sphäre stammt, waren, wie wir sahen, von Malpighi und Hales zwar constatirt und theoretisch verwerthet worden, es fehlte aber an einem augenfälligen Nachweis dafür, daß die grünen Blätter einen Bestandtheil der Atmosphäre aufnehmen und ihn zu ihrer Ernährung verwerthen. Der Mangel eines solchen directen Nachweises war es offenbar, der die Nachfolger jener ersten Physiologen veranlaßte, die Wichtigkeit dieser deductiv gefundenen Sätze zu übersehen und nun principlos im Dunkeln herum zu tappen.
Die Entdeckungen Priestley's, Ingen-Houß' und Senebier's, die quantitativen Bestimmungen Saussure's lieferten nun in den Jahren von 1774 bis 1804 den Beweis, daß die grünen Pflanzentheile, also namentlich die Blätter, einen Bestandtheil der Luft aufnehmen und zersetzen, dabei gleichzeitig die Bestandtheile des Wassers assimiliren und dem entsprechend an Gewicht zunehmen, daß dieß jedoch nur dann ausgiebig und in normaler Weise geschieht, wenn von den Wurzeln her gleich- zeitig kleine Quantitäten mineralischer Stoffe in die Pflanze ein- geführt werden. Die Entdeckungen und Thatsachen, aus denen diese Lehre hervorging, waren dieselben, welche den Sturz der Phlogistontheorie herbeiführten und aus welchen Lavoisier die Principien der neueren Chemie ableitete und erst durch Lavoi- sier's Lehren wurde auch die neue Ernährungstheorie der Pflanzen möglich; es ist daher nöthig, wenigstens einen flüchtigen Blick auf die in den siebziger und achtziger Jahren sich voll- ziehende Umwälzung in der Chemie zu werfen. Diese knüpfte bekanntlich 1) zunächst an die Entdeckung des Sauerstoffgases an, welches Priestley 1774 dargestellt hatte. Während dieser selbst hartnäckiger Anhänger des Phlogistons war und blieb, wurde seine Entdeckung für Lavoisier die Grundlage einer ganz neuen Anschauungsweise der chemischen Prozesse. Schon 1776 erkannte er die Zusammensetzung der "fixen Luft" aus
1) Vergl. Kopp Gesch. der Chemie 1843 I p. 306 ff. und Kopp Entwicklung der Chemie in der neueren Zeit 1873 p. 138 ff.
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Begründung der neueren Ernährungslehre etc.
ſphäre ſtammt, waren, wie wir ſahen, von Malpighi und Hales zwar conſtatirt und theoretiſch verwerthet worden, es fehlte aber an einem augenfälligen Nachweis dafür, daß die grünen Blätter einen Beſtandtheil der Atmoſphäre aufnehmen und ihn zu ihrer Ernährung verwerthen. Der Mangel eines ſolchen directen Nachweiſes war es offenbar, der die Nachfolger jener erſten Phyſiologen veranlaßte, die Wichtigkeit dieſer deductiv gefundenen Sätze zu überſehen und nun principlos im Dunkeln herum zu tappen.
Die Entdeckungen Prieſtley's, Ingen-Houß' und Senebier's, die quantitativen Beſtimmungen Sauſſure's lieferten nun in den Jahren von 1774 bis 1804 den Beweis, daß die grünen Pflanzentheile, alſo namentlich die Blätter, einen Beſtandtheil der Luft aufnehmen und zerſetzen, dabei gleichzeitig die Beſtandtheile des Waſſers aſſimiliren und dem entſprechend an Gewicht zunehmen, daß dieß jedoch nur dann ausgiebig und in normaler Weiſe geſchieht, wenn von den Wurzeln her gleich- zeitig kleine Quantitäten mineraliſcher Stoffe in die Pflanze ein- geführt werden. Die Entdeckungen und Thatſachen, aus denen dieſe Lehre hervorging, waren dieſelben, welche den Sturz der Phlogiſtontheorie herbeiführten und aus welchen Lavoiſier die Principien der neueren Chemie ableitete und erſt durch Lavoi- ſier's Lehren wurde auch die neue Ernährungstheorie der Pflanzen möglich; es iſt daher nöthig, wenigſtens einen flüchtigen Blick auf die in den ſiebziger und achtziger Jahren ſich voll- ziehende Umwälzung in der Chemie zu werfen. Dieſe knüpfte bekanntlich 1) zunächſt an die Entdeckung des Sauerſtoffgaſes an, welches Prieſtley 1774 dargeſtellt hatte. Während dieſer ſelbſt hartnäckiger Anhänger des Phlogiſtons war und blieb, wurde ſeine Entdeckung für Lavoiſier die Grundlage einer ganz neuen Anſchauungsweiſe der chemiſchen Prozeſſe. Schon 1776 erkannte er die Zuſammenſetzung der „fixen Luft“ aus
1) Vergl. Kopp Geſch. der Chemie 1843 I p. 306 ff. und Kopp Entwicklung der Chemie in der neueren Zeit 1873 p. 138 ff.
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Begründung der neueren Ernährungslehre etc.
ſphäre ſtammt, waren, wie wir ſahen, von Malpighi und
Hales zwar conſtatirt und theoretiſch verwerthet worden, es
fehlte aber an einem augenfälligen Nachweis dafür, daß die
grünen Blätter einen Beſtandtheil der Atmoſphäre aufnehmen
und ihn zu ihrer Ernährung verwerthen. Der Mangel eines
ſolchen directen Nachweiſes war es offenbar, der die Nachfolger
jener erſten Phyſiologen veranlaßte, die Wichtigkeit dieſer deductiv
gefundenen Sätze zu überſehen und nun principlos im Dunkeln
herum zu tappen.
Die Entdeckungen Prieſtley's, Ingen-Houß' und
Senebier's, die quantitativen Beſtimmungen Sauſſure's
lieferten nun in den Jahren von 1774 bis 1804 den Beweis,
daß die grünen Pflanzentheile, alſo namentlich die Blätter, einen
Beſtandtheil der Luft aufnehmen und zerſetzen, dabei gleichzeitig
die Beſtandtheile des Waſſers aſſimiliren und dem entſprechend
an Gewicht zunehmen, daß dieß jedoch nur dann ausgiebig und
in normaler Weiſe geſchieht, wenn von den Wurzeln her gleich-
zeitig kleine Quantitäten mineraliſcher Stoffe in die Pflanze ein-
geführt werden. Die Entdeckungen und Thatſachen, aus denen
dieſe Lehre hervorging, waren dieſelben, welche den Sturz der
Phlogiſtontheorie herbeiführten und aus welchen Lavoiſier die
Principien der neueren Chemie ableitete und erſt durch Lavoi-
ſier's Lehren wurde auch die neue Ernährungstheorie der
Pflanzen möglich; es iſt daher nöthig, wenigſtens einen flüchtigen
Blick auf die in den ſiebziger und achtziger Jahren ſich voll-
ziehende Umwälzung in der Chemie zu werfen. Dieſe knüpfte
bekanntlich 1) zunächſt an die Entdeckung des Sauerſtoffgaſes an,
welches Prieſtley 1774 dargeſtellt hatte. Während dieſer
ſelbſt hartnäckiger Anhänger des Phlogiſtons war und blieb,
wurde ſeine Entdeckung für Lavoiſier die Grundlage einer
ganz neuen Anſchauungsweiſe der chemiſchen Prozeſſe. Schon
1776 erkannte er die Zuſammenſetzung der „fixen Luft“ aus
1) Vergl. Kopp Geſch. der Chemie 1843 I p. 306 ff. und Kopp
Entwicklung der Chemie in der neueren Zeit 1873 p. 138 ff.
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/543>, abgerufen am 25.11.2024.
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