Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Einleitung. an, die sinnliche Wahrnehmung mit dem Verstand zu bearbeiten,das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, in die einzelnen Wahrnehmungen logischen Zusammenhang zu bringen, bei der Untersuchung ein Ziel zu verfolgen; dieses Ziel aber kann in letzter Instanz für den Phytotomen kein anderes sein als das, die ganze innere Struktur der Pflanze in ihrem gesammten Zu- sammenhang so klar zu erfassen, daß dieselbe mit allen Einzel- heiten von der Phantasie mit völliger sinnlicher Deutlichkeit jederzeit reproducirt werden kann. Dieß zu erreichen, ist nicht leicht, weil das Mikroskop, je stärker es vergrößert, nur desto kleinere Theile des Ganzen zeigt; geschickte und überlegte Präparation, sorgfältige Combination der verschiedenen Bilder und lange Uebung sind nöthig, um jenes Ziel zu erreichen. Die Geschichte der Phytotomie zeigt, wie schwer es den Beobachtern gefallen ist, das zerstückelt Gesehene nach und nach zu klarer zusammenhängender Vorstellung zu gestalten. Die fortschreitende Verbesserung der Mikroskope also genügte Einleitung. an, die ſinnliche Wahrnehmung mit dem Verſtand zu bearbeiten,das Wichtige vom Unwichtigen zu unterſcheiden, in die einzelnen Wahrnehmungen logiſchen Zuſammenhang zu bringen, bei der Unterſuchung ein Ziel zu verfolgen; dieſes Ziel aber kann in letzter Inſtanz für den Phytotomen kein anderes ſein als das, die ganze innere Struktur der Pflanze in ihrem geſammten Zu- ſammenhang ſo klar zu erfaſſen, daß dieſelbe mit allen Einzel- heiten von der Phantaſie mit völliger ſinnlicher Deutlichkeit jederzeit reproducirt werden kann. Dieß zu erreichen, iſt nicht leicht, weil das Mikroſkop, je ſtärker es vergrößert, nur deſto kleinere Theile des Ganzen zeigt; geſchickte und überlegte Präparation, ſorgfältige Combination der verſchiedenen Bilder und lange Uebung ſind nöthig, um jenes Ziel zu erreichen. Die Geſchichte der Phytotomie zeigt, wie ſchwer es den Beobachtern gefallen iſt, das zerſtückelt Geſehene nach und nach zu klarer zuſammenhängender Vorſtellung zu geſtalten. Die fortſchreitende Verbeſſerung der Mikroſkope alſo genügte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0251" n="239"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> an, die ſinnliche Wahrnehmung mit dem Verſtand zu bearbeiten,<lb/> das Wichtige vom Unwichtigen zu unterſcheiden, in die einzelnen<lb/> Wahrnehmungen logiſchen Zuſammenhang zu bringen, bei der<lb/> Unterſuchung ein Ziel zu verfolgen; dieſes Ziel aber kann in<lb/> letzter Inſtanz für den Phytotomen kein anderes ſein als das,<lb/> die ganze innere Struktur der Pflanze in ihrem geſammten Zu-<lb/> ſammenhang ſo klar zu erfaſſen, daß dieſelbe mit allen Einzel-<lb/> heiten von der Phantaſie mit völliger ſinnlicher Deutlichkeit<lb/> jederzeit reproducirt werden kann. Dieß zu erreichen, iſt nicht<lb/> leicht, weil das Mikroſkop, je ſtärker es vergrößert, nur<lb/> deſto kleinere Theile des Ganzen zeigt; geſchickte und überlegte<lb/> Präparation, ſorgfältige Combination der verſchiedenen Bilder<lb/> und lange Uebung ſind nöthig, um jenes Ziel zu erreichen. Die<lb/> Geſchichte der Phytotomie zeigt, wie ſchwer es den Beobachtern<lb/> gefallen iſt, das zerſtückelt Geſehene nach und nach zu klarer<lb/> zuſammenhängender Vorſtellung zu geſtalten.</p><lb/> <p>Die fortſchreitende Verbeſſerung der Mikroſkope alſo genügte<lb/> keineswegs allein, um die Phytotomie fortſchreiten zu laſſen; ja<lb/> man geht ſogar nicht zu weit, wenn man behauptet, daß die<lb/> Fortſchritte, welche die mikroſkopiſche Anatomie mit Hülfe un-<lb/> vollkommener Mikroſkope nach und nach machte, wiederholt den<lb/> Impuls zu energiſchen Anſtrengungen für die Verbeſſerung der<lb/> Mikroſkope gegeben haben; die praktiſchen Mikroſkopiker allein<lb/> konnten beurtheilen, wo die wahren Mängel der vorhandenen<lb/> Mikroſkope lagen, ihre Beſtrebungen, ſie handlicher zu machen,<lb/> ihre beſtändigen Klagen über die geringe Leiſtungsfähigkeit des<lb/> optiſchen Theils, Klagen, die zumal am Ende des vorigen und<lb/> am Anfang dieſes Jahrhunderts laut wurden, waren es, welche<lb/> die Optiker drängten, dem Mikroſkop ihre Aufmerkſamkeit zuzu-<lb/> wenden und ihm eine immer größere Vollkommenheit zu geben.<lb/> Aber nicht nur das, die praktiſchen Mikroſkopiker ſelbſt waren es,<lb/> welche wiederholt weſentliche Verbeſſerungen an dem Inſtrument<lb/> ausführten; ſo gab zuerſt <hi rendition="#g">Robert Hooke</hi> 1760 dem zuſammen-<lb/> geſetzten Mikroſkop eine für wiſſenſchaftliche Beobachtung brauch-<lb/> bare Form, ſo war es <hi rendition="#g">Leeuwenhoek</hi>, der das einfache Mikroſkop<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0251]
Einleitung.
an, die ſinnliche Wahrnehmung mit dem Verſtand zu bearbeiten,
das Wichtige vom Unwichtigen zu unterſcheiden, in die einzelnen
Wahrnehmungen logiſchen Zuſammenhang zu bringen, bei der
Unterſuchung ein Ziel zu verfolgen; dieſes Ziel aber kann in
letzter Inſtanz für den Phytotomen kein anderes ſein als das,
die ganze innere Struktur der Pflanze in ihrem geſammten Zu-
ſammenhang ſo klar zu erfaſſen, daß dieſelbe mit allen Einzel-
heiten von der Phantaſie mit völliger ſinnlicher Deutlichkeit
jederzeit reproducirt werden kann. Dieß zu erreichen, iſt nicht
leicht, weil das Mikroſkop, je ſtärker es vergrößert, nur
deſto kleinere Theile des Ganzen zeigt; geſchickte und überlegte
Präparation, ſorgfältige Combination der verſchiedenen Bilder
und lange Uebung ſind nöthig, um jenes Ziel zu erreichen. Die
Geſchichte der Phytotomie zeigt, wie ſchwer es den Beobachtern
gefallen iſt, das zerſtückelt Geſehene nach und nach zu klarer
zuſammenhängender Vorſtellung zu geſtalten.
Die fortſchreitende Verbeſſerung der Mikroſkope alſo genügte
keineswegs allein, um die Phytotomie fortſchreiten zu laſſen; ja
man geht ſogar nicht zu weit, wenn man behauptet, daß die
Fortſchritte, welche die mikroſkopiſche Anatomie mit Hülfe un-
vollkommener Mikroſkope nach und nach machte, wiederholt den
Impuls zu energiſchen Anſtrengungen für die Verbeſſerung der
Mikroſkope gegeben haben; die praktiſchen Mikroſkopiker allein
konnten beurtheilen, wo die wahren Mängel der vorhandenen
Mikroſkope lagen, ihre Beſtrebungen, ſie handlicher zu machen,
ihre beſtändigen Klagen über die geringe Leiſtungsfähigkeit des
optiſchen Theils, Klagen, die zumal am Ende des vorigen und
am Anfang dieſes Jahrhunderts laut wurden, waren es, welche
die Optiker drängten, dem Mikroſkop ihre Aufmerkſamkeit zuzu-
wenden und ihm eine immer größere Vollkommenheit zu geben.
Aber nicht nur das, die praktiſchen Mikroſkopiker ſelbſt waren es,
welche wiederholt weſentliche Verbeſſerungen an dem Inſtrument
ausführten; ſo gab zuerſt Robert Hooke 1760 dem zuſammen-
geſetzten Mikroſkop eine für wiſſenſchaftliche Beobachtung brauch-
bare Form, ſo war es Leeuwenhoek, der das einfache Mikroſkop
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