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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Lebenskraft. -- Athmung und Eigenwärme; Endosmose.
zusammengehäuften Keimpflanzen, Knollen, Zwiebeln und grünen
Pflanzen eine Temperatursteigerung nachzuweisen. Wie schwer
es den Physiologen unter der Herrschaft der Lebenskraft wurde,
sich an das einfache Princip der Eigenwärme, statt an vereinzelte
Beobachtungen zu halten, zeigen auch die Aeußerungen De Can-
dolle's 1835 und noch mehr die von Treviranus 1838.
Dagegen ist erfreulich zu sehen, wie Meyen das Princip in
seinem neuen System (II 1838) energisch geltend macht und die
Wärmeentwicklung der Pflanzen als eine nothwendige Folge der
Athmung und der chemischen Prozesse hinstellt. Meyen brachte
selbst keine neuen Beobachtungen; dieß thaten aber Vrolik und
De Vriese 1836 und 39, indem sie durch mühsame Experi-
mente die Abhängigkeit der Selbsterwärmung der Aroideen-
Kolben von der Sauerstoffathmung nachwiesen. Principiell wich-
tiger aber war der von Dutrochet 1840 unternommene Nach-
weis, daß auch wachsende Sprossen geringe Quantitäten von
Wärme erzeugen, was er mit einem thermoelektrischen Apparat
darzuthun versuchte; man mag im Einzelnen an diesen Beob-
achtungen Dutrochet's Manches auszusetzen finden; leugnen
läßt sich jedoch nicht, daß ihnen eine klare Erkenntniß des Prin-
cips der Eigenwärme zu Grunde liegt, wenn auch immerhin der
Gedanke, daß Wärmebildung in der Pflanze nicht nothwendig
mit Temperaturerhöhung verbunden sein muß, da abkühlende
Ursachen die Wärmebildung überwiegen können, noch nicht zum
Durchbruch kam. Jedenfalls war durch Saussure's, Vro-
lik's, de Vriese's und Dutrochet's Beobachtungen, ebenso
durch Meyen's und Dutrochet's Geltendmachung des La-
voisier'schen Princips die Lehre von der Eigenwärme der
Pflanzen in der Hauptsache begründet; es dauerte aber freilich
wieder mehr als dreißig Jahre, bis sie zum Gemeingut der
Pflanzenphysiologie erhoben wurde.

Mit der Erkenntniß, daß die Eigenwärme der Organismen
ein Produkt der durch die Athmung angeregten chemischen Vor-
gänge sei, war der bisherigen rohen Auffassung der Lebenskraft
eine ihrer wichtigsten Stützen entzogen, denn gerade diese galt

Lebenskraft. — Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
zuſammengehäuften Keimpflanzen, Knollen, Zwiebeln und grünen
Pflanzen eine Temperaturſteigerung nachzuweiſen. Wie ſchwer
es den Phyſiologen unter der Herrſchaft der Lebenskraft wurde,
ſich an das einfache Princip der Eigenwärme, ſtatt an vereinzelte
Beobachtungen zu halten, zeigen auch die Aeußerungen De Can-
dolle's 1835 und noch mehr die von Treviranus 1838.
Dagegen iſt erfreulich zu ſehen, wie Meyen das Princip in
ſeinem neuen Syſtem (II 1838) energiſch geltend macht und die
Wärmeentwicklung der Pflanzen als eine nothwendige Folge der
Athmung und der chemiſchen Prozeſſe hinſtellt. Meyen brachte
ſelbſt keine neuen Beobachtungen; dieß thaten aber Vrolik und
De Vrieſe 1836 und 39, indem ſie durch mühſame Experi-
mente die Abhängigkeit der Selbſterwärmung der Aroideen-
Kolben von der Sauerſtoffathmung nachwieſen. Principiell wich-
tiger aber war der von Dutrochet 1840 unternommene Nach-
weis, daß auch wachſende Sproſſen geringe Quantitäten von
Wärme erzeugen, was er mit einem thermoelektriſchen Apparat
darzuthun verſuchte; man mag im Einzelnen an dieſen Beob-
achtungen Dutrochet's Manches auszuſetzen finden; leugnen
läßt ſich jedoch nicht, daß ihnen eine klare Erkenntniß des Prin-
cips der Eigenwärme zu Grunde liegt, wenn auch immerhin der
Gedanke, daß Wärmebildung in der Pflanze nicht nothwendig
mit Temperaturerhöhung verbunden ſein muß, da abkühlende
Urſachen die Wärmebildung überwiegen können, noch nicht zum
Durchbruch kam. Jedenfalls war durch Sauſſure's, Vro-
lik's, de Vrieſe's und Dutrochet's Beobachtungen, ebenſo
durch Meyen's und Dutrochet's Geltendmachung des La-
voiſier'ſchen Princips die Lehre von der Eigenwärme der
Pflanzen in der Hauptſache begründet; es dauerte aber freilich
wieder mehr als dreißig Jahre, bis ſie zum Gemeingut der
Pflanzenphyſiologie erhoben wurde.

Mit der Erkenntniß, daß die Eigenwärme der Organismen
ein Produkt der durch die Athmung angeregten chemiſchen Vor-
gänge ſei, war der bisherigen rohen Auffaſſung der Lebenskraft
eine ihrer wichtigſten Stützen entzogen, denn gerade dieſe galt

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[549/0561] Lebenskraft. — Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe. zuſammengehäuften Keimpflanzen, Knollen, Zwiebeln und grünen Pflanzen eine Temperaturſteigerung nachzuweiſen. Wie ſchwer es den Phyſiologen unter der Herrſchaft der Lebenskraft wurde, ſich an das einfache Princip der Eigenwärme, ſtatt an vereinzelte Beobachtungen zu halten, zeigen auch die Aeußerungen De Can- dolle's 1835 und noch mehr die von Treviranus 1838. Dagegen iſt erfreulich zu ſehen, wie Meyen das Princip in ſeinem neuen Syſtem (II 1838) energiſch geltend macht und die Wärmeentwicklung der Pflanzen als eine nothwendige Folge der Athmung und der chemiſchen Prozeſſe hinſtellt. Meyen brachte ſelbſt keine neuen Beobachtungen; dieß thaten aber Vrolik und De Vrieſe 1836 und 39, indem ſie durch mühſame Experi- mente die Abhängigkeit der Selbſterwärmung der Aroideen- Kolben von der Sauerſtoffathmung nachwieſen. Principiell wich- tiger aber war der von Dutrochet 1840 unternommene Nach- weis, daß auch wachſende Sproſſen geringe Quantitäten von Wärme erzeugen, was er mit einem thermoelektriſchen Apparat darzuthun verſuchte; man mag im Einzelnen an dieſen Beob- achtungen Dutrochet's Manches auszuſetzen finden; leugnen läßt ſich jedoch nicht, daß ihnen eine klare Erkenntniß des Prin- cips der Eigenwärme zu Grunde liegt, wenn auch immerhin der Gedanke, daß Wärmebildung in der Pflanze nicht nothwendig mit Temperaturerhöhung verbunden ſein muß, da abkühlende Urſachen die Wärmebildung überwiegen können, noch nicht zum Durchbruch kam. Jedenfalls war durch Sauſſure's, Vro- lik's, de Vrieſe's und Dutrochet's Beobachtungen, ebenſo durch Meyen's und Dutrochet's Geltendmachung des La- voiſier'ſchen Princips die Lehre von der Eigenwärme der Pflanzen in der Hauptſache begründet; es dauerte aber freilich wieder mehr als dreißig Jahre, bis ſie zum Gemeingut der Pflanzenphyſiologie erhoben wurde. Mit der Erkenntniß, daß die Eigenwärme der Organismen ein Produkt der durch die Athmung angeregten chemiſchen Vor- gänge ſei, war der bisherigen rohen Auffaſſung der Lebenskraft eine ihrer wichtigſten Stützen entzogen, denn gerade dieſe galt

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/561>, abgerufen am 22.11.2024.