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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
ungen Anderer von dem Nebensächlichen und Unbedeutenden
abzusondern und so die naturwissenschaftlichen Kenntnisse seiner
Zeit von höheren Gesichtspuncten aus darzustellen. In dieser
Beziehung ist besonders sein 1723 erschienenes Werk: "Ver-
nünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur" anerkennend
hervorzuheben. Es ist, was man jetzt eine Art "Kosmos"
nennen könnte: Es handelt von den Körpern und ihren physi-
schen Eigenschaften überhaupt, von den Weltkörpern im Allge-
meinen, von unserem Planeten im Besonderen, von Meteorologie,
physischer Geographie, und endlich von Mineralien, Pflanzen
Thieren und Menschen. Seinem Hauptzweck, der allgemeinen
Belehrung, entsprechend ist es deutsch und in gut populärem
Stil geschrieben unter Benutzung des Besten, was damals von
naturwissenschaftlichen Dingen bekannt war, so namentlich auch
seine Darstellung der Ernährungsverhältnisse der Pflanzen, wo
er die ganze einschlägige Literatur sorgfältig und mit Verständ-
niß benutzte und alles Brauchbare aus Malpighi, Grew,
Leeuwenhoek, van Helmont, Mariotte u. s. w. zu einer
zusammenhängenden Lehre von der Ernährung der Pflanze ver-
schmolz, wobei auch gelegentliche, treffend kritische Bemerkungen
nicht fehlen. Bei dem Zustand der naturwissenschaftlichen Literatur
in Deutschland während der ersten Jahrzehnte des vorigen Jahr-
hunderts lag in einer solchen zusammenfassenden und orientiren-
den Behandlung ebensoviel Verdienstliches, wie in neuen Unter-
suchungen oder in einigen Entdeckungen von untergeordnetem
Werth. Für uns aber hat gerade hier Christian Wolff's Capitel
über die Ernährung namentlich auch insofern Interesse, als in
demselben noch manche, damals schon bekannte, bisher aber nicht
erwähnte Wahrnehmungen von Werth mitgetheilt sind. Die-
selben beziehen sich vorwiegend auf die chemische Seite der Er-
nährungsvorgänge und berühren manche Probleme, die ihre Er-
ledigung erst in unserer Zeit gefunden haben; so z. B. die An-
gabe, es sei eine bekannte Sache: "daß die Erde ihre Fruchtbar-
keit verliert, wenn Vieles daraus wächst; sonderlich was viel
Nahrung erfordert, und man daher nöthig hat, dieselbe entweder

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
ungen Anderer von dem Nebenſächlichen und Unbedeutenden
abzuſondern und ſo die naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſe ſeiner
Zeit von höheren Geſichtspuncten aus darzuſtellen. In dieſer
Beziehung iſt beſonders ſein 1723 erſchienenes Werk: „Ver-
nünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur“ anerkennend
hervorzuheben. Es iſt, was man jetzt eine Art „Kosmos“
nennen könnte: Es handelt von den Körpern und ihren phyſi-
ſchen Eigenſchaften überhaupt, von den Weltkörpern im Allge-
meinen, von unſerem Planeten im Beſonderen, von Meteorologie,
phyſiſcher Geographie, und endlich von Mineralien, Pflanzen
Thieren und Menſchen. Seinem Hauptzweck, der allgemeinen
Belehrung, entſprechend iſt es deutſch und in gut populärem
Stil geſchrieben unter Benutzung des Beſten, was damals von
naturwiſſenſchaftlichen Dingen bekannt war, ſo namentlich auch
ſeine Darſtellung der Ernährungsverhältniſſe der Pflanzen, wo
er die ganze einſchlägige Literatur ſorgfältig und mit Verſtänd-
niß benutzte und alles Brauchbare aus Malpighi, Grew,
Leeuwenhoek, van Helmont, Mariotte u. ſ. w. zu einer
zuſammenhängenden Lehre von der Ernährung der Pflanze ver-
ſchmolz, wobei auch gelegentliche, treffend kritiſche Bemerkungen
nicht fehlen. Bei dem Zuſtand der naturwiſſenſchaftlichen Literatur
in Deutſchland während der erſten Jahrzehnte des vorigen Jahr-
hunderts lag in einer ſolchen zuſammenfaſſenden und orientiren-
den Behandlung ebenſoviel Verdienſtliches, wie in neuen Unter-
ſuchungen oder in einigen Entdeckungen von untergeordnetem
Werth. Für uns aber hat gerade hier Chriſtian Wolff's Capitel
über die Ernährung namentlich auch inſofern Intereſſe, als in
demſelben noch manche, damals ſchon bekannte, bisher aber nicht
erwähnte Wahrnehmungen von Werth mitgetheilt ſind. Die-
ſelben beziehen ſich vorwiegend auf die chemiſche Seite der Er-
nährungsvorgänge und berühren manche Probleme, die ihre Er-
ledigung erſt in unſerer Zeit gefunden haben; ſo z. B. die An-
gabe, es ſei eine bekannte Sache: „daß die Erde ihre Fruchtbar-
keit verliert, wenn Vieles daraus wächſt; ſonderlich was viel
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[512/0524] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. ungen Anderer von dem Nebenſächlichen und Unbedeutenden abzuſondern und ſo die naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſe ſeiner Zeit von höheren Geſichtspuncten aus darzuſtellen. In dieſer Beziehung iſt beſonders ſein 1723 erſchienenes Werk: „Ver- nünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur“ anerkennend hervorzuheben. Es iſt, was man jetzt eine Art „Kosmos“ nennen könnte: Es handelt von den Körpern und ihren phyſi- ſchen Eigenſchaften überhaupt, von den Weltkörpern im Allge- meinen, von unſerem Planeten im Beſonderen, von Meteorologie, phyſiſcher Geographie, und endlich von Mineralien, Pflanzen Thieren und Menſchen. Seinem Hauptzweck, der allgemeinen Belehrung, entſprechend iſt es deutſch und in gut populärem Stil geſchrieben unter Benutzung des Beſten, was damals von naturwiſſenſchaftlichen Dingen bekannt war, ſo namentlich auch ſeine Darſtellung der Ernährungsverhältniſſe der Pflanzen, wo er die ganze einſchlägige Literatur ſorgfältig und mit Verſtänd- niß benutzte und alles Brauchbare aus Malpighi, Grew, Leeuwenhoek, van Helmont, Mariotte u. ſ. w. zu einer zuſammenhängenden Lehre von der Ernährung der Pflanze ver- ſchmolz, wobei auch gelegentliche, treffend kritiſche Bemerkungen nicht fehlen. Bei dem Zuſtand der naturwiſſenſchaftlichen Literatur in Deutſchland während der erſten Jahrzehnte des vorigen Jahr- hunderts lag in einer ſolchen zuſammenfaſſenden und orientiren- den Behandlung ebenſoviel Verdienſtliches, wie in neuen Unter- ſuchungen oder in einigen Entdeckungen von untergeordnetem Werth. Für uns aber hat gerade hier Chriſtian Wolff's Capitel über die Ernährung namentlich auch inſofern Intereſſe, als in demſelben noch manche, damals ſchon bekannte, bisher aber nicht erwähnte Wahrnehmungen von Werth mitgetheilt ſind. Die- ſelben beziehen ſich vorwiegend auf die chemiſche Seite der Er- nährungsvorgänge und berühren manche Probleme, die ihre Er- ledigung erſt in unſerer Zeit gefunden haben; ſo z. B. die An- gabe, es ſei eine bekannte Sache: „daß die Erde ihre Fruchtbar- keit verliert, wenn Vieles daraus wächſt; ſonderlich was viel Nahrung erfordert, und man daher nöthig hat, dieſelbe entweder

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/524>, abgerufen am 27.09.2024.