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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Erste inductive Versuche und Eröffnung neuer Gesichtspuncte etc.
Untersuchungen von Stephan Hales 1), in denen noch einmal
der originelle Erfindungsgeist und die gesunde, urwüchsige Logik
der großen Naturforscher aus Newton's Zeitalter hervortrat.
Seine Statical essays, welche 1727 zuerst erschienen, kamen
noch zweimal englisch, später in französischer, italienischer und
deutscher Uebersetzung (diese mit einem Vorwort von Ch. Wolff)
heraus. Es war das erste umfangreichere, ganz der Ernährung
und Saftbewegung der Pflanzen gewidmete Werk, welches, die
bisherige Literatur zwar beachtete, doch wesentlich nur neue
Untersuchungen des Verfassers mittheilte. Eine Fülle neuer Ex-
perimente und Beobachtungen, Messungen und Berechnungen ver-
einigte sich hier zu einem lebensvollen Bild. Hatte Malpighi
vorwiegend durch Analogien und gestützt auf die Struktur der
Organe die physiologische Bedeutung derselben zu entziffern ge-
sucht, Mariotte durch seine Combination physikalischer und
chemischer Thatsachen die Abhängigkeit der Pflanze von ihrer
Umgebung in ihren Grundzügen erkannt; so wußte Hales
dagegen die Pflanzen gewissermaßen selbst reden zu lassen; durch
klug ausgedachte, geschickt angestellte Experimente zwang er sie,
die in ihnen thätigen Kräfte durch augenfällige Wirkungen zu
verrathen, und so zu zeigen, daß in den ruhigen, anscheinend
ganz passiven und unthätigen Vegetationsorganen bewegende

1) Stephan Hales wurde 1677 in der Grafschaft Kent geboren,
wo er den ersten Unterricht im Vaterhaus erhielt ohne dabei besondere Be-
gabung zu zeigen; mit 19 Jahren trat er in Cambridge als Pensionär des
Christcollege ein, wo sich seine Vorliebe für Physik, Mathematik, Chemie
und Naturgeschichte entwickelte; trotzdem blieb er bei der Theologie, in der
er sich sogar auszeichnete und schon als junger Mann erhielt er eine kirch-
liche Anstellung; nach und nach war er Pfarrer in verschiedenen Grafschaften.
Die Royal society nahm ihn 1718 auf, dort las er zuerst die statical
essays.
1733 kam auch seine Hämostatik heraus. Nachdem er noch Unter-
suchungen und Erfindungen der verschiedensten Art gemacht und publicirt
hatte, starb er 1761; er wurde in der Kirche zu Riddington, die er auf
eigene Kosten neu hatte erbauen lassen, beigesetzt; die Prinzessin von Wales
ließ ihm in der Westminsterabtei ein Epitaph setzen. (Eloge in hist. de
l' Acad. roy. des sc.
1762).
33*

Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte etc.
Unterſuchungen von Stephan Hales 1), in denen noch einmal
der originelle Erfindungsgeiſt und die geſunde, urwüchſige Logik
der großen Naturforſcher aus Newton's Zeitalter hervortrat.
Seine Statical essays, welche 1727 zuerſt erſchienen, kamen
noch zweimal engliſch, ſpäter in franzöſiſcher, italieniſcher und
deutſcher Ueberſetzung (dieſe mit einem Vorwort von Ch. Wolff)
heraus. Es war das erſte umfangreichere, ganz der Ernährung
und Saftbewegung der Pflanzen gewidmete Werk, welches, die
bisherige Literatur zwar beachtete, doch weſentlich nur neue
Unterſuchungen des Verfaſſers mittheilte. Eine Fülle neuer Ex-
perimente und Beobachtungen, Meſſungen und Berechnungen ver-
einigte ſich hier zu einem lebensvollen Bild. Hatte Malpighi
vorwiegend durch Analogien und geſtützt auf die Struktur der
Organe die phyſiologiſche Bedeutung derſelben zu entziffern ge-
ſucht, Mariotte durch ſeine Combination phyſikaliſcher und
chemiſcher Thatſachen die Abhängigkeit der Pflanze von ihrer
Umgebung in ihren Grundzügen erkannt; ſo wußte Hales
dagegen die Pflanzen gewiſſermaßen ſelbſt reden zu laſſen; durch
klug ausgedachte, geſchickt angeſtellte Experimente zwang er ſie,
die in ihnen thätigen Kräfte durch augenfällige Wirkungen zu
verrathen, und ſo zu zeigen, daß in den ruhigen, anſcheinend
ganz paſſiven und unthätigen Vegetationsorganen bewegende

1) Stephan Hales wurde 1677 in der Grafſchaft Kent geboren,
wo er den erſten Unterricht im Vaterhaus erhielt ohne dabei beſondere Be-
gabung zu zeigen; mit 19 Jahren trat er in Cambridge als Penſionär des
Chriſtcollege ein, wo ſich ſeine Vorliebe für Phyſik, Mathematik, Chemie
und Naturgeſchichte entwickelte; trotzdem blieb er bei der Theologie, in der
er ſich ſogar auszeichnete und ſchon als junger Mann erhielt er eine kirch-
liche Anſtellung; nach und nach war er Pfarrer in verſchiedenen Grafſchaften.
Die Royal society nahm ihn 1718 auf, dort las er zuerſt die statical
essays.
1733 kam auch ſeine Hämoſtatik heraus. Nachdem er noch Unter-
ſuchungen und Erfindungen der verſchiedenſten Art gemacht und publicirt
hatte, ſtarb er 1761; er wurde in der Kirche zu Riddington, die er auf
eigene Koſten neu hatte erbauen laſſen, beigeſetzt; die Prinzeſſin von Wales
ließ ihm in der Weſtminſterabtei ein Epitaph ſetzen. (Eloge in hist. de
l' Acad. roy. des sc.
1762).
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[515/0527] Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte etc. Unterſuchungen von Stephan Hales 1), in denen noch einmal der originelle Erfindungsgeiſt und die geſunde, urwüchſige Logik der großen Naturforſcher aus Newton's Zeitalter hervortrat. Seine Statical essays, welche 1727 zuerſt erſchienen, kamen noch zweimal engliſch, ſpäter in franzöſiſcher, italieniſcher und deutſcher Ueberſetzung (dieſe mit einem Vorwort von Ch. Wolff) heraus. Es war das erſte umfangreichere, ganz der Ernährung und Saftbewegung der Pflanzen gewidmete Werk, welches, die bisherige Literatur zwar beachtete, doch weſentlich nur neue Unterſuchungen des Verfaſſers mittheilte. Eine Fülle neuer Ex- perimente und Beobachtungen, Meſſungen und Berechnungen ver- einigte ſich hier zu einem lebensvollen Bild. Hatte Malpighi vorwiegend durch Analogien und geſtützt auf die Struktur der Organe die phyſiologiſche Bedeutung derſelben zu entziffern ge- ſucht, Mariotte durch ſeine Combination phyſikaliſcher und chemiſcher Thatſachen die Abhängigkeit der Pflanze von ihrer Umgebung in ihren Grundzügen erkannt; ſo wußte Hales dagegen die Pflanzen gewiſſermaßen ſelbſt reden zu laſſen; durch klug ausgedachte, geſchickt angeſtellte Experimente zwang er ſie, die in ihnen thätigen Kräfte durch augenfällige Wirkungen zu verrathen, und ſo zu zeigen, daß in den ruhigen, anſcheinend ganz paſſiven und unthätigen Vegetationsorganen bewegende 1) Stephan Hales wurde 1677 in der Grafſchaft Kent geboren, wo er den erſten Unterricht im Vaterhaus erhielt ohne dabei beſondere Be- gabung zu zeigen; mit 19 Jahren trat er in Cambridge als Penſionär des Chriſtcollege ein, wo ſich ſeine Vorliebe für Phyſik, Mathematik, Chemie und Naturgeſchichte entwickelte; trotzdem blieb er bei der Theologie, in der er ſich ſogar auszeichnete und ſchon als junger Mann erhielt er eine kirch- liche Anſtellung; nach und nach war er Pfarrer in verſchiedenen Grafſchaften. Die Royal society nahm ihn 1718 auf, dort las er zuerſt die statical essays. 1733 kam auch ſeine Hämoſtatik heraus. Nachdem er noch Unter- ſuchungen und Erfindungen der verſchiedenſten Art gemacht und publicirt hatte, ſtarb er 1761; er wurde in der Kirche zu Riddington, die er auf eigene Koſten neu hatte erbauen laſſen, beigeſetzt; die Prinzeſſin von Wales ließ ihm in der Weſtminſterabtei ein Epitaph ſetzen. (Eloge in hist. de l' Acad. roy. des sc. 1762). 33*

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/527>, abgerufen am 27.09.2024.