Kräfte ganz besonderer Art thätig sind. Ganz durchdrungen von dem Geist des Newton'schen Zeitalters, welcher trotz einer streng teleologischen, ja theologischen Naturauffassung doch alle Lebenserscheinungen mechanisch, durch Anziehung und Abstoßung materieller Theilchen zu erklären suchte, begnügte sich Hales auch nicht damit, die Vegetationserscheinungen überhaupt nur anschaulich zu machen, sondern er ging darauf aus, sie auf die damals bekannten mechanisch-physikalischen Gesetze zurückzuführen. So wurde das von ihm gesammelte Erfahrungsmaterial durch geistvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatsachen an allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen, daß ein solches Buch großes Aufsehen machte und selbst für uns ist es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Gesammtheit der Vege- tationserscheinungen in einen anderen Zusammenhang bringen, als Hales.
Den lebhaftesten Anklang fanden seine Untersuchungen über die Transpiration und Wasserbewegung im Holz. Er maß die von den Wurzeln aufgesogenen, von den Blättern ausgehauchten Wassermengen, verglich diese mit dem in der Erde enthaltenen Vorrath an Feuchtigkeit, suchte die Geschwindigkeit zu berechnen, mit der das Wasser im Stamm aufsteigt, und diese zu vergleichen mit der Geschwindigkeit seines Eintritts in die Wurzeln und seines Austritts aus den Blättern. -- Besonders auffallend und lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der Saugkraft des Holzes und der Wurzel, so wie die des Wurzel- druckes der blutenden Weinrebe demonstrirte. Die von ihm an- gestellten Messungen und die Zahlen, die er seinen Berechnungen zu Grunde legte, waren keineswegs so genau, wie später viel- fach geglaubt wurde; er selbst aber ging auch vielmehr darauf aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge- gebenen Umständen durchaus genügende Grundlagen zur Auf- stellung gewisser Sätze gewährten, die damals neu waren und eine gewisse Einsicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten und gerade in diesem Verfahren verrieth sich der geniale Experi-
Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
Kräfte ganz beſonderer Art thätig ſind. Ganz durchdrungen von dem Geiſt des Newton'ſchen Zeitalters, welcher trotz einer ſtreng teleologiſchen, ja theologiſchen Naturauffaſſung doch alle Lebenserſcheinungen mechaniſch, durch Anziehung und Abſtoßung materieller Theilchen zu erklären ſuchte, begnügte ſich Hales auch nicht damit, die Vegetationserſcheinungen überhaupt nur anſchaulich zu machen, ſondern er ging darauf aus, ſie auf die damals bekannten mechaniſch-phyſikaliſchen Geſetze zurückzuführen. So wurde das von ihm geſammelte Erfahrungsmaterial durch geiſtvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatſachen an allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen, daß ein ſolches Buch großes Aufſehen machte und ſelbſt für uns iſt es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Geſammtheit der Vege- tationserſcheinungen in einen anderen Zuſammenhang bringen, als Hales.
Den lebhafteſten Anklang fanden ſeine Unterſuchungen über die Transpiration und Waſſerbewegung im Holz. Er maß die von den Wurzeln aufgeſogenen, von den Blättern ausgehauchten Waſſermengen, verglich dieſe mit dem in der Erde enthaltenen Vorrath an Feuchtigkeit, ſuchte die Geſchwindigkeit zu berechnen, mit der das Waſſer im Stamm aufſteigt, und dieſe zu vergleichen mit der Geſchwindigkeit ſeines Eintritts in die Wurzeln und ſeines Austritts aus den Blättern. — Beſonders auffallend und lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der Saugkraft des Holzes und der Wurzel, ſo wie die des Wurzel- druckes der blutenden Weinrebe demonſtrirte. Die von ihm an- geſtellten Meſſungen und die Zahlen, die er ſeinen Berechnungen zu Grunde legte, waren keineswegs ſo genau, wie ſpäter viel- fach geglaubt wurde; er ſelbſt aber ging auch vielmehr darauf aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge- gebenen Umſtänden durchaus genügende Grundlagen zur Auf- ſtellung gewiſſer Sätze gewährten, die damals neu waren und eine gewiſſe Einſicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten und gerade in dieſem Verfahren verrieth ſich der geniale Experi-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0528"n="516"/><fwplace="top"type="header">Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.</fw><lb/>
Kräfte ganz beſonderer Art thätig ſind. Ganz durchdrungen von<lb/>
dem Geiſt des <hirendition="#g">Newton</hi>'ſchen Zeitalters, welcher trotz einer<lb/>ſtreng teleologiſchen, ja theologiſchen Naturauffaſſung doch alle<lb/>
Lebenserſcheinungen mechaniſch, durch Anziehung und Abſtoßung<lb/>
materieller Theilchen zu erklären ſuchte, begnügte ſich <hirendition="#g">Hales</hi><lb/>
auch nicht damit, die Vegetationserſcheinungen überhaupt nur<lb/>
anſchaulich zu machen, ſondern er ging darauf aus, ſie auf die<lb/>
damals bekannten mechaniſch-phyſikaliſchen Geſetze zurückzuführen.<lb/>
So wurde das von ihm geſammelte Erfahrungsmaterial durch<lb/>
geiſtvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatſachen an<lb/>
allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen,<lb/>
daß ein ſolches Buch großes Aufſehen machte und ſelbſt für uns<lb/>
iſt es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im<lb/>
Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Geſammtheit der Vege-<lb/>
tationserſcheinungen in einen anderen Zuſammenhang bringen,<lb/>
als Hales.</p><lb/><p>Den lebhafteſten Anklang fanden ſeine Unterſuchungen über<lb/>
die Transpiration und Waſſerbewegung im Holz. Er maß die<lb/>
von den Wurzeln aufgeſogenen, von den Blättern ausgehauchten<lb/>
Waſſermengen, verglich dieſe mit dem in der Erde enthaltenen<lb/>
Vorrath an Feuchtigkeit, ſuchte die Geſchwindigkeit zu berechnen,<lb/>
mit der das Waſſer im Stamm aufſteigt, und dieſe zu vergleichen<lb/>
mit der Geſchwindigkeit ſeines Eintritts in die Wurzeln und<lb/>ſeines Austritts aus den Blättern. — Beſonders auffallend und<lb/>
lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der<lb/>
Saugkraft des Holzes und der Wurzel, ſo wie die des Wurzel-<lb/>
druckes der blutenden Weinrebe demonſtrirte. Die von ihm an-<lb/>
geſtellten Meſſungen und die Zahlen, die er ſeinen Berechnungen<lb/>
zu Grunde legte, waren keineswegs ſo genau, wie ſpäter viel-<lb/>
fach geglaubt wurde; er ſelbſt aber ging auch vielmehr darauf<lb/>
aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge-<lb/>
gebenen Umſtänden durchaus genügende Grundlagen zur Auf-<lb/>ſtellung gewiſſer Sätze gewährten, die damals neu waren und<lb/>
eine gewiſſe Einſicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten<lb/>
und gerade in dieſem Verfahren verrieth ſich der geniale Experi-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[516/0528]
Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
Kräfte ganz beſonderer Art thätig ſind. Ganz durchdrungen von
dem Geiſt des Newton'ſchen Zeitalters, welcher trotz einer
ſtreng teleologiſchen, ja theologiſchen Naturauffaſſung doch alle
Lebenserſcheinungen mechaniſch, durch Anziehung und Abſtoßung
materieller Theilchen zu erklären ſuchte, begnügte ſich Hales
auch nicht damit, die Vegetationserſcheinungen überhaupt nur
anſchaulich zu machen, ſondern er ging darauf aus, ſie auf die
damals bekannten mechaniſch-phyſikaliſchen Geſetze zurückzuführen.
So wurde das von ihm geſammelte Erfahrungsmaterial durch
geiſtvolle Reflexionen belebt, die einzelnen Thatſachen an
allgemeinere Betrachtungen geknüpft. Es konnte nicht fehlen,
daß ein ſolches Buch großes Aufſehen machte und ſelbſt für uns
iſt es noch eine Quelle vielfacher und werthvoller Belehrung im
Einzelnen, wenn wir auch immerhin die Geſammtheit der Vege-
tationserſcheinungen in einen anderen Zuſammenhang bringen,
als Hales.
Den lebhafteſten Anklang fanden ſeine Unterſuchungen über
die Transpiration und Waſſerbewegung im Holz. Er maß die
von den Wurzeln aufgeſogenen, von den Blättern ausgehauchten
Waſſermengen, verglich dieſe mit dem in der Erde enthaltenen
Vorrath an Feuchtigkeit, ſuchte die Geſchwindigkeit zu berechnen,
mit der das Waſſer im Stamm aufſteigt, und dieſe zu vergleichen
mit der Geſchwindigkeit ſeines Eintritts in die Wurzeln und
ſeines Austritts aus den Blättern. — Beſonders auffallend und
lehrreich waren die Experimente, durch welche er die Größe der
Saugkraft des Holzes und der Wurzel, ſo wie die des Wurzel-
druckes der blutenden Weinrebe demonſtrirte. Die von ihm an-
geſtellten Meſſungen und die Zahlen, die er ſeinen Berechnungen
zu Grunde legte, waren keineswegs ſo genau, wie ſpäter viel-
fach geglaubt wurde; er ſelbſt aber ging auch vielmehr darauf
aus, runde, ungefähre Zahlen zu gewinnen, die unter den ge-
gebenen Umſtänden durchaus genügende Grundlagen zur Auf-
ſtellung gewiſſer Sätze gewährten, die damals neu waren und
eine gewiſſe Einſicht in den Haushalt der Pflanze ermöglichten
und gerade in dieſem Verfahren verrieth ſich der geniale Experi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/528>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.