Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen Irrthum, der später sogar zu einer Theorie vom endosmotischenAequivalent ausgebildet wurde, hat bis auf die neuere Zeit ganz wesentlich dazu beigetragen, die Zurückführung gewisser Vegeta- tionserscheinungen auf die Vorgänge der Hydrodiffusion unmöglich zu machen oder zu erschweren; um hier nur Ein Beispiel zu nennen, hob schon Schleiden mit Recht hervor, daß, wenn die Endosmose in Dutrochet's Sinn die alleinige Ursache der Aufnahme des Wassers durch die Wurzeln sei, nothwendig auch eine entsprechende Exosmose an den Wurzeln stattfinden müsse; eine solche, sogenannte Wurzelausscheidung glaubte nun freilich Macaire Prinsep aufgefunden zu haben und selbst Liebig hielt bis in die neuere Zeit an der Existenz einer solchen fest, obgleich schon Wiegman und Polstorff 1842 und spätere sorg- fältigere Untersuchungen zeigten, daß den großen Mengen von Wasser und darin gelösten Stoffen, welche die Wurzeln auf- nehmen, keine irgendwie nennenswerthe Ausscheidung durch Exos- mose entspricht. Auch genügte Dutrochet's Endosmosentheorie noch keineswegs, Rechenschaft davon zu geben, wie die einzelnen Nährstoffe in die Pflanze eintreten und in ihr sich verbreiten. Trotz dieser und mancher anderer Mängel jedoch verdiente sie nicht bloß deßhalb die größte Beachtung, weil sie den ersten Anstoß zu der späteren Ausbildung der Diffusionstheorie gab, sondern ebensosehr, weil in ihr ein mechanisches Princip zur Er- klärung der verschiedensten, bis dahin unerklärten Vegetations- erscheinungen lag. Dutrochet versäumte auch nicht, dieses Letztere wo nur irgend thunlich, zur Geltung zu bringen; so vor Allem in seiner Abhandlung über den auf- und absteigenden Saft. (Memoires 1837 I p. 365 ff.), welche sich vor allem bis dahin über die Saftbewegung in den Pflanzen Geschriebenen durch Klarheit der Fragestellung und Uebersichtlichkeit der Be- handlung des Thema's auszeichnet. Namentlich ist hervorzuheben, daß Dutrochet die Bedeutung der Blattfunktion sowohl für den aufsteigenden, wie für den absteigenden Saft richtig erkannte und zum Theil sogar den principiellen Fehler andeutete, der in den früheren Experimenten mit Aufsaugung farbiger Flüssigkeiten Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen Irrthum, der ſpäter ſogar zu einer Theorie vom endosmotiſchenAequivalent ausgebildet wurde, hat bis auf die neuere Zeit ganz weſentlich dazu beigetragen, die Zurückführung gewiſſer Vegeta- tionserſcheinungen auf die Vorgänge der Hydrodiffuſion unmöglich zu machen oder zu erſchweren; um hier nur Ein Beiſpiel zu nennen, hob ſchon Schleiden mit Recht hervor, daß, wenn die Endosmoſe in Dutrochet's Sinn die alleinige Urſache der Aufnahme des Waſſers durch die Wurzeln ſei, nothwendig auch eine entſprechende Exosmoſe an den Wurzeln ſtattfinden müſſe; eine ſolche, ſogenannte Wurzelausſcheidung glaubte nun freilich Macaire Prinſep aufgefunden zu haben und ſelbſt Liebig hielt bis in die neuere Zeit an der Exiſtenz einer ſolchen feſt, obgleich ſchon Wiegman und Polstorff 1842 und ſpätere ſorg- fältigere Unterſuchungen zeigten, daß den großen Mengen von Waſſer und darin gelöſten Stoffen, welche die Wurzeln auf- nehmen, keine irgendwie nennenswerthe Ausſcheidung durch Exos- moſe entſpricht. Auch genügte Dutrochet's Endosmoſentheorie noch keineswegs, Rechenſchaft davon zu geben, wie die einzelnen Nährſtoffe in die Pflanze eintreten und in ihr ſich verbreiten. Trotz dieſer und mancher anderer Mängel jedoch verdiente ſie nicht bloß deßhalb die größte Beachtung, weil ſie den erſten Anſtoß zu der ſpäteren Ausbildung der Diffuſionstheorie gab, ſondern ebenſoſehr, weil in ihr ein mechaniſches Princip zur Er- klärung der verſchiedenſten, bis dahin unerklärten Vegetations- erſcheinungen lag. Dutrochet verſäumte auch nicht, dieſes Letztere wo nur irgend thunlich, zur Geltung zu bringen; ſo vor Allem in ſeiner Abhandlung über den auf- und abſteigenden Saft. (Memoires 1837 I p. 365 ff.), welche ſich vor allem bis dahin über die Saftbewegung in den Pflanzen Geſchriebenen durch Klarheit der Frageſtellung und Ueberſichtlichkeit der Be- handlung des Thema's auszeichnet. Namentlich iſt hervorzuheben, daß Dutrochet die Bedeutung der Blattfunktion ſowohl für den aufſteigenden, wie für den abſteigenden Saft richtig erkannte und zum Theil ſogar den principiellen Fehler andeutete, der in den früheren Experimenten mit Aufſaugung farbiger Flüſſigkeiten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0564" n="552"/><fw place="top" type="header">Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen</fw><lb/> Irrthum, der ſpäter ſogar zu einer Theorie vom endosmotiſchen<lb/> Aequivalent ausgebildet wurde, hat bis auf die neuere Zeit ganz<lb/> weſentlich dazu beigetragen, die Zurückführung gewiſſer Vegeta-<lb/> tionserſcheinungen auf die Vorgänge der Hydrodiffuſion unmöglich<lb/> zu machen oder zu erſchweren; um hier nur Ein Beiſpiel zu<lb/> nennen, hob ſchon Schleiden mit Recht hervor, daß, wenn die<lb/> Endosmoſe in <hi rendition="#g">Dutrochet</hi>'s Sinn die alleinige Urſache der<lb/> Aufnahme des Waſſers durch die Wurzeln ſei, nothwendig auch<lb/> eine entſprechende Exosmoſe an den Wurzeln ſtattfinden müſſe;<lb/> eine ſolche, ſogenannte Wurzelausſcheidung glaubte nun freilich<lb/><hi rendition="#g">Macaire Prinſep</hi> aufgefunden zu haben und ſelbſt Liebig<lb/> hielt bis in die neuere Zeit an der Exiſtenz einer ſolchen feſt,<lb/> obgleich ſchon Wiegman und Polstorff 1842 und ſpätere ſorg-<lb/> fältigere Unterſuchungen zeigten, daß den großen Mengen von<lb/> Waſſer und darin gelöſten Stoffen, welche die Wurzeln auf-<lb/> nehmen, keine irgendwie nennenswerthe Ausſcheidung durch Exos-<lb/> moſe entſpricht. 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Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen
Irrthum, der ſpäter ſogar zu einer Theorie vom endosmotiſchen
Aequivalent ausgebildet wurde, hat bis auf die neuere Zeit ganz
weſentlich dazu beigetragen, die Zurückführung gewiſſer Vegeta-
tionserſcheinungen auf die Vorgänge der Hydrodiffuſion unmöglich
zu machen oder zu erſchweren; um hier nur Ein Beiſpiel zu
nennen, hob ſchon Schleiden mit Recht hervor, daß, wenn die
Endosmoſe in Dutrochet's Sinn die alleinige Urſache der
Aufnahme des Waſſers durch die Wurzeln ſei, nothwendig auch
eine entſprechende Exosmoſe an den Wurzeln ſtattfinden müſſe;
eine ſolche, ſogenannte Wurzelausſcheidung glaubte nun freilich
Macaire Prinſep aufgefunden zu haben und ſelbſt Liebig
hielt bis in die neuere Zeit an der Exiſtenz einer ſolchen feſt,
obgleich ſchon Wiegman und Polstorff 1842 und ſpätere ſorg-
fältigere Unterſuchungen zeigten, daß den großen Mengen von
Waſſer und darin gelöſten Stoffen, welche die Wurzeln auf-
nehmen, keine irgendwie nennenswerthe Ausſcheidung durch Exos-
moſe entſpricht. Auch genügte Dutrochet's Endosmoſentheorie
noch keineswegs, Rechenſchaft davon zu geben, wie die einzelnen
Nährſtoffe in die Pflanze eintreten und in ihr ſich verbreiten.
Trotz dieſer und mancher anderer Mängel jedoch verdiente ſie
nicht bloß deßhalb die größte Beachtung, weil ſie den erſten
Anſtoß zu der ſpäteren Ausbildung der Diffuſionstheorie gab,
ſondern ebenſoſehr, weil in ihr ein mechaniſches Princip zur Er-
klärung der verſchiedenſten, bis dahin unerklärten Vegetations-
erſcheinungen lag. Dutrochet verſäumte auch nicht, dieſes
Letztere wo nur irgend thunlich, zur Geltung zu bringen; ſo vor
Allem in ſeiner Abhandlung über den auf- und abſteigenden
Saft. (Memoires 1837 I p. 365 ff.), welche ſich vor allem
bis dahin über die Saftbewegung in den Pflanzen Geſchriebenen
durch Klarheit der Frageſtellung und Ueberſichtlichkeit der Be-
handlung des Thema's auszeichnet. Namentlich iſt hervorzuheben,
daß Dutrochet die Bedeutung der Blattfunktion ſowohl für den
aufſteigenden, wie für den abſteigenden Saft richtig erkannte und
zum Theil ſogar den principiellen Fehler andeutete, der in den
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