lichem Sinne ist auch Th. Hartig's frühere Entdeckung der Siebröhren im Bastgewebe hervorzuheben; die Klärung des alten Begriffs der "eigenen Gefäße", ihre Unterscheidung in safthaltige Intercellulargänge, in Milchgefäße und Milchzellen u. dgl. fällt zum großen Theil erst in die Jahre nach 1860.
Wenn ich nun dazu übergehe, zu zeigen, wie die erwähnten bedeutenden Resultate erzielt wurden, so bieten sich manche Schwierigkeiten. Seit 1840 wuchs die botanische Literatur zu einer früher unbekannten Fülle heran, neben umfangreicheren Werken, welche einzelne Theile der Phytotomie monographisch behandeln und neben einigen Lehrbüchern, sind es vorwiegend die in den botanischen Zeitschriften enthaltenen kleineren Aufsätze, aus denen man die weitere Entwicklung des wissenschaftlichen Gedankens zusammensuchen muß. So sehr auch die Gründung der wissenschaftlichen Zeitschriften dazu beigetragen hat, den Ver- kehr der Fachmänner zu beschleunigen, so erschwert diese Form der Literatur doch anderseits die Orientirung über das in früheren Jahrzehnten Geleistete und die Auffindung des historischen Zu- sammenhangs in der Wissenschaft; des Schadens gar nicht zu gedenken, den das Zeitschriftenwesen bei angehenden, jüngeren Fachmännern anzurichten pflegt. Um bei diesem Zustand der hier in Betracht kommenden Literatur eine einigermaßen über- sichtliche Darstellung zu gewinnen, werde ich hier abweichend von den früheren Capiteln nicht mehr an die einzelnen Hauptpersonen anknüpfen, sondern die wichtigeren Fragen in ihrer geschichtlichen Entwicklung verfolgen. Dieses Verfahren ist schon insofern ge- boten, als wir hier nicht mehr auf eigentlich historischen Boden stehen, denn noch lebt die Mehrzahl der Männer, welche die Entwicklung der neuen Lehren seit 1840 bewirkt haben, und zweifelhaft bleibt es, ob die hier versuchte Darstellung nicht auf Widerspruch in diesem oder jenem Sinne stößt. Denn bei der außerordentlichen Meinungsverschiedenheit, wie sie unter den Bo- tanikern selbst über die umfassendsten Fragen der Wissenschaft
Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
lichem Sinne iſt auch Th. Hartig's frühere Entdeckung der Siebröhren im Baſtgewebe hervorzuheben; die Klärung des alten Begriffs der „eigenen Gefäße“, ihre Unterſcheidung in ſafthaltige Intercellulargänge, in Milchgefäße und Milchzellen u. dgl. fällt zum großen Theil erſt in die Jahre nach 1860.
Wenn ich nun dazu übergehe, zu zeigen, wie die erwähnten bedeutenden Reſultate erzielt wurden, ſo bieten ſich manche Schwierigkeiten. Seit 1840 wuchs die botaniſche Literatur zu einer früher unbekannten Fülle heran, neben umfangreicheren Werken, welche einzelne Theile der Phytotomie monographiſch behandeln und neben einigen Lehrbüchern, ſind es vorwiegend die in den botaniſchen Zeitſchriften enthaltenen kleineren Aufſätze, aus denen man die weitere Entwicklung des wiſſenſchaftlichen Gedankens zuſammenſuchen muß. So ſehr auch die Gründung der wiſſenſchaftlichen Zeitſchriften dazu beigetragen hat, den Ver- kehr der Fachmänner zu beſchleunigen, ſo erſchwert dieſe Form der Literatur doch anderſeits die Orientirung über das in früheren Jahrzehnten Geleiſtete und die Auffindung des hiſtoriſchen Zu- ſammenhangs in der Wiſſenſchaft; des Schadens gar nicht zu gedenken, den das Zeitſchriftenweſen bei angehenden, jüngeren Fachmännern anzurichten pflegt. Um bei dieſem Zuſtand der hier in Betracht kommenden Literatur eine einigermaßen über- ſichtliche Darſtellung zu gewinnen, werde ich hier abweichend von den früheren Capiteln nicht mehr an die einzelnen Hauptperſonen anknüpfen, ſondern die wichtigeren Fragen in ihrer geſchichtlichen Entwicklung verfolgen. Dieſes Verfahren iſt ſchon inſofern ge- boten, als wir hier nicht mehr auf eigentlich hiſtoriſchen Boden ſtehen, denn noch lebt die Mehrzahl der Männer, welche die Entwicklung der neuen Lehren ſeit 1840 bewirkt haben, und zweifelhaft bleibt es, ob die hier verſuchte Darſtellung nicht auf Widerſpruch in dieſem oder jenem Sinne ſtößt. Denn bei der außerordentlichen Meinungsverſchiedenheit, wie ſie unter den Bo- tanikern ſelbſt über die umfaſſendſten Fragen der Wiſſenſchaft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0354"n="342"/><fwplace="top"type="header">Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der</fw><lb/>
lichem Sinne iſt auch Th. <hirendition="#g">Hartig</hi>'s frühere Entdeckung der<lb/>
Siebröhren im Baſtgewebe hervorzuheben; die Klärung des alten<lb/>
Begriffs der „eigenen Gefäße“, ihre Unterſcheidung in ſafthaltige<lb/>
Intercellulargänge, in Milchgefäße und Milchzellen u. dgl. fällt<lb/>
zum großen Theil erſt in die Jahre nach 1860.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wenn ich nun dazu übergehe, zu zeigen, wie die erwähnten<lb/>
bedeutenden Reſultate erzielt wurden, ſo bieten ſich manche<lb/>
Schwierigkeiten. Seit 1840 wuchs die botaniſche Literatur zu<lb/>
einer früher unbekannten Fülle heran, neben umfangreicheren<lb/>
Werken, welche einzelne Theile der Phytotomie monographiſch<lb/>
behandeln und neben einigen Lehrbüchern, ſind es vorwiegend<lb/>
die in den botaniſchen Zeitſchriften enthaltenen kleineren Aufſätze,<lb/>
aus denen man die weitere Entwicklung des wiſſenſchaftlichen<lb/>
Gedankens zuſammenſuchen muß. So ſehr auch die Gründung<lb/>
der wiſſenſchaftlichen Zeitſchriften dazu beigetragen hat, den Ver-<lb/>
kehr der Fachmänner zu beſchleunigen, ſo erſchwert dieſe Form<lb/>
der Literatur doch anderſeits die Orientirung über das in früheren<lb/>
Jahrzehnten Geleiſtete und die Auffindung des hiſtoriſchen Zu-<lb/>ſammenhangs in der Wiſſenſchaft; des Schadens gar nicht zu<lb/>
gedenken, den das Zeitſchriftenweſen bei angehenden, jüngeren<lb/>
Fachmännern anzurichten pflegt. Um bei dieſem Zuſtand der<lb/>
hier in Betracht kommenden Literatur eine einigermaßen über-<lb/>ſichtliche Darſtellung zu gewinnen, werde ich hier abweichend von<lb/>
den früheren Capiteln nicht mehr an die einzelnen Hauptperſonen<lb/>
anknüpfen, ſondern die wichtigeren Fragen in ihrer geſchichtlichen<lb/>
Entwicklung verfolgen. Dieſes Verfahren iſt ſchon inſofern ge-<lb/>
boten, als wir hier nicht mehr auf eigentlich hiſtoriſchen Boden<lb/>ſtehen, denn noch lebt die Mehrzahl der Männer, welche die<lb/>
Entwicklung der neuen Lehren ſeit 1840 bewirkt haben, und<lb/>
zweifelhaft bleibt es, ob die hier verſuchte Darſtellung nicht auf<lb/>
Widerſpruch in dieſem oder jenem Sinne ſtößt. Denn bei der<lb/>
außerordentlichen Meinungsverſchiedenheit, wie ſie unter den Bo-<lb/>
tanikern ſelbſt über die umfaſſendſten Fragen der Wiſſenſchaft<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[342/0354]
Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
lichem Sinne iſt auch Th. Hartig's frühere Entdeckung der
Siebröhren im Baſtgewebe hervorzuheben; die Klärung des alten
Begriffs der „eigenen Gefäße“, ihre Unterſcheidung in ſafthaltige
Intercellulargänge, in Milchgefäße und Milchzellen u. dgl. fällt
zum großen Theil erſt in die Jahre nach 1860.
Wenn ich nun dazu übergehe, zu zeigen, wie die erwähnten
bedeutenden Reſultate erzielt wurden, ſo bieten ſich manche
Schwierigkeiten. Seit 1840 wuchs die botaniſche Literatur zu
einer früher unbekannten Fülle heran, neben umfangreicheren
Werken, welche einzelne Theile der Phytotomie monographiſch
behandeln und neben einigen Lehrbüchern, ſind es vorwiegend
die in den botaniſchen Zeitſchriften enthaltenen kleineren Aufſätze,
aus denen man die weitere Entwicklung des wiſſenſchaftlichen
Gedankens zuſammenſuchen muß. So ſehr auch die Gründung
der wiſſenſchaftlichen Zeitſchriften dazu beigetragen hat, den Ver-
kehr der Fachmänner zu beſchleunigen, ſo erſchwert dieſe Form
der Literatur doch anderſeits die Orientirung über das in früheren
Jahrzehnten Geleiſtete und die Auffindung des hiſtoriſchen Zu-
ſammenhangs in der Wiſſenſchaft; des Schadens gar nicht zu
gedenken, den das Zeitſchriftenweſen bei angehenden, jüngeren
Fachmännern anzurichten pflegt. Um bei dieſem Zuſtand der
hier in Betracht kommenden Literatur eine einigermaßen über-
ſichtliche Darſtellung zu gewinnen, werde ich hier abweichend von
den früheren Capiteln nicht mehr an die einzelnen Hauptperſonen
anknüpfen, ſondern die wichtigeren Fragen in ihrer geſchichtlichen
Entwicklung verfolgen. Dieſes Verfahren iſt ſchon inſofern ge-
boten, als wir hier nicht mehr auf eigentlich hiſtoriſchen Boden
ſtehen, denn noch lebt die Mehrzahl der Männer, welche die
Entwicklung der neuen Lehren ſeit 1840 bewirkt haben, und
zweifelhaft bleibt es, ob die hier verſuchte Darſtellung nicht auf
Widerſpruch in dieſem oder jenem Sinne ſtößt. Denn bei der
außerordentlichen Meinungsverſchiedenheit, wie ſie unter den Bo-
tanikern ſelbſt über die umfaſſendſten Fragen der Wiſſenſchaft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/354>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.