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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Begründung der neuen Ernährungslehre etc.
von Salzen oder anderen Substanzen unverändert aufnehmen.
Er fand zunächst, daß allerdings die verschiedensten, auch giftigen
Stoffe aufgesogen werden, daß also ein Wahlvermögen in dem
Sinne, wie es Jungius einst vermuthet hatte, allerdings nicht
besteht; dagegen ergab sich aber auch, daß die Lösungen doch
nicht unverändert in die Wurzel eintreten, daß vielmehr bei
seinen Versuchen jederzeit mehr Wasser als Salz, als der Zu-
sammensetzung der Lösung entsprach, aufgenommen wurde, und
daß bei sonst gleichen Verhältnissen einige Salze in größerer,
andere in geringerer Quantität in die Pflanze übergehen. Damals
und noch lange nachher war es jedoch nicht möglich, diese That-
sachen zu verstehen und richtig zu deuten; noch fehlte die Theorie
der Diffusionen und noch mußten fünf bis sechs Decennien ver-
gehen, bis es gelang, in diese von Saussure angeregten Fragen
Licht zu bringen.

Das hier Mitgetheilte dürfte die wichtigsten Ergebnisse von
Saussure's 1804 erschienenem Werke wiedergeben. Was er
später noch in einigen wichtigen Fragen der Pflanzenphysiologie
leistete, wird weiterhin erwähnt werden. Vergleicht man aber
den Inhalt der recherches chimiques mit dem, was vor 1780
über die chemische Seite der Pflanzenernährung bekannt war, so
erregt der ungeheure Fortschritt in diesen 24 Jahren die leb-
hafteste Bewunderung. Die letzten Decennien des 18. Jahr-
hunderts hatten sich für die Theorie der Pflanzenernährung wo-
möglich noch fruchtbarer erwiesen, als die letzten Decennien des
17. Jahrhunderts; beide Perioden haben überhaupt für den
Fortschritt der gesammten Pflanzenkunde nach allen Richtungen
hin die außerordentliche Fruchtbarkeit in der Entwicklung neuer
Gesichtspuncte gemein. Aber auch darin sind beide Perioden
einander ähnlich, daß auf jede derselben eine längere Zeit der
Ermattung folgte; wie sich die Zeit von Hales bis auf Ingen-
Houß höchst unfruchtbar erwies, so auch die nächsten dreißig
Jahre nach Saussure's grundlegendem Werk, obgleich hinzu-
gesetzt werden muß, daß in dieser Zeit wenigstens in Frankreich
manches Gute geleistet wurde, während in Deutschland die neue

Begründung der neuen Ernährungslehre etc.
von Salzen oder anderen Subſtanzen unverändert aufnehmen.
Er fand zunächſt, daß allerdings die verſchiedenſten, auch giftigen
Stoffe aufgeſogen werden, daß alſo ein Wahlvermögen in dem
Sinne, wie es Jungius einſt vermuthet hatte, allerdings nicht
beſteht; dagegen ergab ſich aber auch, daß die Löſungen doch
nicht unverändert in die Wurzel eintreten, daß vielmehr bei
ſeinen Verſuchen jederzeit mehr Waſſer als Salz, als der Zu-
ſammenſetzung der Löſung entſprach, aufgenommen wurde, und
daß bei ſonſt gleichen Verhältniſſen einige Salze in größerer,
andere in geringerer Quantität in die Pflanze übergehen. Damals
und noch lange nachher war es jedoch nicht möglich, dieſe That-
ſachen zu verſtehen und richtig zu deuten; noch fehlte die Theorie
der Diffuſionen und noch mußten fünf bis ſechs Decennien ver-
gehen, bis es gelang, in dieſe von Sauſſure angeregten Fragen
Licht zu bringen.

Das hier Mitgetheilte dürfte die wichtigſten Ergebniſſe von
Sauſſure's 1804 erſchienenem Werke wiedergeben. Was er
ſpäter noch in einigen wichtigen Fragen der Pflanzenphyſiologie
leiſtete, wird weiterhin erwähnt werden. Vergleicht man aber
den Inhalt der recherches chimiques mit dem, was vor 1780
über die chemiſche Seite der Pflanzenernährung bekannt war, ſo
erregt der ungeheure Fortſchritt in dieſen 24 Jahren die leb-
hafteſte Bewunderung. Die letzten Decennien des 18. Jahr-
hunderts hatten ſich für die Theorie der Pflanzenernährung wo-
möglich noch fruchtbarer erwieſen, als die letzten Decennien des
17. Jahrhunderts; beide Perioden haben überhaupt für den
Fortſchritt der geſammten Pflanzenkunde nach allen Richtungen
hin die außerordentliche Fruchtbarkeit in der Entwicklung neuer
Geſichtspuncte gemein. Aber auch darin ſind beide Perioden
einander ähnlich, daß auf jede derſelben eine längere Zeit der
Ermattung folgte; wie ſich die Zeit von Hales bis auf Ingen-
Houß höchſt unfruchtbar erwies, ſo auch die nächſten dreißig
Jahre nach Sauſſure's grundlegendem Werk, obgleich hinzu-
geſetzt werden muß, daß in dieſer Zeit wenigſtens in Frankreich
manches Gute geleiſtet wurde, während in Deutſchland die neue

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[543/0555] Begründung der neuen Ernährungslehre etc. von Salzen oder anderen Subſtanzen unverändert aufnehmen. Er fand zunächſt, daß allerdings die verſchiedenſten, auch giftigen Stoffe aufgeſogen werden, daß alſo ein Wahlvermögen in dem Sinne, wie es Jungius einſt vermuthet hatte, allerdings nicht beſteht; dagegen ergab ſich aber auch, daß die Löſungen doch nicht unverändert in die Wurzel eintreten, daß vielmehr bei ſeinen Verſuchen jederzeit mehr Waſſer als Salz, als der Zu- ſammenſetzung der Löſung entſprach, aufgenommen wurde, und daß bei ſonſt gleichen Verhältniſſen einige Salze in größerer, andere in geringerer Quantität in die Pflanze übergehen. Damals und noch lange nachher war es jedoch nicht möglich, dieſe That- ſachen zu verſtehen und richtig zu deuten; noch fehlte die Theorie der Diffuſionen und noch mußten fünf bis ſechs Decennien ver- gehen, bis es gelang, in dieſe von Sauſſure angeregten Fragen Licht zu bringen. Das hier Mitgetheilte dürfte die wichtigſten Ergebniſſe von Sauſſure's 1804 erſchienenem Werke wiedergeben. Was er ſpäter noch in einigen wichtigen Fragen der Pflanzenphyſiologie leiſtete, wird weiterhin erwähnt werden. Vergleicht man aber den Inhalt der recherches chimiques mit dem, was vor 1780 über die chemiſche Seite der Pflanzenernährung bekannt war, ſo erregt der ungeheure Fortſchritt in dieſen 24 Jahren die leb- hafteſte Bewunderung. Die letzten Decennien des 18. Jahr- hunderts hatten ſich für die Theorie der Pflanzenernährung wo- möglich noch fruchtbarer erwieſen, als die letzten Decennien des 17. Jahrhunderts; beide Perioden haben überhaupt für den Fortſchritt der geſammten Pflanzenkunde nach allen Richtungen hin die außerordentliche Fruchtbarkeit in der Entwicklung neuer Geſichtspuncte gemein. Aber auch darin ſind beide Perioden einander ähnlich, daß auf jede derſelben eine längere Zeit der Ermattung folgte; wie ſich die Zeit von Hales bis auf Ingen- Houß höchſt unfruchtbar erwies, ſo auch die nächſten dreißig Jahre nach Sauſſure's grundlegendem Werk, obgleich hinzu- geſetzt werden muß, daß in dieſer Zeit wenigſtens in Frankreich manches Gute geleiſtet wurde, während in Deutſchland die neue

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/555>, abgerufen am 22.11.2024.