Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gebilde. und gar auf eigene Beobachtungen gestützt mit nur nebensäch-licher Berücksichtigung der Literatur darstellen zu wollen, was jedoch insoferne ganz unmöglich war, als der Verfasser die wesentlichen Puncte schon völlig bereinigt in der Literatur vor- fand; das Werk hatte jedoch den Vorzug, durch zahlreiche gute Originalabbildungen den Leser zu fesseln; auch die Darstellung wurde durch die fortwährende Berufung auf eigene Beobachtung belebt; doch ließ sich nicht verkennen, daß die Literatur nicht gehörig benutzt war, der Verfasser daher vielfach hinter dem wahren Stand derselben zurückblieb. Schlimmer, als dieß, war jedoch ein gewisser Mangel an formaler Bildung, der den Ver- fasser häufig zu Widersprüchen mit sich selbst, zu unrichtiger Klassifikation der Thatsachen führte; prinzipiell Wichtiges wurde über unbedeutenden Einzelheiten vielfach übersehen und im Ganzen machte sich in demselben eine ziemlich gedankenlose En- pirie geltend, welche von der logischen Schärfe in Mohl's, Nägeli's, Hofmeister's Arbeiten allzusehr abstach. In der 1856 erschienenen zweiten Auflage, welche als "Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse" betitelt ist, war zwar Vieles im Einzelnen gebessert, im Ganzen aber zeigte das Buch noch dieselben formalen Uebelstände wie früher. Es ist historisch nicht unwichtig, dieß hervorzuheben, weil in den fünfziger und sechziger Jahren die Mehrzahl der jüngeren Botaniker und viele Andere ihre Kenntniß der Phytotomie, zumal der Zellenlehre, hauptsächlich aus Schacht's Büchern schöpften, in denen aber der wahre Stand der Wissenschaft nicht repräsentirt war und deren mangelhafte Logik jüngeren Lesern gewiß nicht zu Gute gekommen ist, besonders dazu beitragen mußte, auch auf dem Gebiet der Phytotomie und Physiologie der Pflanzen eine ge- dankenlose Anhäufung von Thatsachen einzubürgern, wie es lange Zeit auch in der Morphologie und Systematik geschehen ist. Viel gelungener in der Form und Strenge der Darstellung Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde. und gar auf eigene Beobachtungen geſtützt mit nur nebenſäch-licher Berückſichtigung der Literatur darſtellen zu wollen, was jedoch inſoferne ganz unmöglich war, als der Verfaſſer die weſentlichen Puncte ſchon völlig bereinigt in der Literatur vor- fand; das Werk hatte jedoch den Vorzug, durch zahlreiche gute Originalabbildungen den Leſer zu feſſeln; auch die Darſtellung wurde durch die fortwährende Berufung auf eigene Beobachtung belebt; doch ließ ſich nicht verkennen, daß die Literatur nicht gehörig benutzt war, der Verfaſſer daher vielfach hinter dem wahren Stand derſelben zurückblieb. Schlimmer, als dieß, war jedoch ein gewiſſer Mangel an formaler Bildung, der den Ver- faſſer häufig zu Widerſprüchen mit ſich ſelbſt, zu unrichtiger Klaſſifikation der Thatſachen führte; prinzipiell Wichtiges wurde über unbedeutenden Einzelheiten vielfach überſehen und im Ganzen machte ſich in demſelben eine ziemlich gedankenloſe En- pirie geltend, welche von der logiſchen Schärfe in Mohl's, Nägeli's, Hofmeiſter's Arbeiten allzuſehr abſtach. In der 1856 erſchienenen zweiten Auflage, welche als „Lehrbuch der Anatomie und Phyſiologie der Gewächſe“ betitelt iſt, war zwar Vieles im Einzelnen gebeſſert, im Ganzen aber zeigte das Buch noch dieſelben formalen Uebelſtände wie früher. Es iſt hiſtoriſch nicht unwichtig, dieß hervorzuheben, weil in den fünfziger und ſechziger Jahren die Mehrzahl der jüngeren Botaniker und viele Andere ihre Kenntniß der Phytotomie, zumal der Zellenlehre, hauptſächlich aus Schacht's Büchern ſchöpften, in denen aber der wahre Stand der Wiſſenſchaft nicht repräſentirt war und deren mangelhafte Logik jüngeren Leſern gewiß nicht zu Gute gekommen iſt, beſonders dazu beitragen mußte, auch auf dem Gebiet der Phytotomie und Phyſiologie der Pflanzen eine ge- dankenloſe Anhäufung von Thatſachen einzubürgern, wie es lange Zeit auch in der Morphologie und Syſtematik geſchehen iſt. 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Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
und gar auf eigene Beobachtungen geſtützt mit nur nebenſäch-
licher Berückſichtigung der Literatur darſtellen zu wollen, was
jedoch inſoferne ganz unmöglich war, als der Verfaſſer die
weſentlichen Puncte ſchon völlig bereinigt in der Literatur vor-
fand; das Werk hatte jedoch den Vorzug, durch zahlreiche gute
Originalabbildungen den Leſer zu feſſeln; auch die Darſtellung
wurde durch die fortwährende Berufung auf eigene Beobachtung
belebt; doch ließ ſich nicht verkennen, daß die Literatur nicht
gehörig benutzt war, der Verfaſſer daher vielfach hinter dem
wahren Stand derſelben zurückblieb. Schlimmer, als dieß, war
jedoch ein gewiſſer Mangel an formaler Bildung, der den Ver-
faſſer häufig zu Widerſprüchen mit ſich ſelbſt, zu unrichtiger
Klaſſifikation der Thatſachen führte; prinzipiell Wichtiges wurde
über unbedeutenden Einzelheiten vielfach überſehen und im
Ganzen machte ſich in demſelben eine ziemlich gedankenloſe En-
pirie geltend, welche von der logiſchen Schärfe in Mohl's,
Nägeli's, Hofmeiſter's Arbeiten allzuſehr abſtach. In der
1856 erſchienenen zweiten Auflage, welche als „Lehrbuch der
Anatomie und Phyſiologie der Gewächſe“ betitelt iſt, war zwar
Vieles im Einzelnen gebeſſert, im Ganzen aber zeigte das Buch
noch dieſelben formalen Uebelſtände wie früher. Es iſt hiſtoriſch
nicht unwichtig, dieß hervorzuheben, weil in den fünfziger und
ſechziger Jahren die Mehrzahl der jüngeren Botaniker und viele
Andere ihre Kenntniß der Phytotomie, zumal der Zellenlehre,
hauptſächlich aus Schacht's Büchern ſchöpften, in denen aber
der wahre Stand der Wiſſenſchaft nicht repräſentirt war und
deren mangelhafte Logik jüngeren Leſern gewiß nicht zu Gute
gekommen iſt, beſonders dazu beitragen mußte, auch auf dem
Gebiet der Phytotomie und Phyſiologie der Pflanzen eine ge-
dankenloſe Anhäufung von Thatſachen einzubürgern, wie es
lange Zeit auch in der Morphologie und Syſtematik geſchehen iſt.
Viel gelungener in der Form und Strenge der Darſtellung
war Unger's Lehrbuch der Anatomie und Phyſiologie der
Pflanzen von 1855. Mit ſorgfältiger Berückſichtigung alles
Bekannten, wenn auch zuweilen mit einiger Uebereilung des
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