schon als ein großer Fortschritt gelten, daß der jüngere Mol- denhawer 1812 die Zellen durch Maceration in Wasser (durch Fäulniß) isolirte und so das Mittel gewann, Zellen und Gefäße allseitig und in unverletztem Zustand zu be- trachten, sie in ihrer wahren Gestalt zu sehen, und aus dieser zugleich die Art ihrer Zusammenlagerung genauer als bisher zu übersehen. Doch selbst Moldenhawer machte sich noch nicht ganz frei von dem Fehler, zarte, mikroskopische Objekte in trockenem Zustand zur Beobachtung zu verwenden, obgleich schon Rudolphi und Link 1807 darauf gedrungen hatten, daß man die Präparate allseitig feucht erhalte, zumal auch auf ihrer dem Objektiv zugekehrten Oberfläche, woraus zugleich ersichtlich ist, daß man sich damals des Deckglases noch nicht bediente. Die Benutzung sehr scharfer Messer von geeigneter Form, als welche man gegenwärtig fast ausschließlich das Rasirmesser betrachtet, und die Herstellung möglichst feiner, glatter Quer- und Längs- schnitte, wurde jedenfalls noch nicht mit der Aufmerksamkeit und Uebung behandelt, welche später Meyen und Mohl als unentbehrliche Hülfsmittel der Phytotomie zur Geltung brachten; selbst zu ihrer Zeit half man sich gerne noch mit dem Zerfasern und Zerquetschen der Präparate.
Mit der zunehmenden Uebung in der Präparation und der Vervollkommnung der Mikroskope hielt im Ganzen auch die Herstellung mikroskopischer Zeichnungen gleichen Schritt. Vergleicht man die Bilder vom Anfange des Jahrhunderts bei Mirbel und Kurt Sprengel, bei Link und Tre- viranus (1807), ferner bei Moldenhawer (1812), Meyen, Mohl (1827 bis 1840), so gewinnt man einen ebenso lehr- reichen als raschen Ueberblick über die Geschichte der Phyto- tomie in diesem Zeitraum von vierzig Jahren. Die Bilder zeigen uns nicht nur die fortschreitende Zunahme der Vergrößer- ung und Deutlichkeit der Gesichtsfelder, sondern noch mehr die fortschreitende Sorgfalt in der Präparation und in der Be- trachtung der Objekte. Doch schlich sich vielfach in jener Zeit eine sonderbare Verirrung bei den Phytotomen ein: man glaubte
Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
ſchon als ein großer Fortſchritt gelten, daß der jüngere Mol- denhawer 1812 die Zellen durch Maceration in Waſſer (durch Fäulniß) iſolirte und ſo das Mittel gewann, Zellen und Gefäße allſeitig und in unverletztem Zuſtand zu be- trachten, ſie in ihrer wahren Geſtalt zu ſehen, und aus dieſer zugleich die Art ihrer Zuſammenlagerung genauer als bisher zu überſehen. Doch ſelbſt Moldenhawer machte ſich noch nicht ganz frei von dem Fehler, zarte, mikroſkopiſche Objekte in trockenem Zuſtand zur Beobachtung zu verwenden, obgleich ſchon Rudolphi und Link 1807 darauf gedrungen hatten, daß man die Präparate allſeitig feucht erhalte, zumal auch auf ihrer dem Objektiv zugekehrten Oberfläche, woraus zugleich erſichtlich iſt, daß man ſich damals des Deckglaſes noch nicht bediente. Die Benutzung ſehr ſcharfer Meſſer von geeigneter Form, als welche man gegenwärtig faſt ausſchließlich das Raſirmeſſer betrachtet, und die Herſtellung möglichſt feiner, glatter Quer- und Längs- ſchnitte, wurde jedenfalls noch nicht mit der Aufmerkſamkeit und Uebung behandelt, welche ſpäter Meyen und Mohl als unentbehrliche Hülfsmittel der Phytotomie zur Geltung brachten; ſelbſt zu ihrer Zeit half man ſich gerne noch mit dem Zerfaſern und Zerquetſchen der Präparate.
Mit der zunehmenden Uebung in der Präparation und der Vervollkommnung der Mikroſkope hielt im Ganzen auch die Herſtellung mikroſkopiſcher Zeichnungen gleichen Schritt. Vergleicht man die Bilder vom Anfange des Jahrhunderts bei Mirbel und Kurt Sprengel, bei Link und Tre- viranus (1807), ferner bei Moldenhawer (1812), Meyen, Mohl (1827 bis 1840), ſo gewinnt man einen ebenſo lehr- reichen als raſchen Ueberblick über die Geſchichte der Phyto- tomie in dieſem Zeitraum von vierzig Jahren. Die Bilder zeigen uns nicht nur die fortſchreitende Zunahme der Vergrößer- ung und Deutlichkeit der Geſichtsfelder, ſondern noch mehr die fortſchreitende Sorgfalt in der Präparation und in der Be- trachtung der Objekte. Doch ſchlich ſich vielfach in jener Zeit eine ſonderbare Verirrung bei den Phytotomen ein: man glaubte
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Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
ſchon als ein großer Fortſchritt gelten, daß der jüngere Mol-
denhawer 1812 die Zellen durch Maceration in Waſſer
(durch Fäulniß) iſolirte und ſo das Mittel gewann, Zellen
und Gefäße allſeitig und in unverletztem Zuſtand zu be-
trachten, ſie in ihrer wahren Geſtalt zu ſehen, und aus dieſer
zugleich die Art ihrer Zuſammenlagerung genauer als bisher
zu überſehen. Doch ſelbſt Moldenhawer machte ſich noch
nicht ganz frei von dem Fehler, zarte, mikroſkopiſche Objekte in
trockenem Zuſtand zur Beobachtung zu verwenden, obgleich ſchon
Rudolphi und Link 1807 darauf gedrungen hatten, daß man
die Präparate allſeitig feucht erhalte, zumal auch auf ihrer dem
Objektiv zugekehrten Oberfläche, woraus zugleich erſichtlich iſt,
daß man ſich damals des Deckglaſes noch nicht bediente. Die
Benutzung ſehr ſcharfer Meſſer von geeigneter Form, als welche
man gegenwärtig faſt ausſchließlich das Raſirmeſſer betrachtet,
und die Herſtellung möglichſt feiner, glatter Quer- und Längs-
ſchnitte, wurde jedenfalls noch nicht mit der Aufmerkſamkeit
und Uebung behandelt, welche ſpäter Meyen und Mohl als
unentbehrliche Hülfsmittel der Phytotomie zur Geltung brachten;
ſelbſt zu ihrer Zeit half man ſich gerne noch mit dem Zerfaſern
und Zerquetſchen der Präparate.
Mit der zunehmenden Uebung in der Präparation und
der Vervollkommnung der Mikroſkope hielt im Ganzen auch
die Herſtellung mikroſkopiſcher Zeichnungen gleichen Schritt.
Vergleicht man die Bilder vom Anfange des Jahrhunderts
bei Mirbel und Kurt Sprengel, bei Link und Tre-
viranus (1807), ferner bei Moldenhawer (1812), Meyen,
Mohl (1827 bis 1840), ſo gewinnt man einen ebenſo lehr-
reichen als raſchen Ueberblick über die Geſchichte der Phyto-
tomie in dieſem Zeitraum von vierzig Jahren. Die Bilder
zeigen uns nicht nur die fortſchreitende Zunahme der Vergrößer-
ung und Deutlichkeit der Geſichtsfelder, ſondern noch mehr die
fortſchreitende Sorgfalt in der Präparation und in der Be-
trachtung der Objekte. Doch ſchlich ſich vielfach in jener Zeit
eine ſonderbare Verirrung bei den Phytotomen ein: man glaubte
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/291>, abgerufen am 15.08.2024.
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