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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Einleitung.
ausgesetzten Analogieen zwischen Thieren und Pflanzen später oft
als trügerisch erwiesen und vielfach Unfug mit ihnen getrieben
wurde, so hat die fortgesetzte Untersuchung nach und nach andere
viel wichtigere und wesentlichere Uebereinstimmungen beider Reiche
zu Tage gefördert; immer deutlicher tritt namentlich in unserer
Zeit hervor, daß die materiellen Grundlagen des vegetabilischen
und animalischen Lebens in der Hauptsache identisch sind, daß
die Vorgänge der Ernährung, Saftbewegung, geschlechtlichen und
ungeschlechtlichen Zeugung die überraschendsten Aehnlichkeiten in
beiden Reichen darbieten.

Wenn die ersten Begründer der wissenschaftlichen Pflanzen-
physiologie sich ganz und gar teleologischen Anschauungen hin-
gaben, so war dieß nicht nur in den Zeitverhältnissen begründet,
sondern auch für die ersten Fortschritte unserer Wissenschaft von
großem Nutzen. Man brauchte im 17. und 18. Jahrhundert
nicht Aristoteliker zu sein, um bei physiologischen Untersuchungen
überall Zwecke und zweckmäßige Einrichtungen vorauszusetzen.
Dieser Standpunct ist ohnehin überall und zu jeder Zeit der
ursprüngliche und jeder Philosophie vorausgehende; vielmehr ist
es Aufgabe der fortgeschrittenen Wissenschaft, diesen Standpunct
zu verlassen, und schon im 17. Jahrhundert wurde von Seiten
der Philosophen die Teleologie als ein unwissenschaftliches Ver-
fahren erkannt. Allein die ersten Pflanzenphysiologen waren
eben nicht Philosophen im engeren Sinne des Worts und wenn
sie an ihre Untersuchung gingen, war die teleologische Auffassung
der organischen Natur schon deßhalb außer Frage, weil es sich
gewissermassen von selbst verstand, daß jedes Organ, absichtlich
und genau so geschaffen worden sein müsse, daß es die zum Be-
stand des Ganzen nöthigen Functionen auszuführen im Stande
ist. Diese Auffassung entsprach nicht nur den herrschenden An-
schauungen, sondern sie hatte noch den Vorzug großer Bequem-
lichkeit, und bei den ersten Anfängen unserer Wissenschaft war
es sogar ganz gut, wenn man voraussetzte, daß jeder Theil der
Pflanze, auch der unscheinbarste, für die Erhaltung ihres Lebens
ausdrücklich erdacht und geschaffen worden sei, denn darin lag

Einleitung.
ausgeſetzten Analogieen zwiſchen Thieren und Pflanzen ſpäter oft
als trügeriſch erwieſen und vielfach Unfug mit ihnen getrieben
wurde, ſo hat die fortgeſetzte Unterſuchung nach und nach andere
viel wichtigere und weſentlichere Uebereinſtimmungen beider Reiche
zu Tage gefördert; immer deutlicher tritt namentlich in unſerer
Zeit hervor, daß die materiellen Grundlagen des vegetabiliſchen
und animaliſchen Lebens in der Hauptſache identiſch ſind, daß
die Vorgänge der Ernährung, Saftbewegung, geſchlechtlichen und
ungeſchlechtlichen Zeugung die überraſchendſten Aehnlichkeiten in
beiden Reichen darbieten.

Wenn die erſten Begründer der wiſſenſchaftlichen Pflanzen-
phyſiologie ſich ganz und gar teleologiſchen Anſchauungen hin-
gaben, ſo war dieß nicht nur in den Zeitverhältniſſen begründet,
ſondern auch für die erſten Fortſchritte unſerer Wiſſenſchaft von
großem Nutzen. Man brauchte im 17. und 18. Jahrhundert
nicht Ariſtoteliker zu ſein, um bei phyſiologiſchen Unterſuchungen
überall Zwecke und zweckmäßige Einrichtungen vorauszuſetzen.
Dieſer Standpunct iſt ohnehin überall und zu jeder Zeit der
urſprüngliche und jeder Philoſophie vorausgehende; vielmehr iſt
es Aufgabe der fortgeſchrittenen Wiſſenſchaft, dieſen Standpunct
zu verlaſſen, und ſchon im 17. Jahrhundert wurde von Seiten
der Philoſophen die Teleologie als ein unwiſſenſchaftliches Ver-
fahren erkannt. Allein die erſten Pflanzenphyſiologen waren
eben nicht Philoſophen im engeren Sinne des Worts und wenn
ſie an ihre Unterſuchung gingen, war die teleologiſche Auffaſſung
der organiſchen Natur ſchon deßhalb außer Frage, weil es ſich
gewiſſermaſſen von ſelbſt verſtand, daß jedes Organ, abſichtlich
und genau ſo geſchaffen worden ſein müſſe, daß es die zum Be-
ſtand des Ganzen nöthigen Functionen auszuführen im Stande
iſt. Dieſe Auffaſſung entſprach nicht nur den herrſchenden An-
ſchauungen, ſondern ſie hatte noch den Vorzug großer Bequem-
lichkeit, und bei den erſten Anfängen unſerer Wiſſenſchaft war
es ſogar ganz gut, wenn man vorausſetzte, daß jeder Theil der
Pflanze, auch der unſcheinbarſte, für die Erhaltung ihres Lebens
ausdrücklich erdacht und geſchaffen worden ſei, denn darin lag

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[391/0403] Einleitung. ausgeſetzten Analogieen zwiſchen Thieren und Pflanzen ſpäter oft als trügeriſch erwieſen und vielfach Unfug mit ihnen getrieben wurde, ſo hat die fortgeſetzte Unterſuchung nach und nach andere viel wichtigere und weſentlichere Uebereinſtimmungen beider Reiche zu Tage gefördert; immer deutlicher tritt namentlich in unſerer Zeit hervor, daß die materiellen Grundlagen des vegetabiliſchen und animaliſchen Lebens in der Hauptſache identiſch ſind, daß die Vorgänge der Ernährung, Saftbewegung, geſchlechtlichen und ungeſchlechtlichen Zeugung die überraſchendſten Aehnlichkeiten in beiden Reichen darbieten. Wenn die erſten Begründer der wiſſenſchaftlichen Pflanzen- phyſiologie ſich ganz und gar teleologiſchen Anſchauungen hin- gaben, ſo war dieß nicht nur in den Zeitverhältniſſen begründet, ſondern auch für die erſten Fortſchritte unſerer Wiſſenſchaft von großem Nutzen. Man brauchte im 17. und 18. Jahrhundert nicht Ariſtoteliker zu ſein, um bei phyſiologiſchen Unterſuchungen überall Zwecke und zweckmäßige Einrichtungen vorauszuſetzen. Dieſer Standpunct iſt ohnehin überall und zu jeder Zeit der urſprüngliche und jeder Philoſophie vorausgehende; vielmehr iſt es Aufgabe der fortgeſchrittenen Wiſſenſchaft, dieſen Standpunct zu verlaſſen, und ſchon im 17. Jahrhundert wurde von Seiten der Philoſophen die Teleologie als ein unwiſſenſchaftliches Ver- fahren erkannt. Allein die erſten Pflanzenphyſiologen waren eben nicht Philoſophen im engeren Sinne des Worts und wenn ſie an ihre Unterſuchung gingen, war die teleologiſche Auffaſſung der organiſchen Natur ſchon deßhalb außer Frage, weil es ſich gewiſſermaſſen von ſelbſt verſtand, daß jedes Organ, abſichtlich und genau ſo geſchaffen worden ſein müſſe, daß es die zum Be- ſtand des Ganzen nöthigen Functionen auszuführen im Stande iſt. Dieſe Auffaſſung entſprach nicht nur den herrſchenden An- ſchauungen, ſondern ſie hatte noch den Vorzug großer Bequem- lichkeit, und bei den erſten Anfängen unſerer Wiſſenſchaft war es ſogar ganz gut, wenn man vorausſetzte, daß jeder Theil der Pflanze, auch der unſcheinbarſte, für die Erhaltung ihres Lebens ausdrücklich erdacht und geſchaffen worden ſei, denn darin lag

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/403>, abgerufen am 24.11.2024.