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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gebilde.
tane Entstehung der Scheidewände vorkomme. Wie gewöhnlich
stützte Mohl aber seinen Widerspruch auf eine gute Beobacht-
ung, indem er zeigte, daß es bei der Pollenbildung dikotyler
Pflanzen gelinge, den bereits tief vierlappig gewordenen Proto-
plasmakörper einer sich theilenden Mutterzelle durch Zerspreng-
ung ihrer Haut frei zu legen und in dieser selbst die halbfertigen
Scheidewände zu sehen, was freilich nur zeigte, daß hier die
Sache sich wirklich so verhält, während in anderen Fällen simul-
tane Scheidewandbildung erfolgt. Bei dieser Gelegenheit mag
darauf hingewiesen werden, daß der 1842 von Nägeli einge-
führte Begriff der Spezialmutterzellen bei der Pollenbildung dem
damaligen Stand der Wissenschaft vollkommen entsprach, insofern
er mit diesem Ausdruck diejenigen Zellhautlamellen bezeichnete,
welche während der successiven Theilung der Pollenmutterzelle
sich bilden. Diese auch jetzt noch als Spezialmutterzellen zu be-
zeichnen, wie es in neuester Zeit einzelne Phytotomen thun, ist
insofern durchaus unberechtigt, als nach Nägeli's 1846 auf-
gestellter Zellentheorie, wie wir gesehen haben, das Wort Zelle
nicht mehr bloß die Haut, sondern den ganzen Körper bezeichnete,
wogegen dem Ausdruck Spezialmutterzelle der ältere Sprachge-
brauch zu Grunde liegt, nach welchem Zelle und Zellhaut iden-
tisch sind.

Was nach 1851 bis tief in die sechziger Jahre hinein zur
Förderung der Zellbildungslehre geschah, hatte verhältnißmäßig
geringere Bedeutung im Vergleich zu dem großartigen Aufschwung
den sie in den vorhergehenden zehn Jahren genommen hatte;
wie denn überhaupt diese zehn Jahre die fruchtbarsten und
thatenreichsten auf allen Gebieten der Botanik waren. Durch
die Arbeiten Unger's, Mohl's, Nägeli's, Braun's,
Hofmeister's war nunmehr die Zellentheorie nicht nur in
ihren Fundamenten begründet, sondern auch schon bis in's Ein-
zelne ausgebaut, die Begriffe geklärt. Nunmehr konnten auch
die Lehrbücher die neue Lehre in weiteren Kreisen verbreiten;
zu ihnen dürfen wir in gewisser Beziehung auch Mohl's ge-
nannte Abhandlung über die vegetabilische Zelle rechnen, da sie

Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
tane Entſtehung der Scheidewände vorkomme. Wie gewöhnlich
ſtützte Mohl aber ſeinen Widerſpruch auf eine gute Beobacht-
ung, indem er zeigte, daß es bei der Pollenbildung dikotyler
Pflanzen gelinge, den bereits tief vierlappig gewordenen Proto-
plasmakörper einer ſich theilenden Mutterzelle durch Zerſpreng-
ung ihrer Haut frei zu legen und in dieſer ſelbſt die halbfertigen
Scheidewände zu ſehen, was freilich nur zeigte, daß hier die
Sache ſich wirklich ſo verhält, während in anderen Fällen ſimul-
tane Scheidewandbildung erfolgt. Bei dieſer Gelegenheit mag
darauf hingewieſen werden, daß der 1842 von Nägeli einge-
führte Begriff der Spezialmutterzellen bei der Pollenbildung dem
damaligen Stand der Wiſſenſchaft vollkommen entſprach, inſofern
er mit dieſem Ausdruck diejenigen Zellhautlamellen bezeichnete,
welche während der ſucceſſiven Theilung der Pollenmutterzelle
ſich bilden. Dieſe auch jetzt noch als Spezialmutterzellen zu be-
zeichnen, wie es in neueſter Zeit einzelne Phytotomen thun, iſt
inſofern durchaus unberechtigt, als nach Nägeli's 1846 auf-
geſtellter Zellentheorie, wie wir geſehen haben, das Wort Zelle
nicht mehr bloß die Haut, ſondern den ganzen Körper bezeichnete,
wogegen dem Ausdruck Spezialmutterzelle der ältere Sprachge-
brauch zu Grunde liegt, nach welchem Zelle und Zellhaut iden-
tiſch ſind.

Was nach 1851 bis tief in die ſechziger Jahre hinein zur
Förderung der Zellbildungslehre geſchah, hatte verhältnißmäßig
geringere Bedeutung im Vergleich zu dem großartigen Aufſchwung
den ſie in den vorhergehenden zehn Jahren genommen hatte;
wie denn überhaupt dieſe zehn Jahre die fruchtbarſten und
thatenreichſten auf allen Gebieten der Botanik waren. Durch
die Arbeiten Unger's, Mohl's, Nägeli's, Braun's,
Hofmeiſter's war nunmehr die Zellentheorie nicht nur in
ihren Fundamenten begründet, ſondern auch ſchon bis in's Ein-
zelne ausgebaut, die Begriffe geklärt. Nunmehr konnten auch
die Lehrbücher die neue Lehre in weiteren Kreiſen verbreiten;
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nannte Abhandlung über die vegetabiliſche Zelle rechnen, da ſie

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[363/0375] Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde. tane Entſtehung der Scheidewände vorkomme. Wie gewöhnlich ſtützte Mohl aber ſeinen Widerſpruch auf eine gute Beobacht- ung, indem er zeigte, daß es bei der Pollenbildung dikotyler Pflanzen gelinge, den bereits tief vierlappig gewordenen Proto- plasmakörper einer ſich theilenden Mutterzelle durch Zerſpreng- ung ihrer Haut frei zu legen und in dieſer ſelbſt die halbfertigen Scheidewände zu ſehen, was freilich nur zeigte, daß hier die Sache ſich wirklich ſo verhält, während in anderen Fällen ſimul- tane Scheidewandbildung erfolgt. Bei dieſer Gelegenheit mag darauf hingewieſen werden, daß der 1842 von Nägeli einge- führte Begriff der Spezialmutterzellen bei der Pollenbildung dem damaligen Stand der Wiſſenſchaft vollkommen entſprach, inſofern er mit dieſem Ausdruck diejenigen Zellhautlamellen bezeichnete, welche während der ſucceſſiven Theilung der Pollenmutterzelle ſich bilden. Dieſe auch jetzt noch als Spezialmutterzellen zu be- zeichnen, wie es in neueſter Zeit einzelne Phytotomen thun, iſt inſofern durchaus unberechtigt, als nach Nägeli's 1846 auf- geſtellter Zellentheorie, wie wir geſehen haben, das Wort Zelle nicht mehr bloß die Haut, ſondern den ganzen Körper bezeichnete, wogegen dem Ausdruck Spezialmutterzelle der ältere Sprachge- brauch zu Grunde liegt, nach welchem Zelle und Zellhaut iden- tiſch ſind. Was nach 1851 bis tief in die ſechziger Jahre hinein zur Förderung der Zellbildungslehre geſchah, hatte verhältnißmäßig geringere Bedeutung im Vergleich zu dem großartigen Aufſchwung den ſie in den vorhergehenden zehn Jahren genommen hatte; wie denn überhaupt dieſe zehn Jahre die fruchtbarſten und thatenreichſten auf allen Gebieten der Botanik waren. Durch die Arbeiten Unger's, Mohl's, Nägeli's, Braun's, Hofmeiſter's war nunmehr die Zellentheorie nicht nur in ihren Fundamenten begründet, ſondern auch ſchon bis in's Ein- zelne ausgebaut, die Begriffe geklärt. Nunmehr konnten auch die Lehrbücher die neue Lehre in weiteren Kreiſen verbreiten; zu ihnen dürfen wir in gewiſſer Beziehung auch Mohl's ge- nannte Abhandlung über die vegetabiliſche Zelle rechnen, da ſie

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/375>, abgerufen am 24.11.2024.