Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
durch welche er zeigte, daß Pflanzen, deren Wurzeln nicht in
Erde, sondern in destillirtem Wasser wachsen, nur soviel an
Aschenbestandtheilen zunehmen, als dem in das Wasser fallenden
Staub entspricht. Viel wichtiger für die Hauptfrage aber war
das andere Ergebniß, daß in einem solchen Fall auch die Zunahme
der organischen, verbrennlichen Substanz der Pflanze eine nur
höchst unbedeutende ist und daß eine normale Vegetation ohne
die Aufnahme von genügenden Aschenbestandtheilen überhaupt
nicht stattfindet. Leider hat es Saussure versäumt, diese Er-
gebnisse mit dem nöthigen Nachdruck und mit dem Hinweis auf
ihre principielle Wichtigkeit hervorzuheben, so daß noch bis in die
dreißiger Jahre hinein Zweifel an der Nothwendigkeit der Aschen-
bestandtheile für die Vegetation erhoben wurden.

Daß ein Theil der lebendigen Pflanzensubstanz stickstoffhaltig
sei, war damals zwar bekannt, fraglich jedoch, wie die Pflanzen
den Stickstoff aufnehmen. Da man wußte, daß die Atmosphäre
zu 4/5 aus diesem Gas besteht, so lag die Annahme sehr nahe,
daß die Pflanze eben dieses zur Bildung stickstoffhaltiger Sub-
stanz benutzte. Saussure suchte diese Frage auf volumetrischem
Weg zu entscheiden, der, wie sich später zeigte, in diesem Falle
allerdings nicht genügt. Trotzdem traf er das Richtige, daß
nämlich das atmosphärische Stickstoffgas von den Pflanzen nicht
assimilirt wird. Der Stickstoff mußte also in Form irgend einer
chemischen Verbindung und zwar von den Wurzeln aufgenommen
werden. Saussure unterließ es jedoch, diese Frage durch Ve-
getationsversuche zu entscheiden und begnügte sich mit der Ver-
muthung, daß die vegetabilischen und animalischen Extracte des
Bodens, sowie die ammoniakalischen Dünste von den Pflanzen
als Stickstoffquelle benutzt werden. Erst ein halbes Jahrhundert
später wurde diese von Saussure allerdings ventilirte Frage,
nachdem sie zu langwierigen Streitigkeiten Anlaß gegeben, durch
Vegetationsversuche von Boussingault entschieden.

Im Zusammenhang mit seiner Untersuchung über die Be-
deutung der Aschenbestandtheile legte sich Saussure auch die
Frage vor, ob die Wurzeln die ihnen dargebotenen Lösungen

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
durch welche er zeigte, daß Pflanzen, deren Wurzeln nicht in
Erde, ſondern in deſtillirtem Waſſer wachſen, nur ſoviel an
Aſchenbeſtandtheilen zunehmen, als dem in das Waſſer fallenden
Staub entſpricht. Viel wichtiger für die Hauptfrage aber war
das andere Ergebniß, daß in einem ſolchen Fall auch die Zunahme
der organiſchen, verbrennlichen Subſtanz der Pflanze eine nur
höchſt unbedeutende iſt und daß eine normale Vegetation ohne
die Aufnahme von genügenden Aſchenbeſtandtheilen überhaupt
nicht ſtattfindet. Leider hat es Sauſſure verſäumt, dieſe Er-
gebniſſe mit dem nöthigen Nachdruck und mit dem Hinweis auf
ihre principielle Wichtigkeit hervorzuheben, ſo daß noch bis in die
dreißiger Jahre hinein Zweifel an der Nothwendigkeit der Aſchen-
beſtandtheile für die Vegetation erhoben wurden.

Daß ein Theil der lebendigen Pflanzenſubſtanz ſtickſtoffhaltig
ſei, war damals zwar bekannt, fraglich jedoch, wie die Pflanzen
den Stickſtoff aufnehmen. Da man wußte, daß die Atmoſphäre
zu ⅘ aus dieſem Gas beſteht, ſo lag die Annahme ſehr nahe,
daß die Pflanze eben dieſes zur Bildung ſtickſtoffhaltiger Sub-
ſtanz benutzte. Sauſſure ſuchte dieſe Frage auf volumetriſchem
Weg zu entſcheiden, der, wie ſich ſpäter zeigte, in dieſem Falle
allerdings nicht genügt. Trotzdem traf er das Richtige, daß
nämlich das atmoſphäriſche Stickſtoffgas von den Pflanzen nicht
aſſimilirt wird. Der Stickſtoff mußte alſo in Form irgend einer
chemiſchen Verbindung und zwar von den Wurzeln aufgenommen
werden. Sauſſure unterließ es jedoch, dieſe Frage durch Ve-
getationsverſuche zu entſcheiden und begnügte ſich mit der Ver-
muthung, daß die vegetabiliſchen und animaliſchen Extracte des
Bodens, ſowie die ammoniakaliſchen Dünſte von den Pflanzen
als Stickſtoffquelle benutzt werden. Erſt ein halbes Jahrhundert
ſpäter wurde dieſe von Sauſſure allerdings ventilirte Frage,
nachdem ſie zu langwierigen Streitigkeiten Anlaß gegeben, durch
Vegetationsverſuche von Bouſſingault entſchieden.

Im Zuſammenhang mit ſeiner Unterſuchung über die Be-
deutung der Aſchenbeſtandtheile legte ſich Sauſſure auch die
Frage vor, ob die Wurzeln die ihnen dargebotenen Löſungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0554" n="542"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.</fw><lb/>
durch welche er zeigte, daß Pflanzen, deren Wurzeln nicht in<lb/>
Erde, &#x017F;ondern in de&#x017F;tillirtem Wa&#x017F;&#x017F;er wach&#x017F;en, nur &#x017F;oviel an<lb/>
A&#x017F;chenbe&#x017F;tandtheilen zunehmen, als dem in das Wa&#x017F;&#x017F;er fallenden<lb/>
Staub ent&#x017F;pricht. Viel wichtiger für die Hauptfrage aber war<lb/>
das andere Ergebniß, daß in einem &#x017F;olchen Fall auch die Zunahme<lb/>
der organi&#x017F;chen, verbrennlichen Sub&#x017F;tanz der Pflanze eine nur<lb/>
höch&#x017F;t unbedeutende i&#x017F;t und daß eine normale Vegetation ohne<lb/>
die Aufnahme von genügenden A&#x017F;chenbe&#x017F;tandtheilen überhaupt<lb/>
nicht &#x017F;tattfindet. Leider hat es <hi rendition="#g">Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> ver&#x017F;äumt, die&#x017F;e Er-<lb/>
gebni&#x017F;&#x017F;e mit dem nöthigen Nachdruck und mit dem Hinweis auf<lb/>
ihre principielle Wichtigkeit hervorzuheben, &#x017F;o daß noch bis in die<lb/>
dreißiger Jahre hinein Zweifel an der Nothwendigkeit der A&#x017F;chen-<lb/>
be&#x017F;tandtheile für die Vegetation erhoben wurden.</p><lb/>
            <p>Daß ein Theil der lebendigen Pflanzen&#x017F;ub&#x017F;tanz &#x017F;tick&#x017F;toffhaltig<lb/>
&#x017F;ei, war damals zwar bekannt, fraglich jedoch, wie die Pflanzen<lb/>
den Stick&#x017F;toff aufnehmen. Da man wußte, daß die Atmo&#x017F;phäre<lb/>
zu &#x2158; aus die&#x017F;em Gas be&#x017F;teht, &#x017F;o lag die Annahme &#x017F;ehr nahe,<lb/>
daß die Pflanze eben die&#x017F;es zur Bildung &#x017F;tick&#x017F;toffhaltiger Sub-<lb/>
&#x017F;tanz benutzte. <hi rendition="#g">Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> &#x017F;uchte die&#x017F;e Frage auf volumetri&#x017F;chem<lb/>
Weg zu ent&#x017F;cheiden, der, wie &#x017F;ich &#x017F;päter zeigte, in die&#x017F;em Falle<lb/>
allerdings nicht genügt. Trotzdem traf er das Richtige, daß<lb/>
nämlich das atmo&#x017F;phäri&#x017F;che Stick&#x017F;toffgas von den Pflanzen nicht<lb/>
a&#x017F;&#x017F;imilirt wird. Der Stick&#x017F;toff mußte al&#x017F;o in Form irgend einer<lb/>
chemi&#x017F;chen Verbindung und zwar von den Wurzeln aufgenommen<lb/>
werden. <hi rendition="#g">Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> unterließ es jedoch, die&#x017F;e Frage durch Ve-<lb/>
getationsver&#x017F;uche zu ent&#x017F;cheiden und begnügte &#x017F;ich mit der Ver-<lb/>
muthung, daß die vegetabili&#x017F;chen und animali&#x017F;chen Extracte des<lb/>
Bodens, &#x017F;owie die ammoniakali&#x017F;chen Dün&#x017F;te von den Pflanzen<lb/>
als Stick&#x017F;toffquelle benutzt werden. Er&#x017F;t ein halbes Jahrhundert<lb/>
&#x017F;päter wurde die&#x017F;e von <hi rendition="#g">Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> allerdings ventilirte Frage,<lb/>
nachdem &#x017F;ie zu langwierigen Streitigkeiten Anlaß gegeben, durch<lb/>
Vegetationsver&#x017F;uche von <hi rendition="#g">Bou&#x017F;&#x017F;ingault</hi> ent&#x017F;chieden.</p><lb/>
            <p>Im Zu&#x017F;ammenhang mit &#x017F;einer Unter&#x017F;uchung über die Be-<lb/>
deutung der A&#x017F;chenbe&#x017F;tandtheile legte &#x017F;ich <hi rendition="#g">Sau&#x017F;&#x017F;ure</hi> auch die<lb/>
Frage vor, ob die Wurzeln die ihnen dargebotenen Lö&#x017F;ungen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0554] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. durch welche er zeigte, daß Pflanzen, deren Wurzeln nicht in Erde, ſondern in deſtillirtem Waſſer wachſen, nur ſoviel an Aſchenbeſtandtheilen zunehmen, als dem in das Waſſer fallenden Staub entſpricht. Viel wichtiger für die Hauptfrage aber war das andere Ergebniß, daß in einem ſolchen Fall auch die Zunahme der organiſchen, verbrennlichen Subſtanz der Pflanze eine nur höchſt unbedeutende iſt und daß eine normale Vegetation ohne die Aufnahme von genügenden Aſchenbeſtandtheilen überhaupt nicht ſtattfindet. Leider hat es Sauſſure verſäumt, dieſe Er- gebniſſe mit dem nöthigen Nachdruck und mit dem Hinweis auf ihre principielle Wichtigkeit hervorzuheben, ſo daß noch bis in die dreißiger Jahre hinein Zweifel an der Nothwendigkeit der Aſchen- beſtandtheile für die Vegetation erhoben wurden. Daß ein Theil der lebendigen Pflanzenſubſtanz ſtickſtoffhaltig ſei, war damals zwar bekannt, fraglich jedoch, wie die Pflanzen den Stickſtoff aufnehmen. Da man wußte, daß die Atmoſphäre zu ⅘ aus dieſem Gas beſteht, ſo lag die Annahme ſehr nahe, daß die Pflanze eben dieſes zur Bildung ſtickſtoffhaltiger Sub- ſtanz benutzte. Sauſſure ſuchte dieſe Frage auf volumetriſchem Weg zu entſcheiden, der, wie ſich ſpäter zeigte, in dieſem Falle allerdings nicht genügt. Trotzdem traf er das Richtige, daß nämlich das atmoſphäriſche Stickſtoffgas von den Pflanzen nicht aſſimilirt wird. Der Stickſtoff mußte alſo in Form irgend einer chemiſchen Verbindung und zwar von den Wurzeln aufgenommen werden. Sauſſure unterließ es jedoch, dieſe Frage durch Ve- getationsverſuche zu entſcheiden und begnügte ſich mit der Ver- muthung, daß die vegetabiliſchen und animaliſchen Extracte des Bodens, ſowie die ammoniakaliſchen Dünſte von den Pflanzen als Stickſtoffquelle benutzt werden. Erſt ein halbes Jahrhundert ſpäter wurde dieſe von Sauſſure allerdings ventilirte Frage, nachdem ſie zu langwierigen Streitigkeiten Anlaß gegeben, durch Vegetationsverſuche von Bouſſingault entſchieden. Im Zuſammenhang mit ſeiner Unterſuchung über die Be- deutung der Aſchenbeſtandtheile legte ſich Sauſſure auch die Frage vor, ob die Wurzeln die ihnen dargebotenen Löſungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/554
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/554>, abgerufen am 22.11.2024.