welche sich damals in die Ernährungslehre eingeschlichen hatte und zur richtigen Würdigung dessen, was bald darauf Liebig und Boussingault leisteten, nöthig, noch etwas näher auf die chemische Seite der Ernährungstheorie bei Treviranus und Meyen einzugehen.
Treviranus lehnte zwar in der Einleitung seines Werkes eine von der Materie trennbare Lebenskraft ab, war aber trotz- dem ganz und gar in dem Gedankenkreise derselben befangen und machte von ihr einen viel ausgiebigeren Gebrauch als De Can- dolle; noch schlimmer aber war, daß ihn seine höchst mangel- hafte chemische Bildung auf die grob materialistische Annahme einer Lebensmaterie verfallen ließ (1. c. I. p. 6). Diese Lebensmaterie sei jenes halbflüssige Wesen, welches man durch Kochen und Fäulniß aus allen belebt gewesenen Körpern erhalte. sie entstehe zwar aus den Elementen, sei aber selbst der eigent- liche Elementarstoff, mit dem es die Physiologie allein zu thun habe; sie sei dem Thier- und Pflanzenreich gemeinschaftlich, am reinsten zeige sie sich in Form von Schleim, Eiweiß und Gallert; da Thiere und Pflanzen gleichmäßig aus dieser Lebensmaterie bestehen, so erkläre sich, warum die Pflanzen den Thieren und umgekehrt, die Thiere den Pflanzen zur Nahrung dienen. Im weiteren Verfolg von Treviranus' Ernährungslehre zeigt sich nun, daß eine ähnliche schmierige Substanz, welche die Chemiker den Extraktivstoff des Bodens nannten, und den auch allerdings viele Chemiker für einen wesentlichen Nährstoff der Pflanzen hielten, die eigentliche Nahrung der Pflanzen darstelle. Der Extraktivstoff des Bodens war also die Lebensmaterie, welche die Pflanzen aufsaugen; es war natürlich daß Treviranus auf die Kohlensäurezersetzung in den Blättern kein weiteres Ge- wicht legte, um so mehr, als er den chemischen Zusammenhang alles dessen, was Ingen-Houß, Senebier und Saussure geleistet, nicht verstand. Die Mitwirkung des Lichts zur Er- nährung der Pflanzen erklärte er für eine bloß "formelle Be- dingung" und die im Bodenwasser gelösten Salze waren ihm Reizmittel für die Wurzelenden, die sich dadurch in "Lebensturges-
Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
welche ſich damals in die Ernährungslehre eingeſchlichen hatte und zur richtigen Würdigung deſſen, was bald darauf Liebig und Bouſſingault leiſteten, nöthig, noch etwas näher auf die chemiſche Seite der Ernährungstheorie bei Treviranus und Meyen einzugehen.
Treviranus lehnte zwar in der Einleitung ſeines Werkes eine von der Materie trennbare Lebenskraft ab, war aber trotz- dem ganz und gar in dem Gedankenkreiſe derſelben befangen und machte von ihr einen viel ausgiebigeren Gebrauch als De Can- dolle; noch ſchlimmer aber war, daß ihn ſeine höchſt mangel- hafte chemiſche Bildung auf die grob materialiſtiſche Annahme einer Lebensmaterie verfallen ließ (1. c. I. p. 6). Dieſe Lebensmaterie ſei jenes halbflüſſige Weſen, welches man durch Kochen und Fäulniß aus allen belebt geweſenen Körpern erhalte. ſie entſtehe zwar aus den Elementen, ſei aber ſelbſt der eigent- liche Elementarſtoff, mit dem es die Phyſiologie allein zu thun habe; ſie ſei dem Thier- und Pflanzenreich gemeinſchaftlich, am reinſten zeige ſie ſich in Form von Schleim, Eiweiß und Gallert; da Thiere und Pflanzen gleichmäßig aus dieſer Lebensmaterie beſtehen, ſo erkläre ſich, warum die Pflanzen den Thieren und umgekehrt, die Thiere den Pflanzen zur Nahrung dienen. Im weiteren Verfolg von Treviranus' Ernährungslehre zeigt ſich nun, daß eine ähnliche ſchmierige Subſtanz, welche die Chemiker den Extraktivſtoff des Bodens nannten, und den auch allerdings viele Chemiker für einen weſentlichen Nährſtoff der Pflanzen hielten, die eigentliche Nahrung der Pflanzen darſtelle. Der Extraktivſtoff des Bodens war alſo die Lebensmaterie, welche die Pflanzen aufſaugen; es war natürlich daß Treviranus auf die Kohlenſäurezerſetzung in den Blättern kein weiteres Ge- wicht legte, um ſo mehr, als er den chemiſchen Zuſammenhang alles deſſen, was Ingen-Houß, Senebier und Sauſſure geleiſtet, nicht verſtand. Die Mitwirkung des Lichts zur Er- nährung der Pflanzen erklärte er für eine bloß „formelle Be- dingung“ und die im Bodenwaſſer gelöſten Salze waren ihm Reizmittel für die Wurzelenden, die ſich dadurch in „Lebensturges-
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Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
welche ſich damals in die Ernährungslehre eingeſchlichen hatte
und zur richtigen Würdigung deſſen, was bald darauf Liebig
und Bouſſingault leiſteten, nöthig, noch etwas näher auf die
chemiſche Seite der Ernährungstheorie bei Treviranus und
Meyen einzugehen.
Treviranus lehnte zwar in der Einleitung ſeines Werkes
eine von der Materie trennbare Lebenskraft ab, war aber trotz-
dem ganz und gar in dem Gedankenkreiſe derſelben befangen und
machte von ihr einen viel ausgiebigeren Gebrauch als De Can-
dolle; noch ſchlimmer aber war, daß ihn ſeine höchſt mangel-
hafte chemiſche Bildung auf die grob materialiſtiſche Annahme
einer Lebensmaterie verfallen ließ (1. c. I. p. 6). Dieſe
Lebensmaterie ſei jenes halbflüſſige Weſen, welches man durch
Kochen und Fäulniß aus allen belebt geweſenen Körpern erhalte.
ſie entſtehe zwar aus den Elementen, ſei aber ſelbſt der eigent-
liche Elementarſtoff, mit dem es die Phyſiologie allein zu thun
habe; ſie ſei dem Thier- und Pflanzenreich gemeinſchaftlich, am
reinſten zeige ſie ſich in Form von Schleim, Eiweiß und Gallert;
da Thiere und Pflanzen gleichmäßig aus dieſer Lebensmaterie
beſtehen, ſo erkläre ſich, warum die Pflanzen den Thieren und
umgekehrt, die Thiere den Pflanzen zur Nahrung dienen. Im
weiteren Verfolg von Treviranus' Ernährungslehre zeigt ſich
nun, daß eine ähnliche ſchmierige Subſtanz, welche die Chemiker
den Extraktivſtoff des Bodens nannten, und den auch allerdings
viele Chemiker für einen weſentlichen Nährſtoff der Pflanzen
hielten, die eigentliche Nahrung der Pflanzen darſtelle. Der
Extraktivſtoff des Bodens war alſo die Lebensmaterie, welche
die Pflanzen aufſaugen; es war natürlich daß Treviranus
auf die Kohlenſäurezerſetzung in den Blättern kein weiteres Ge-
wicht legte, um ſo mehr, als er den chemiſchen Zuſammenhang
alles deſſen, was Ingen-Houß, Senebier und Sauſſure
geleiſtet, nicht verſtand. Die Mitwirkung des Lichts zur Er-
nährung der Pflanzen erklärte er für eine bloß „formelle Be-
dingung“ und die im Bodenwaſſer gelöſten Salze waren ihm
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/576>, abgerufen am 22.11.2024.
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