Fasern und Gefäße aufzufassen sind; als ein Hauptresultat dieser Bestrebungen ist aber auch schon die Feststellung der Thatsache zu bezeichnen, daß sich alle Elementarorgane der Pflanze auf Eine Grundform, auf die der allseitig geschlossenen Zelle zurückführen lassen; daß die Fasern nur langgestreckte Zellen sind, die ächten Gefäße jedoch aus reihenweise geordneten, mit einander in offene Verbindung getretenen Zellen entstehen.
Hatten die Phytotomen vor 1840, vor Allem wieder Mohl, auch gelegentlich entwicklungsgeschichtliche Verhältnisse mit be- achtet, waren auch bereits in den dreißiger Jahren einzelne Fälle der Entstehung verschiedener Zellen von Mohl und Mirbel beschrieben worden, so überwog doch immer das Interesse an der richtigen Auffassung der fertigen Struktur des Gewebes; auch waren bei der anatomischen Untersuchung physiologische Gesichts- punkte, wenn auch nicht mehr in erster Linie, von Gewicht, in- soferne die Beziehung der anatomischen Struktur zur Funktion der Elementarorgane die Untersuchung beeinflußte. Mit dem Auf- treten Schleiden's und Nägeli's trat auch hier die ent- wicklungsgeschichtliche Behandlung und die rein morphologische Betrachtung der inneren Struktur in den Vordergrund. Na- mentlich war es die erste Entstehung der Pflanzenzellen und ihr Wachsthum, welches jetzt erörtert wurde. Schleiden hatte schon vor 1840 eine Theorie der Zellenbildung aufgestellt, welche, auf zu wenige und ungenaue Beobachtungen gestützt, alle Zell- bildungsvorgänge im Pflanzenreich auf eine einzige Form zu- rückführte, die sich mit dem schon damals Bekannten schwer vereinigen ließ. Aber schon 1846 wurde die mit großem Auf- sehen in die Welt getretene Schleiden'sche Theorie von Nägeli vollständig widerlegt, an ihrer Stelle auf Grund sehr eingehender und umfangreicher Untersuchungen die wahre Ent- stehungsgeschichte der Pflanzenzellen in ihren Hauptzügen und in ihren verschiedenen Formen dargestellt. Es lag aber in der Natur der Sache, daß die Untersuchungen über die Entstehung der Pflanzenzellen die Aufmerksamkeit der Beobachter, die früher fast ausschließlich dem festen Gerüst des Zellengewebes gegolten
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Einleitung
Faſern und Gefäße aufzufaſſen ſind; als ein Hauptreſultat dieſer Beſtrebungen iſt aber auch ſchon die Feſtſtellung der Thatſache zu bezeichnen, daß ſich alle Elementarorgane der Pflanze auf Eine Grundform, auf die der allſeitig geſchloſſenen Zelle zurückführen laſſen; daß die Faſern nur langgeſtreckte Zellen ſind, die ächten Gefäße jedoch aus reihenweiſe geordneten, mit einander in offene Verbindung getretenen Zellen entſtehen.
Hatten die Phytotomen vor 1840, vor Allem wieder Mohl, auch gelegentlich entwicklungsgeſchichtliche Verhältniſſe mit be- achtet, waren auch bereits in den dreißiger Jahren einzelne Fälle der Entſtehung verſchiedener Zellen von Mohl und Mirbel beſchrieben worden, ſo überwog doch immer das Intereſſe an der richtigen Auffaſſung der fertigen Struktur des Gewebes; auch waren bei der anatomiſchen Unterſuchung phyſiologiſche Geſichts- punkte, wenn auch nicht mehr in erſter Linie, von Gewicht, in- ſoferne die Beziehung der anatomiſchen Struktur zur Funktion der Elementarorgane die Unterſuchung beeinflußte. Mit dem Auf- treten Schleiden's und Nägeli's trat auch hier die ent- wicklungsgeſchichtliche Behandlung und die rein morphologiſche Betrachtung der inneren Struktur in den Vordergrund. Na- mentlich war es die erſte Entſtehung der Pflanzenzellen und ihr Wachsthum, welches jetzt erörtert wurde. Schleiden hatte ſchon vor 1840 eine Theorie der Zellenbildung aufgeſtellt, welche, auf zu wenige und ungenaue Beobachtungen geſtützt, alle Zell- bildungsvorgänge im Pflanzenreich auf eine einzige Form zu- rückführte, die ſich mit dem ſchon damals Bekannten ſchwer vereinigen ließ. Aber ſchon 1846 wurde die mit großem Auf- ſehen in die Welt getretene Schleiden'ſche Theorie von Nägeli vollſtändig widerlegt, an ihrer Stelle auf Grund ſehr eingehender und umfangreicher Unterſuchungen die wahre Ent- ſtehungsgeſchichte der Pflanzenzellen in ihren Hauptzügen und in ihren verſchiedenen Formen dargeſtellt. Es lag aber in der Natur der Sache, daß die Unterſuchungen über die Entſtehung der Pflanzenzellen die Aufmerkſamkeit der Beobachter, die früher faſt ausſchließlich dem feſten Gerüſt des Zellengewebes gegolten
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[243/0255]
Einleitung
Faſern und Gefäße aufzufaſſen ſind; als ein Hauptreſultat dieſer
Beſtrebungen iſt aber auch ſchon die Feſtſtellung der Thatſache
zu bezeichnen, daß ſich alle Elementarorgane der Pflanze auf
Eine Grundform, auf die der allſeitig geſchloſſenen Zelle zurückführen
laſſen; daß die Faſern nur langgeſtreckte Zellen ſind, die ächten
Gefäße jedoch aus reihenweiſe geordneten, mit einander in offene
Verbindung getretenen Zellen entſtehen.
Hatten die Phytotomen vor 1840, vor Allem wieder Mohl,
auch gelegentlich entwicklungsgeſchichtliche Verhältniſſe mit be-
achtet, waren auch bereits in den dreißiger Jahren einzelne Fälle
der Entſtehung verſchiedener Zellen von Mohl und Mirbel
beſchrieben worden, ſo überwog doch immer das Intereſſe an der
richtigen Auffaſſung der fertigen Struktur des Gewebes; auch
waren bei der anatomiſchen Unterſuchung phyſiologiſche Geſichts-
punkte, wenn auch nicht mehr in erſter Linie, von Gewicht, in-
ſoferne die Beziehung der anatomiſchen Struktur zur Funktion
der Elementarorgane die Unterſuchung beeinflußte. Mit dem Auf-
treten Schleiden's und Nägeli's trat auch hier die ent-
wicklungsgeſchichtliche Behandlung und die rein morphologiſche
Betrachtung der inneren Struktur in den Vordergrund. Na-
mentlich war es die erſte Entſtehung der Pflanzenzellen und ihr
Wachsthum, welches jetzt erörtert wurde. Schleiden hatte
ſchon vor 1840 eine Theorie der Zellenbildung aufgeſtellt, welche,
auf zu wenige und ungenaue Beobachtungen geſtützt, alle Zell-
bildungsvorgänge im Pflanzenreich auf eine einzige Form zu-
rückführte, die ſich mit dem ſchon damals Bekannten ſchwer
vereinigen ließ. Aber ſchon 1846 wurde die mit großem Auf-
ſehen in die Welt getretene Schleiden'ſche Theorie von
Nägeli vollſtändig widerlegt, an ihrer Stelle auf Grund ſehr
eingehender und umfangreicher Unterſuchungen die wahre Ent-
ſtehungsgeſchichte der Pflanzenzellen in ihren Hauptzügen und
in ihren verſchiedenen Formen dargeſtellt. Es lag aber in der
Natur der Sache, daß die Unterſuchungen über die Entſtehung
der Pflanzenzellen die Aufmerkſamkeit der Beobachter, die früher
faſt ausſchließlich dem feſten Gerüſt des Zellengewebes gegolten
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/255>, abgerufen am 25.11.2024.
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