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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Zellhautgerüstes der Pflanzen.
ob seine Bastfasern auch als Gefäße zu deuten sind, eine Frage,
die er jedoch nicht bestimmt beantworten konnte. Dagegen er-
klärte er sich entschieden gegen Hedwig's rückführende Gefäße
in der Epidermis, was auch Sprengel schon gethan hatte,
und sehr anerkennenswerth ist, daß Bernhardi die Kanten,
wo je drei Längswände des Parenchyms zusammenstoßen, für
das erkannte, was sie wirklich sind, während selbst noch spätere
Beobachter hier Schwierigkeiten fanden.

Schon vor dem Erscheinen von Bernhardi's Schrift, im
Jahre 1804 stellte die k. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göt-
tingen eine Preisfrage, welche sehr deutlich zeigt, wie unsicher
man sich damals noch in allen Puncten der Pflanzenanatomie
fühlte; zur Charakteristik des damaligen Zustands der Phyto-
tomie wird es beitragen, wenn hier die Preisfrage in ihrer
ganzen Länge angeführt wird; sie findet sich in der Vorrede von
Rudolphi's Anatomie der Pflanzen (1807): "Da der eigent-
liche Gefäßbau der Gewächse von einigen neuen Physiologen ge-
leugnet, von anderen, zumal älteren, angenommen wird: so
wären neue mikroskopische Untersuchungen anzustellen, welche ent-
weder die Beobachtungen Mahlpighi's, Grew's, Du-
Hamel's, Mustel's, Hedwig's oder die besondere von
dem Thierreich abweichende, einfachere Organisation der Ge-
wächse, die man entweder aus einfachen, eigenthümlichen Fibern
und Fasern (Medicus) oder aus zelligen und röhrigen Gewebe
(tissu tubulaire Mirbel) hat entstehen lassen, bestätigen
müßten. -- Dabei wären nachfolgende untergeordnete Fragen zu
berücksichtigen: a) Wievielerlei Gefäßarten lassen sich von der
ersten Entwicklungsperiode derselben mit Gewißheit annehmen?
und wenn diese wirklich existiren. b) Sind jene gewundenen
Fasern, welche man Spiralgefäße (vasa spiralia) nennt, selbst
hohl, und bilden sie also Gefäße, oder dienen sie durch ihre
Windungen zur Bildung eigener Kapseln? und wie c) bewegen
sich in diesen Kapseln die tropfbaren Flüssigkeiten sowohl als
Luftarten? d) Entstehen durch Verwachsung dieser gewundenen
Fasern die Treppengänge (Sprengel) oder umgekehrt diese

Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
ob ſeine Baſtfaſern auch als Gefäße zu deuten ſind, eine Frage,
die er jedoch nicht beſtimmt beantworten konnte. Dagegen er-
klärte er ſich entſchieden gegen Hedwig's rückführende Gefäße
in der Epidermis, was auch Sprengel ſchon gethan hatte,
und ſehr anerkennenswerth iſt, daß Bernhardi die Kanten,
wo je drei Längswände des Parenchyms zuſammenſtoßen, für
das erkannte, was ſie wirklich ſind, während ſelbſt noch ſpätere
Beobachter hier Schwierigkeiten fanden.

Schon vor dem Erſcheinen von Bernhardi's Schrift, im
Jahre 1804 ſtellte die k. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Göt-
tingen eine Preisfrage, welche ſehr deutlich zeigt, wie unſicher
man ſich damals noch in allen Puncten der Pflanzenanatomie
fühlte; zur Charakteriſtik des damaligen Zuſtands der Phyto-
tomie wird es beitragen, wenn hier die Preisfrage in ihrer
ganzen Länge angeführt wird; ſie findet ſich in der Vorrede von
Rudolphi's Anatomie der Pflanzen (1807): „Da der eigent-
liche Gefäßbau der Gewächſe von einigen neuen Phyſiologen ge-
leugnet, von anderen, zumal älteren, angenommen wird: ſo
wären neue mikroſkopiſche Unterſuchungen anzuſtellen, welche ent-
weder die Beobachtungen Mahlpighi's, Grew's, Du-
Hamel's, Muſtel's, Hedwig's oder die beſondere von
dem Thierreich abweichende, einfachere Organiſation der Ge-
wächſe, die man entweder aus einfachen, eigenthümlichen Fibern
und Faſern (Medicus) oder aus zelligen und röhrigen Gewebe
(tissu tubulaire Mirbel) hat entſtehen laſſen, beſtätigen
müßten. — Dabei wären nachfolgende untergeordnete Fragen zu
berückſichtigen: a) Wievielerlei Gefäßarten laſſen ſich von der
erſten Entwicklungsperiode derſelben mit Gewißheit annehmen?
und wenn dieſe wirklich exiſtiren. b) Sind jene gewundenen
Faſern, welche man Spiralgefäße (vasa spiralia) nennt, ſelbſt
hohl, und bilden ſie alſo Gefäße, oder dienen ſie durch ihre
Windungen zur Bildung eigener Kapſeln? und wie c) bewegen
ſich in dieſen Kapſeln die tropfbaren Flüſſigkeiten ſowohl als
Luftarten? d) Entſtehen durch Verwachſung dieſer gewundenen
Faſern die Treppengänge (Sprengel) oder umgekehrt dieſe

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[287/0299] Zellhautgerüſtes der Pflanzen. ob ſeine Baſtfaſern auch als Gefäße zu deuten ſind, eine Frage, die er jedoch nicht beſtimmt beantworten konnte. Dagegen er- klärte er ſich entſchieden gegen Hedwig's rückführende Gefäße in der Epidermis, was auch Sprengel ſchon gethan hatte, und ſehr anerkennenswerth iſt, daß Bernhardi die Kanten, wo je drei Längswände des Parenchyms zuſammenſtoßen, für das erkannte, was ſie wirklich ſind, während ſelbſt noch ſpätere Beobachter hier Schwierigkeiten fanden. Schon vor dem Erſcheinen von Bernhardi's Schrift, im Jahre 1804 ſtellte die k. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Göt- tingen eine Preisfrage, welche ſehr deutlich zeigt, wie unſicher man ſich damals noch in allen Puncten der Pflanzenanatomie fühlte; zur Charakteriſtik des damaligen Zuſtands der Phyto- tomie wird es beitragen, wenn hier die Preisfrage in ihrer ganzen Länge angeführt wird; ſie findet ſich in der Vorrede von Rudolphi's Anatomie der Pflanzen (1807): „Da der eigent- liche Gefäßbau der Gewächſe von einigen neuen Phyſiologen ge- leugnet, von anderen, zumal älteren, angenommen wird: ſo wären neue mikroſkopiſche Unterſuchungen anzuſtellen, welche ent- weder die Beobachtungen Mahlpighi's, Grew's, Du- Hamel's, Muſtel's, Hedwig's oder die beſondere von dem Thierreich abweichende, einfachere Organiſation der Ge- wächſe, die man entweder aus einfachen, eigenthümlichen Fibern und Faſern (Medicus) oder aus zelligen und röhrigen Gewebe (tissu tubulaire Mirbel) hat entſtehen laſſen, beſtätigen müßten. — Dabei wären nachfolgende untergeordnete Fragen zu berückſichtigen: a) Wievielerlei Gefäßarten laſſen ſich von der erſten Entwicklungsperiode derſelben mit Gewißheit annehmen? und wenn dieſe wirklich exiſtiren. b) Sind jene gewundenen Faſern, welche man Spiralgefäße (vasa spiralia) nennt, ſelbſt hohl, und bilden ſie alſo Gefäße, oder dienen ſie durch ihre Windungen zur Bildung eigener Kapſeln? und wie c) bewegen ſich in dieſen Kapſeln die tropfbaren Flüſſigkeiten ſowohl als Luftarten? d) Entſtehen durch Verwachſung dieſer gewundenen Faſern die Treppengänge (Sprengel) oder umgekehrt dieſe

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/299>, abgerufen am 22.11.2024.