ganzen 18. Jahrhunderts brachte eine Art Abneigung gegen die anatomische Beschäftigung hervor, die man ohnehin nur als Hilfsmittel der Physiologie gelten ließ; diese letztere aber hatte auch ohne diese Hilfe durch Hales, später gegen den Schluß des 18. Jahrhunderts, durch Ingen-Houß und Senebier die wichtigsten Fortschritte gemacht und so erlosch das Interesse für die Phytotomie fast ganz. Das ganze 18. Jahrhundert hat dem, was Malpighi und Grew geleistet, nicht nur Nichts beigefügt, sondern sogar das Verständniß für das bereits Geleistete theilweise abhanden kommen lassen
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam das Mikroskop in- dessen wieder mehr zu Ehren; das zusammengesetzte wurde etwas bequemer handlicher; Hedwig zeigte, wie sich mit seiner Hilfe die Organisation der kleinsten Pflanzen, besonders aber der Moose enthüllt, auch versuchte er es, den Bau des Zellge- webes und der Gefäßbündel höherer Pflanzen zu erkennen. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts aber steigerte sich ganz plötz- lich wieder das Interesse an der Phytotomie; in Frankreich war es Mirbel, in Deutschland Kurt Sprengel, der die mikros- kopische Struktur der Pflanzen wieder zum Gegenstand ernster Beobachtungen machte. Die Leistungen beider waren anfangs äußerst schwach und sie widersprachen einander; es entwickelte sich in den nächsten Jahren eine lebhafte Polemik über die Natur der Zellen, Fasern und Gefäße, an welcher sich bald zahlreichere deutsche Botaniker betheiligten; es kam wieder Leben in die Sache, besonders als die Göttinger Akademie eine Preisfrage über die streitigen Puncte aufstellte (1804), an deren Lösung sich Link, Rudolphi und Ludolph Treviranus betheiligten, während Bernhardi auf eigene Hand sich mit der Natur der Pflanzengefäße beschäftigte. Es war nicht viel, was durch diese Arbeiten erreicht wurde: man hatte gewissermaßen ganz von vorn angefangen und noch galten jetzt nach 130 Jahren Mal pighi und Grew als die wichtigsten Autoritäten, auf welche man immer wieder zurückging. Die Fragen aber, um die es sich jetzt handelte, waren doch in der Hauptsache andere als damals:
Sachs Geschichte der Botanik. 16
Einleitung.
ganzen 18. Jahrhunderts brachte eine Art Abneigung gegen die anatomiſche Beſchäftigung hervor, die man ohnehin nur als Hilfsmittel der Phyſiologie gelten ließ; dieſe letztere aber hatte auch ohne dieſe Hilfe durch Hales, ſpäter gegen den Schluß des 18. Jahrhunderts, durch Ingen-Houß und Senebier die wichtigſten Fortſchritte gemacht und ſo erloſch das Intereſſe für die Phytotomie faſt ganz. Das ganze 18. Jahrhundert hat dem, was Malpighi und Grew geleiſtet, nicht nur Nichts beigefügt, ſondern ſogar das Verſtändniß für das bereits Geleiſtete theilweiſe abhanden kommen laſſen
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam das Mikroſkop in- deſſen wieder mehr zu Ehren; das zuſammengeſetzte wurde etwas bequemer handlicher; Hedwig zeigte, wie ſich mit ſeiner Hilfe die Organiſation der kleinſten Pflanzen, beſonders aber der Mooſe enthüllt, auch verſuchte er es, den Bau des Zellge- webes und der Gefäßbündel höherer Pflanzen zu erkennen. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts aber ſteigerte ſich ganz plötz- lich wieder das Intereſſe an der Phytotomie; in Frankreich war es Mirbel, in Deutſchland Kurt Sprengel, der die mikroſ- kopiſche Struktur der Pflanzen wieder zum Gegenſtand ernſter Beobachtungen machte. Die Leiſtungen beider waren anfangs äußerſt ſchwach und ſie widerſprachen einander; es entwickelte ſich in den nächſten Jahren eine lebhafte Polemik über die Natur der Zellen, Faſern und Gefäße, an welcher ſich bald zahlreichere deutſche Botaniker betheiligten; es kam wieder Leben in die Sache, beſonders als die Göttinger Akademie eine Preisfrage über die ſtreitigen Puncte aufſtellte (1804), an deren Löſung ſich Link, Rudolphi und Ludolph Treviranus betheiligten, während Bernhardi auf eigene Hand ſich mit der Natur der Pflanzengefäße beſchäftigte. Es war nicht viel, was durch dieſe Arbeiten erreicht wurde: man hatte gewiſſermaßen ganz von vorn angefangen und noch galten jetzt nach 130 Jahren Mal pighi und Grew als die wichtigſten Autoritäten, auf welche man immer wieder zurückging. Die Fragen aber, um die es ſich jetzt handelte, waren doch in der Hauptſache andere als damals:
Sachs Geſchichte der Botanik. 16
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Einleitung.
ganzen 18. Jahrhunderts brachte eine Art Abneigung gegen die
anatomiſche Beſchäftigung hervor, die man ohnehin nur als
Hilfsmittel der Phyſiologie gelten ließ; dieſe letztere aber hatte
auch ohne dieſe Hilfe durch Hales, ſpäter gegen den Schluß
des 18. Jahrhunderts, durch Ingen-Houß und Senebier
die wichtigſten Fortſchritte gemacht und ſo erloſch das Intereſſe
für die Phytotomie faſt ganz. Das ganze 18. Jahrhundert hat
dem, was Malpighi und Grew geleiſtet, nicht nur Nichts
beigefügt, ſondern ſogar das Verſtändniß für das bereits Geleiſtete
theilweiſe abhanden kommen laſſen
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam das Mikroſkop in-
deſſen wieder mehr zu Ehren; das zuſammengeſetzte wurde etwas
bequemer handlicher; Hedwig zeigte, wie ſich mit ſeiner
Hilfe die Organiſation der kleinſten Pflanzen, beſonders aber
der Mooſe enthüllt, auch verſuchte er es, den Bau des Zellge-
webes und der Gefäßbündel höherer Pflanzen zu erkennen. Mit
dem Beginn des 19. Jahrhunderts aber ſteigerte ſich ganz plötz-
lich wieder das Intereſſe an der Phytotomie; in Frankreich war
es Mirbel, in Deutſchland Kurt Sprengel, der die mikroſ-
kopiſche Struktur der Pflanzen wieder zum Gegenſtand ernſter
Beobachtungen machte. Die Leiſtungen beider waren anfangs
äußerſt ſchwach und ſie widerſprachen einander; es entwickelte
ſich in den nächſten Jahren eine lebhafte Polemik über die Natur
der Zellen, Faſern und Gefäße, an welcher ſich bald zahlreichere
deutſche Botaniker betheiligten; es kam wieder Leben in die
Sache, beſonders als die Göttinger Akademie eine Preisfrage
über die ſtreitigen Puncte aufſtellte (1804), an deren Löſung ſich
Link, Rudolphi und Ludolph Treviranus betheiligten,
während Bernhardi auf eigene Hand ſich mit der Natur der
Pflanzengefäße beſchäftigte. Es war nicht viel, was durch dieſe
Arbeiten erreicht wurde: man hatte gewiſſermaßen ganz von
vorn angefangen und noch galten jetzt nach 130 Jahren Mal
pighi und Grew als die wichtigſten Autoritäten, auf welche
man immer wieder zurückging. Die Fragen aber, um die es ſich
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/253>, abgerufen am 24.11.2024.
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