Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen. Pflanzen mit der der Phanerogamen nicht auf diese Art ver-glichen werden kann, und das Richtige sowohl, wie das Unrich- tige, was man bezüglich der Sexualorgane der Kryptogamen an- nahm, hatte keinen wissenschaftlichen Werth, da es eben nur auf unbestimmte Vermuthungen hin errathen wurde. Auch in den ersten Decennien unseres Jahrhunderts gestalteten sich die Verhältnisse nicht besser und wenn auch nach und nach eine Reihe von gelegent- lichen Wahrnehmungen, welche sich später methodisch verwerthen ließen, gemacht wurde, so blieben es doch zunächst vereinzelte That- sachen, denen jeder wissenschaftliche Zusammenhang fehlte und Jedem mußte überlassen bleiben, ob er den Kryptogamen überhaupt Sexual- organe zuschreiben oder absprechen wollte. Indessen häuften sich nach und nach derartige Wahrnehmungen, so daß um die Mitte der vier- ziger Jahre schon eine gewisse Sichtung derselben und eine Art Orien- tirung auf diesem Gebiet eintreten konnte. Abgesehen von den Moosen, wo die Mehrzahl der Botaniker doch gern an Schmidel's und Hedwig's Meinung festhielt, hatte schon 1803 Vaucher die längst bekannte Copulation der Spirogyren als einen Sexualact in Anspruch genommen, 1820 Ehrenberg die Copulation eines Schimmelpilzes, Syzygites, beobachtet; durch Bischoff und Mirbel war die Organisation der Lebermoosantheridien genauer bekannt geworden (1845) und schon 1822 sah Nees von Esen- beck die Spermatozoiden von Sphagnum, 1828 Bischoff die von Chara, die man freilich zunächst für Infusorien hielt, eine An- sicht, der sich Unger 1834 noch anschloß; Unger1) war es jedoch, der schon 1837 die Spermatozoiden der Laubmoose näher studirte und sie als männliche Befruchtungsorgane in Anspruch nahm; 1844 entdeckte Nägeli die entsprechenden Gebilde an dem bis dahin als Cotyledon gedeuteten Vorkeim der Farn- kräuter und 1846 fand er die Spermatozoiden als Producte der kleinen Sporen der Pilularia, welche Schleiden als Pollenkörner dieser Pflanzen gedeutet hatte. 1) Die Literaturnachweise für das hier Folgende sind in Flora 1857
p. 120 ff. von Hofmeister vollständig zusammengestellt. Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen. Pflanzen mit der der Phanerogamen nicht auf dieſe Art ver-glichen werden kann, und das Richtige ſowohl, wie das Unrich- tige, was man bezüglich der Sexualorgane der Kryptogamen an- nahm, hatte keinen wiſſenſchaftlichen Werth, da es eben nur auf unbeſtimmte Vermuthungen hin errathen wurde. Auch in den erſten Decennien unſeres Jahrhunderts geſtalteten ſich die Verhältniſſe nicht beſſer und wenn auch nach und nach eine Reihe von gelegent- lichen Wahrnehmungen, welche ſich ſpäter methodiſch verwerthen ließen, gemacht wurde, ſo blieben es doch zunächſt vereinzelte That- ſachen, denen jeder wiſſenſchaftliche Zuſammenhang fehlte und Jedem mußte überlaſſen bleiben, ob er den Kryptogamen überhaupt Sexual- organe zuſchreiben oder abſprechen wollte. Indeſſen häuften ſich nach und nach derartige Wahrnehmungen, ſo daß um die Mitte der vier- ziger Jahre ſchon eine gewiſſe Sichtung derſelben und eine Art Orien- tirung auf dieſem Gebiet eintreten konnte. Abgeſehen von den Mooſen, wo die Mehrzahl der Botaniker doch gern an Schmidel's und Hedwig's Meinung feſthielt, hatte ſchon 1803 Vaucher die längſt bekannte Copulation der Spirogyren als einen Sexualact in Anſpruch genommen, 1820 Ehrenberg die Copulation eines Schimmelpilzes, Syzygites, beobachtet; durch Biſchoff und Mirbel war die Organiſation der Lebermoosantheridien genauer bekannt geworden (1845) und ſchon 1822 ſah Nees von Eſen- beck die Spermatozoiden von Sphagnum, 1828 Biſchoff die von Chara, die man freilich zunächſt für Infuſorien hielt, eine An- ſicht, der ſich Unger 1834 noch anſchloß; Unger1) war es jedoch, der ſchon 1837 die Spermatozoiden der Laubmooſe näher ſtudirte und ſie als männliche Befruchtungsorgane in Anſpruch nahm; 1844 entdeckte Nägeli die entſprechenden Gebilde an dem bis dahin als Cotyledon gedeuteten Vorkeim der Farn- kräuter und 1846 fand er die Spermatozoiden als Producte der kleinen Sporen der Pilularia, welche Schleiden als Pollenkörner dieſer Pflanzen gedeutet hatte. 1) Die Literaturnachweiſe für das hier Folgende ſind in Flora 1857
p. 120 ff. von Hofmeiſter vollſtändig zuſammengeſtellt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0485" n="473"/><fw place="top" type="header">Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen.</fw><lb/> Pflanzen mit der der Phanerogamen nicht auf dieſe Art ver-<lb/> glichen werden kann, und das Richtige ſowohl, wie das Unrich-<lb/> tige, was man bezüglich der Sexualorgane der Kryptogamen an-<lb/> nahm, hatte keinen wiſſenſchaftlichen Werth, da es eben nur auf<lb/> unbeſtimmte Vermuthungen hin errathen wurde. Auch in den erſten<lb/> Decennien unſeres Jahrhunderts geſtalteten ſich die Verhältniſſe<lb/> nicht beſſer und wenn auch nach und nach eine Reihe von gelegent-<lb/> lichen Wahrnehmungen, welche ſich ſpäter methodiſch verwerthen<lb/> ließen, gemacht wurde, ſo blieben es doch zunächſt vereinzelte That-<lb/> ſachen, denen jeder wiſſenſchaftliche Zuſammenhang fehlte und Jedem<lb/> mußte überlaſſen bleiben, ob er den Kryptogamen überhaupt Sexual-<lb/> organe zuſchreiben oder abſprechen wollte. Indeſſen häuften ſich nach<lb/> und nach derartige Wahrnehmungen, ſo daß um die Mitte der vier-<lb/> ziger Jahre ſchon eine gewiſſe Sichtung derſelben und eine Art Orien-<lb/> tirung auf dieſem Gebiet eintreten konnte. Abgeſehen von den<lb/> Mooſen, wo die Mehrzahl der Botaniker doch gern an Schmidel's<lb/> und Hedwig's Meinung feſthielt, hatte ſchon 1803 <hi rendition="#g">Vaucher</hi> die<lb/> längſt bekannte Copulation der Spirogyren als einen Sexualact<lb/> in Anſpruch genommen, 1820 Ehrenberg die Copulation eines<lb/> Schimmelpilzes, <hi rendition="#aq">Syzygites</hi>, beobachtet; durch Biſchoff und<lb/> Mirbel war die Organiſation der Lebermoosantheridien genauer<lb/> bekannt geworden (1845) und ſchon 1822 ſah Nees von Eſen-<lb/> beck die Spermatozoiden von <hi rendition="#aq">Sphagnum</hi>, 1828 Biſchoff die von<lb/><hi rendition="#aq">Chara</hi>, die man freilich zunächſt für Infuſorien hielt, eine An-<lb/> ſicht, der ſich <hi rendition="#g">Unger</hi> 1834 noch anſchloß; <hi rendition="#g">Unger</hi><note place="foot" n="1)">Die Literaturnachweiſe für das hier Folgende ſind in Flora 1857<lb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 120 ff. von <hi rendition="#g">Hofmeiſter</hi> vollſtändig zuſammengeſtellt.</note> war es<lb/> jedoch, der ſchon 1837 die Spermatozoiden der Laubmooſe näher<lb/> ſtudirte und ſie als männliche Befruchtungsorgane in Anſpruch<lb/> nahm; 1844 entdeckte <hi rendition="#g">Nägeli</hi> die entſprechenden Gebilde an<lb/> dem bis dahin als Cotyledon gedeuteten Vorkeim der Farn-<lb/> kräuter und 1846 fand er die Spermatozoiden als Producte der<lb/> kleinen Sporen der <hi rendition="#aq">Pilularia</hi>, welche Schleiden als Pollenkörner<lb/> dieſer Pflanzen gedeutet hatte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [473/0485]
Entdeckung der Sexualität der Kryptogamen.
Pflanzen mit der der Phanerogamen nicht auf dieſe Art ver-
glichen werden kann, und das Richtige ſowohl, wie das Unrich-
tige, was man bezüglich der Sexualorgane der Kryptogamen an-
nahm, hatte keinen wiſſenſchaftlichen Werth, da es eben nur auf
unbeſtimmte Vermuthungen hin errathen wurde. Auch in den erſten
Decennien unſeres Jahrhunderts geſtalteten ſich die Verhältniſſe
nicht beſſer und wenn auch nach und nach eine Reihe von gelegent-
lichen Wahrnehmungen, welche ſich ſpäter methodiſch verwerthen
ließen, gemacht wurde, ſo blieben es doch zunächſt vereinzelte That-
ſachen, denen jeder wiſſenſchaftliche Zuſammenhang fehlte und Jedem
mußte überlaſſen bleiben, ob er den Kryptogamen überhaupt Sexual-
organe zuſchreiben oder abſprechen wollte. Indeſſen häuften ſich nach
und nach derartige Wahrnehmungen, ſo daß um die Mitte der vier-
ziger Jahre ſchon eine gewiſſe Sichtung derſelben und eine Art Orien-
tirung auf dieſem Gebiet eintreten konnte. Abgeſehen von den
Mooſen, wo die Mehrzahl der Botaniker doch gern an Schmidel's
und Hedwig's Meinung feſthielt, hatte ſchon 1803 Vaucher die
längſt bekannte Copulation der Spirogyren als einen Sexualact
in Anſpruch genommen, 1820 Ehrenberg die Copulation eines
Schimmelpilzes, Syzygites, beobachtet; durch Biſchoff und
Mirbel war die Organiſation der Lebermoosantheridien genauer
bekannt geworden (1845) und ſchon 1822 ſah Nees von Eſen-
beck die Spermatozoiden von Sphagnum, 1828 Biſchoff die von
Chara, die man freilich zunächſt für Infuſorien hielt, eine An-
ſicht, der ſich Unger 1834 noch anſchloß; Unger 1) war es
jedoch, der ſchon 1837 die Spermatozoiden der Laubmooſe näher
ſtudirte und ſie als männliche Befruchtungsorgane in Anſpruch
nahm; 1844 entdeckte Nägeli die entſprechenden Gebilde an
dem bis dahin als Cotyledon gedeuteten Vorkeim der Farn-
kräuter und 1846 fand er die Spermatozoiden als Producte der
kleinen Sporen der Pilularia, welche Schleiden als Pollenkörner
dieſer Pflanzen gedeutet hatte.
1) Die Literaturnachweiſe für das hier Folgende ſind in Flora 1857
p. 120 ff. von Hofmeiſter vollſtändig zuſammengeſtellt.
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