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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
Kräfte ganz besonderer Art thätig sind. Ganz durchdrungen von
dem Geist des Newton'schen Zeitalters, welcher trotz einer
streng teleologischen, ja theologischen Naturauffassung doch alle
Lebenserscheinungen mechanisch, durch Anziehung und Abstoßung
materieller Theilchen zu erklären suchte, begnügte sich Hales
auch nicht damit, die Vegetationserscheinungen überhaupt nur
anschaulich zu machen, sondern er ging darauf aus, sie auf die
damals bekannten mechanisch-physikalischen Gesetze zurückzuführen.
So wurde das von ihm gesammelte Erfahrungsmaterial durch
geistvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatsachen an
allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen,
daß ein solches Buch großes Aufsehen machte und selbst für uns
ist es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im
Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Gesammtheit der Vege-
tationserscheinungen in einen anderen Zusammenhang bringen,
als Hales.

Den lebhaftesten Anklang fanden seine Untersuchungen über
die Transpiration und Wasserbewegung im Holz. Er maß die
von den Wurzeln aufgesogenen, von den Blättern ausgehauchten
Wassermengen, verglich diese mit dem in der Erde enthaltenen
Vorrath an Feuchtigkeit, suchte die Geschwindigkeit zu berechnen,
mit der das Wasser im Stamm aufsteigt, und diese zu vergleichen
mit der Geschwindigkeit seines Eintritts in die Wurzeln und
seines Austritts aus den Blättern. -- Besonders auffallend und
lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der
Saugkraft des Holzes und der Wurzel, so wie die des Wurzel-
druckes der blutenden Weinrebe demonstrirte. Die von ihm an-
gestellten Messungen und die Zahlen, die er seinen Berechnungen
zu Grunde legte, waren keineswegs so genau, wie später viel-
fach geglaubt wurde; er selbst aber ging auch vielmehr darauf
aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge-
gebenen Umständen durchaus genügende Grundlagen zur Auf-
stellung gewisser Sätze gewährten, die damals neu waren und
eine gewisse Einsicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten
und gerade in diesem Verfahren verrieth sich der geniale Experi-

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
Kräfte ganz beſonderer Art thätig ſind. Ganz durchdrungen von
dem Geiſt des Newton'ſchen Zeitalters, welcher trotz einer
ſtreng teleologiſchen, ja theologiſchen Naturauffaſſung doch alle
Lebenserſcheinungen mechaniſch, durch Anziehung und Abſtoßung
materieller Theilchen zu erklären ſuchte, begnügte ſich Hales
auch nicht damit, die Vegetationserſcheinungen überhaupt nur
anſchaulich zu machen, ſondern er ging darauf aus, ſie auf die
damals bekannten mechaniſch-phyſikaliſchen Geſetze zurückzuführen.
So wurde das von ihm geſammelte Erfahrungsmaterial durch
geiſtvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatſachen an
allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen,
daß ein ſolches Buch großes Aufſehen machte und ſelbſt für uns
iſt es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im
Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Geſammtheit der Vege-
tationserſcheinungen in einen anderen Zuſammenhang bringen,
als Hales.

Den lebhafteſten Anklang fanden ſeine Unterſuchungen über
die Transpiration und Waſſerbewegung im Holz. Er maß die
von den Wurzeln aufgeſogenen, von den Blättern ausgehauchten
Waſſermengen, verglich dieſe mit dem in der Erde enthaltenen
Vorrath an Feuchtigkeit, ſuchte die Geſchwindigkeit zu berechnen,
mit der das Waſſer im Stamm aufſteigt, und dieſe zu vergleichen
mit der Geſchwindigkeit ſeines Eintritts in die Wurzeln und
ſeines Austritts aus den Blättern. — Beſonders auffallend und
lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der
Saugkraft des Holzes und der Wurzel, ſo wie die des Wurzel-
druckes der blutenden Weinrebe demonſtrirte. Die von ihm an-
geſtellten Meſſungen und die Zahlen, die er ſeinen Berechnungen
zu Grunde legte, waren keineswegs ſo genau, wie ſpäter viel-
fach geglaubt wurde; er ſelbſt aber ging auch vielmehr darauf
aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge-
gebenen Umſtänden durchaus genügende Grundlagen zur Auf-
ſtellung gewiſſer Sätze gewährten, die damals neu waren und
eine gewiſſe Einſicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten
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[516/0528] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. Kräfte ganz beſonderer Art thätig ſind. Ganz durchdrungen von dem Geiſt des Newton'ſchen Zeitalters, welcher trotz einer ſtreng teleologiſchen, ja theologiſchen Naturauffaſſung doch alle Lebenserſcheinungen mechaniſch, durch Anziehung und Abſtoßung materieller Theilchen zu erklären ſuchte, begnügte ſich Hales auch nicht damit, die Vegetationserſcheinungen überhaupt nur anſchaulich zu machen, ſondern er ging darauf aus, ſie auf die damals bekannten mechaniſch-phyſikaliſchen Geſetze zurückzuführen. So wurde das von ihm geſammelte Erfahrungsmaterial durch geiſtvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatſachen an allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen, daß ein ſolches Buch großes Aufſehen machte und ſelbſt für uns iſt es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Geſammtheit der Vege- tationserſcheinungen in einen anderen Zuſammenhang bringen, als Hales. Den lebhafteſten Anklang fanden ſeine Unterſuchungen über die Transpiration und Waſſerbewegung im Holz. Er maß die von den Wurzeln aufgeſogenen, von den Blättern ausgehauchten Waſſermengen, verglich dieſe mit dem in der Erde enthaltenen Vorrath an Feuchtigkeit, ſuchte die Geſchwindigkeit zu berechnen, mit der das Waſſer im Stamm aufſteigt, und dieſe zu vergleichen mit der Geſchwindigkeit ſeines Eintritts in die Wurzeln und ſeines Austritts aus den Blättern. — Beſonders auffallend und lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der Saugkraft des Holzes und der Wurzel, ſo wie die des Wurzel- druckes der blutenden Weinrebe demonſtrirte. Die von ihm an- geſtellten Meſſungen und die Zahlen, die er ſeinen Berechnungen zu Grunde legte, waren keineswegs ſo genau, wie ſpäter viel- fach geglaubt wurde; er ſelbſt aber ging auch vielmehr darauf aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge- gebenen Umſtänden durchaus genügende Grundlagen zur Auf- ſtellung gewiſſer Sätze gewährten, die damals neu waren und eine gewiſſe Einſicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten und gerade in dieſem Verfahren verrieth ſich der geniale Experi-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/528>, abgerufen am 27.09.2024.