufen am 23.11.2024.