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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Entwicklungsgeschichte der Zelle, Entstehung der
Entwicklungsgeschichte gefunden werden konnte; denn ebenso wie
für den Begriff der Zelle und seinen Unterarten, wie für die
Beurtheilung der wahren Natur des festen Gerüstes der Pflanzen-
struktur, so ist auch für die richtige Unterscheidung und Classifi-
cation der Gewebeformen die Entwicklungsgeschichte vor Allem
maßgebend; sie liefert die morphologischen Gesichtspuncte für das
Verständniß des inneren Gesammtbaues der Pflanzen, weil sie
die Gewebeformen in solchen Entwicklungszuständen aufsucht, wo
sie ihren späteren physiologischen Funktionen noch nicht angepaßt
sind. Länger als in anderen Disciplinen der Botanik hat sich
auf diesem Gebiet die Vermengung morphologischer und physio-
logischer Gesichtspuncte bei der Beurtheilung des Thatbestandes
erhalten, aber auch hier traten die neueren entwicklungsgeschicht-
lichen Beobachtungen sichtend und klärend in die Entwicklung der
Begriffe und Ansichten ein; jedoch erst in den fünfziger Jahren
und später, als die Zellbildungstheorie der Hauptsache nach ent-
schieden war und die Führer auf dem Gebiet der Phytotomie
wieder Zeit fanden, sich derartigen histologischen Fragen zu widmen.

Wie wenig man sich noch in den vierziger Jahren in den
Verschiedenheiten der Gewebeformen höherer Pflanzen zurecht zu
finden wußte, zeigt z. B. die Uebersicht der Gewebeformen in
Schleiden's Grundzügen 1845 (p. 232), wo die Begriffe
Parenchym, Interzellularsubstanz, Gefäße, Gefäßbündel, Bastge-
webe, Bastzellen der Apocyneen und Asclepiadeen, Milchsaft-
gefäße, Filzgewebe, Epidermoidalgewebe in coordinirten Abschnitten
des Textes der Reihenfolge nach abgehandelt werden. Daß auf
diese Weise eine geordnete Einsicht in den gesammten Zellenbau
einer höheren Pflanze nicht zu erzielen war, bedarf keiner weiteren
Begründung. In demselben Werk, wo Schleiden weiterhin
eine Classification der Gefäßbündel versuchte, indem er dieselben
als geschlossene und ungeschlossene unterschied, von denen die letz-
teren den Dikotolen zukommen, finden wir als äußere Grenze
dieser ungeschlossenen Gefäßbündel die Cambiumschicht selbst ge-
nannt; der außerhalb dieser letzteren liegende Bast wurde also
nicht als Theil der ungeschlossenen Gefäßbündel betrachtet, womit

Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
Entwicklungsgeſchichte gefunden werden konnte; denn ebenſo wie
für den Begriff der Zelle und ſeinen Unterarten, wie für die
Beurtheilung der wahren Natur des feſten Gerüſtes der Pflanzen-
ſtruktur, ſo iſt auch für die richtige Unterſcheidung und Claſſifi-
cation der Gewebeformen die Entwicklungsgeſchichte vor Allem
maßgebend; ſie liefert die morphologiſchen Geſichtspuncte für das
Verſtändniß des inneren Geſammtbaues der Pflanzen, weil ſie
die Gewebeformen in ſolchen Entwicklungszuſtänden aufſucht, wo
ſie ihren ſpäteren phyſiologiſchen Funktionen noch nicht angepaßt
ſind. Länger als in anderen Disciplinen der Botanik hat ſich
auf dieſem Gebiet die Vermengung morphologiſcher und phyſio-
logiſcher Geſichtspuncte bei der Beurtheilung des Thatbeſtandes
erhalten, aber auch hier traten die neueren entwicklungsgeſchicht-
lichen Beobachtungen ſichtend und klärend in die Entwicklung der
Begriffe und Anſichten ein; jedoch erſt in den fünfziger Jahren
und ſpäter, als die Zellbildungstheorie der Hauptſache nach ent-
ſchieden war und die Führer auf dem Gebiet der Phytotomie
wieder Zeit fanden, ſich derartigen hiſtologiſchen Fragen zu widmen.

Wie wenig man ſich noch in den vierziger Jahren in den
Verſchiedenheiten der Gewebeformen höherer Pflanzen zurecht zu
finden wußte, zeigt z. B. die Ueberſicht der Gewebeformen in
Schleiden's Grundzügen 1845 (p. 232), wo die Begriffe
Parenchym, Interzellularſubſtanz, Gefäße, Gefäßbündel, Baſtge-
webe, Baſtzellen der Apocyneen und Asclepiadeen, Milchſaft-
gefäße, Filzgewebe, Epidermoidalgewebe in coordinirten Abſchnitten
des Textes der Reihenfolge nach abgehandelt werden. Daß auf
dieſe Weiſe eine geordnete Einſicht in den geſammten Zellenbau
einer höheren Pflanze nicht zu erzielen war, bedarf keiner weiteren
Begründung. In demſelben Werk, wo Schleiden weiterhin
eine Claſſification der Gefäßbündel verſuchte, indem er dieſelben
als geſchloſſene und ungeſchloſſene unterſchied, von denen die letz-
teren den Dikotolen zukommen, finden wir als äußere Grenze
dieſer ungeſchloſſenen Gefäßbündel die Cambiumſchicht ſelbſt ge-
nannt; der außerhalb dieſer letzteren liegende Baſt wurde alſo
nicht als Theil der ungeſchloſſenen Gefäßbündel betrachtet, womit

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[372/0384] Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der Entwicklungsgeſchichte gefunden werden konnte; denn ebenſo wie für den Begriff der Zelle und ſeinen Unterarten, wie für die Beurtheilung der wahren Natur des feſten Gerüſtes der Pflanzen- ſtruktur, ſo iſt auch für die richtige Unterſcheidung und Claſſifi- cation der Gewebeformen die Entwicklungsgeſchichte vor Allem maßgebend; ſie liefert die morphologiſchen Geſichtspuncte für das Verſtändniß des inneren Geſammtbaues der Pflanzen, weil ſie die Gewebeformen in ſolchen Entwicklungszuſtänden aufſucht, wo ſie ihren ſpäteren phyſiologiſchen Funktionen noch nicht angepaßt ſind. Länger als in anderen Disciplinen der Botanik hat ſich auf dieſem Gebiet die Vermengung morphologiſcher und phyſio- logiſcher Geſichtspuncte bei der Beurtheilung des Thatbeſtandes erhalten, aber auch hier traten die neueren entwicklungsgeſchicht- lichen Beobachtungen ſichtend und klärend in die Entwicklung der Begriffe und Anſichten ein; jedoch erſt in den fünfziger Jahren und ſpäter, als die Zellbildungstheorie der Hauptſache nach ent- ſchieden war und die Führer auf dem Gebiet der Phytotomie wieder Zeit fanden, ſich derartigen hiſtologiſchen Fragen zu widmen. Wie wenig man ſich noch in den vierziger Jahren in den Verſchiedenheiten der Gewebeformen höherer Pflanzen zurecht zu finden wußte, zeigt z. B. die Ueberſicht der Gewebeformen in Schleiden's Grundzügen 1845 (p. 232), wo die Begriffe Parenchym, Interzellularſubſtanz, Gefäße, Gefäßbündel, Baſtge- webe, Baſtzellen der Apocyneen und Asclepiadeen, Milchſaft- gefäße, Filzgewebe, Epidermoidalgewebe in coordinirten Abſchnitten des Textes der Reihenfolge nach abgehandelt werden. Daß auf dieſe Weiſe eine geordnete Einſicht in den geſammten Zellenbau einer höheren Pflanze nicht zu erzielen war, bedarf keiner weiteren Begründung. In demſelben Werk, wo Schleiden weiterhin eine Claſſification der Gefäßbündel verſuchte, indem er dieſelben als geſchloſſene und ungeſchloſſene unterſchied, von denen die letz- teren den Dikotolen zukommen, finden wir als äußere Grenze dieſer ungeſchloſſenen Gefäßbündel die Cambiumſchicht ſelbſt ge- nannt; der außerhalb dieſer letzteren liegende Baſt wurde alſo nicht als Theil der ungeſchloſſenen Gefäßbündel betrachtet, womit

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/384>, abgerufen am 24.11.2024.