Lebenskraft. -- Athmung und Eigenwärme; Endosmose.
cenz" versetzt fühlten, und da für Treviranus die Blattfunk- tionen, wie Malpighi und Hales sie geahnt, Ingen- Houß, Senebier und Saussure sie bewiesen hatten, nicht existirte, so fand nach ihm auch die Assimilation des Bodensaftes einfach unterwegs statt, während er die Pflanze aufsteigend und ab- steigend durchströmte. Es läßt sich, wie man sieht, Nichts kläg- licheres denken, als diese Ernährungstheorie; sie wäre schlecht gewesen am Ende des 17. Jahrhunderts, sie war ein unbegreif- licher Rückschritt dreißig Jahre nach Saussure's Werk.
Im Einzelnen ist Vieles besser in Meyen's Ansichten über die chemischen Vorgänge bei der Ernährung der Pflanzen; vor Allem weiß er aus den früheren Versuchen zu folgern, daß die mit dem Wasser in die Wurzeln eintretenden Salze nicht bloß Reizmittel, sondern Nahrungsstoffe sind und, wie schon er- wähnt, wußte er sich die Sauerstoffathmung der Pflanzen nach Saussure's Beobachtung trefflich zurecht zu legen; aber auch ihm war die Kohlenstoffassimilation der Stein des Anstoßes; wie so Vielen vor und nach ihm, wurde auch ihm das Ver- ständniß verwirrt durch die simple Thatsache, daß es sich sowohl bei der Ernährung, wie bei der Athmung der Pflanzen um gasförmige Stoffe handelt; indem er beide Vorgänge als Respira- tionsprocesse in einen Topf warf, schien ihm die Sauerstoffath- mung als die allein wichtige und begreifliche Funktion; während ihm die Kohlensäurezersetzung am Licht unnöthig, für den Haus- halt der Pflanze gleichgiltig erschien; statt eine einfache Rechnung anzustellen, ob die anscheinend so geringe Menge der atmo- sphärischen Kohlensäure nicht doch vielleicht ausreiche, um die Vegetation mit Kohlenstoff zu versehen, erklärt er sie einfach für ungenügend, und weil Pflanzen in sterilem Boden mit kohlen- saurem Wasser begossen nicht gedeihen wollten, war es mit der Bedeutung der Kohlensäure vorbei. Auch ihm war die von den Chemikern unterdessen ausgebildete Humustheorie bequemer; wie Treviranus ließ auch er den gesammten Kohlenstoff der Pflanzen aus Bodenextrakt sich absetzen, ohne auch nur die hier einschlägigen Thatsachen sich genauer anzusehen; daß ein Vege-
Lebenskraft. — Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
cenz“ verſetzt fühlten, und da für Treviranus die Blattfunk- tionen, wie Malpighi und Hales ſie geahnt, Ingen- Houß, Senebier und Sauſſure ſie bewieſen hatten, nicht exiſtirte, ſo fand nach ihm auch die Aſſimilation des Bodenſaftes einfach unterwegs ſtatt, während er die Pflanze aufſteigend und ab- ſteigend durchſtrömte. Es läßt ſich, wie man ſieht, Nichts kläg- licheres denken, als dieſe Ernährungstheorie; ſie wäre ſchlecht geweſen am Ende des 17. Jahrhunderts, ſie war ein unbegreif- licher Rückſchritt dreißig Jahre nach Sauſſure's Werk.
Im Einzelnen iſt Vieles beſſer in Meyen's Anſichten über die chemiſchen Vorgänge bei der Ernährung der Pflanzen; vor Allem weiß er aus den früheren Verſuchen zu folgern, daß die mit dem Waſſer in die Wurzeln eintretenden Salze nicht bloß Reizmittel, ſondern Nahrungsſtoffe ſind und, wie ſchon er- wähnt, wußte er ſich die Sauerſtoffathmung der Pflanzen nach Sauſſure's Beobachtung trefflich zurecht zu legen; aber auch ihm war die Kohlenſtoffaſſimilation der Stein des Anſtoßes; wie ſo Vielen vor und nach ihm, wurde auch ihm das Ver- ſtändniß verwirrt durch die ſimple Thatſache, daß es ſich ſowohl bei der Ernährung, wie bei der Athmung der Pflanzen um gasförmige Stoffe handelt; indem er beide Vorgänge als Reſpira- tionsproceſſe in einen Topf warf, ſchien ihm die Sauerſtoffath- mung als die allein wichtige und begreifliche Funktion; während ihm die Kohlenſäurezerſetzung am Licht unnöthig, für den Haus- halt der Pflanze gleichgiltig erſchien; ſtatt eine einfache Rechnung anzuſtellen, ob die anſcheinend ſo geringe Menge der atmo- ſphäriſchen Kohlenſäure nicht doch vielleicht ausreiche, um die Vegetation mit Kohlenſtoff zu verſehen, erklärt er ſie einfach für ungenügend, und weil Pflanzen in ſterilem Boden mit kohlen- ſaurem Waſſer begoſſen nicht gedeihen wollten, war es mit der Bedeutung der Kohlenſäure vorbei. Auch ihm war die von den Chemikern unterdeſſen ausgebildete Humustheorie bequemer; wie Treviranus ließ auch er den geſammten Kohlenſtoff der Pflanzen aus Bodenextrakt ſich abſetzen, ohne auch nur die hier einſchlägigen Thatſachen ſich genauer anzuſehen; daß ein Vege-
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Lebenskraft. — Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
cenz“ verſetzt fühlten, und da für Treviranus die Blattfunk-
tionen, wie Malpighi und Hales ſie geahnt, Ingen-
Houß,
Senebier und Sauſſure ſie bewieſen hatten, nicht exiſtirte,
ſo fand nach ihm auch die Aſſimilation des Bodenſaftes einfach
unterwegs ſtatt, während er die Pflanze aufſteigend und ab-
ſteigend durchſtrömte. Es läßt ſich, wie man ſieht, Nichts kläg-
licheres denken, als dieſe Ernährungstheorie; ſie wäre ſchlecht
geweſen am Ende des 17. Jahrhunderts, ſie war ein unbegreif-
licher Rückſchritt dreißig Jahre nach Sauſſure's Werk.
Im Einzelnen iſt Vieles beſſer in Meyen's Anſichten
über die chemiſchen Vorgänge bei der Ernährung der Pflanzen;
vor Allem weiß er aus den früheren Verſuchen zu folgern, daß
die mit dem Waſſer in die Wurzeln eintretenden Salze nicht
bloß Reizmittel, ſondern Nahrungsſtoffe ſind und, wie ſchon er-
wähnt, wußte er ſich die Sauerſtoffathmung der Pflanzen nach
Sauſſure's Beobachtung trefflich zurecht zu legen; aber auch
ihm war die Kohlenſtoffaſſimilation der Stein des Anſtoßes;
wie ſo Vielen vor und nach ihm, wurde auch ihm das Ver-
ſtändniß verwirrt durch die ſimple Thatſache, daß es ſich ſowohl
bei der Ernährung, wie bei der Athmung der Pflanzen um
gasförmige Stoffe handelt; indem er beide Vorgänge als Reſpira-
tionsproceſſe in einen Topf warf, ſchien ihm die Sauerſtoffath-
mung als die allein wichtige und begreifliche Funktion; während
ihm die Kohlenſäurezerſetzung am Licht unnöthig, für den Haus-
halt der Pflanze gleichgiltig erſchien; ſtatt eine einfache Rechnung
anzuſtellen, ob die anſcheinend ſo geringe Menge der atmo-
ſphäriſchen Kohlenſäure nicht doch vielleicht ausreiche, um die
Vegetation mit Kohlenſtoff zu verſehen, erklärt er ſie einfach für
ungenügend, und weil Pflanzen in ſterilem Boden mit kohlen-
ſaurem Waſſer begoſſen nicht gedeihen wollten, war es mit der
Bedeutung der Kohlenſäure vorbei. Auch ihm war die von den
Chemikern unterdeſſen ausgebildete Humustheorie bequemer; wie
Treviranus ließ auch er den geſammten Kohlenſtoff der
Pflanzen aus Bodenextrakt ſich abſetzen, ohne auch nur die hier
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/577>, abgerufen am 22.11.2024.
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