Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
der ganze Fruchtkörper eines Ascomyceten selbst das Product
eines Sexualactes ist, welcher an den Fäden des Myceliums
stattfindet.

Auf De Bary's Beobachtungsmethoden und seinen that-
sächlichen Ergebnissen fußend ist nun seit ungefähr 1860 die
mykologische Literatur auch von anderen nach den verschiedensten
Richtungen hin bereichert worden; wie bei den Algen läßt sich
auch hier noch nicht absehen, zu welchen Resultaten schließlich
die Untersuchungen führen werden; daß es aber gelungen ist,
auch diesen dornigen, ja gefahrvollen Weg, auf welchem
überall Irrthümer auf den Forscher eindringen, zu ebnen und
den strengsten Anforderungen der Wissenschaft auch hier zu ge-
nügen, ist eines der schönsten Resultate der streng inductiven
Methode. Für die Morphologie und Systematik sind schon jetzt
bedeutende Erfolge errungen, unter denen die Feststellung der
Natur der großen Fruchtkörper und gewisser dem Generations-
wechsel höherer Kryptogamen ähnlichen Vorgänge vor Allem
hervorzuheben sind. Als eines der bedeutendsten Ergebnisse der
algologischen und mykologischen Forschung aber darf schon jetzt
das genannt werden, daß die beiden bisher streng geschiedenen
Klassen der Algen und Pilze offenbar mit einander vereinigt
werden müssen und daß eine ganz neue Classification aufzustellen
ist, in welcher Algen und Pilze als bloße Habitusformen in ver-
schiedenen morphologisch begründeten Abtheilungen wiederkehren1)

Noch wäre hier ein Wort über die Flechten zu sagen; sie
sind die Abtheilung der Thallophyten, welche zuletzt und erst in
neuester Zeit in ihrer wahren Natur erkannt wurden; bis tief
in die fünfziger Jahre hinein kannte man von ihrer Organisation
nicht viel mehr, als was Wallroth 1825 festgestellt hatte 2);
daß nämlich zwischen dem pilzähnlichen Hyphengewebe des Thallus
grüne Zellen eingestreut sind, die man als Gonidien bezeichnete.

1) Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. 1874 p. 245.
2) Fr. Wilh. Wallroth geb. 1792 am Harz, starb als Kreisphysikus
zu Nordhausen 1857 (Flora 1857 p. 336).

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
der ganze Fruchtkörper eines Aſcomyceten ſelbſt das Product
eines Sexualactes iſt, welcher an den Fäden des Myceliums
ſtattfindet.

Auf De Bary's Beobachtungsmethoden und ſeinen that-
ſächlichen Ergebniſſen fußend iſt nun ſeit ungefähr 1860 die
mykologiſche Literatur auch von anderen nach den verſchiedenſten
Richtungen hin bereichert worden; wie bei den Algen läßt ſich
auch hier noch nicht abſehen, zu welchen Reſultaten ſchließlich
die Unterſuchungen führen werden; daß es aber gelungen iſt,
auch dieſen dornigen, ja gefahrvollen Weg, auf welchem
überall Irrthümer auf den Forſcher eindringen, zu ebnen und
den ſtrengſten Anforderungen der Wiſſenſchaft auch hier zu ge-
nügen, iſt eines der ſchönſten Reſultate der ſtreng inductiven
Methode. Für die Morphologie und Syſtematik ſind ſchon jetzt
bedeutende Erfolge errungen, unter denen die Feſtſtellung der
Natur der großen Fruchtkörper und gewiſſer dem Generations-
wechſel höherer Kryptogamen ähnlichen Vorgänge vor Allem
hervorzuheben ſind. Als eines der bedeutendſten Ergebniſſe der
algologiſchen und mykologiſchen Forſchung aber darf ſchon jetzt
das genannt werden, daß die beiden bisher ſtreng geſchiedenen
Klaſſen der Algen und Pilze offenbar mit einander vereinigt
werden müſſen und daß eine ganz neue Claſſification aufzuſtellen
iſt, in welcher Algen und Pilze als bloße Habitusformen in ver-
ſchiedenen morphologiſch begründeten Abtheilungen wiederkehren1)

Noch wäre hier ein Wort über die Flechten zu ſagen; ſie
ſind die Abtheilung der Thallophyten, welche zuletzt und erſt in
neueſter Zeit in ihrer wahren Natur erkannt wurden; bis tief
in die fünfziger Jahre hinein kannte man von ihrer Organiſation
nicht viel mehr, als was Wallroth 1825 feſtgeſtellt hatte 2);
daß nämlich zwiſchen dem pilzähnlichen Hyphengewebe des Thallus
grüne Zellen eingeſtreut ſind, die man als Gonidien bezeichnete.

1) Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. 1874 p. 245.
2) Fr. Wilh. Wallroth geb. 1792 am Harz, ſtarb als Kreisphyſikus
zu Nordhauſen 1857 (Flora 1857 p. 336).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0242" n="230"/><fw place="top" type="header">Morphologie und Sy&#x017F;tematik unter dem Einfluß der</fw><lb/>
der ganze Fruchtkörper eines <hi rendition="#g">A&#x017F;comyceten</hi> &#x017F;elb&#x017F;t das Product<lb/>
eines Sexualactes i&#x017F;t, welcher an den Fäden des Myceliums<lb/>
&#x017F;tattfindet.</p><lb/>
            <p>Auf <hi rendition="#g">De Bary</hi>'s Beobachtungsmethoden und &#x017F;einen that-<lb/>
&#x017F;ächlichen Ergebni&#x017F;&#x017F;en fußend i&#x017F;t nun &#x017F;eit ungefähr 1860 die<lb/>
mykologi&#x017F;che Literatur auch von anderen nach den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten<lb/>
Richtungen hin bereichert worden; wie bei den Algen läßt &#x017F;ich<lb/>
auch hier noch nicht ab&#x017F;ehen, zu welchen Re&#x017F;ultaten &#x017F;chließlich<lb/>
die Unter&#x017F;uchungen führen werden; daß es aber gelungen i&#x017F;t,<lb/>
auch die&#x017F;en dornigen, ja gefahrvollen Weg, auf welchem<lb/>
überall Irrthümer auf den For&#x017F;cher eindringen, zu ebnen und<lb/>
den &#x017F;treng&#x017F;ten Anforderungen der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft auch hier zu ge-<lb/>
nügen, i&#x017F;t eines der &#x017F;chön&#x017F;ten Re&#x017F;ultate der &#x017F;treng inductiven<lb/>
Methode. Für die Morphologie und Sy&#x017F;tematik &#x017F;ind &#x017F;chon jetzt<lb/>
bedeutende Erfolge errungen, unter denen die Fe&#x017F;t&#x017F;tellung der<lb/>
Natur der großen Fruchtkörper und gewi&#x017F;&#x017F;er dem Generations-<lb/>
wech&#x017F;el höherer Kryptogamen ähnlichen Vorgänge vor Allem<lb/>
hervorzuheben &#x017F;ind. Als eines der bedeutend&#x017F;ten Ergebni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
algologi&#x017F;chen und mykologi&#x017F;chen For&#x017F;chung aber darf &#x017F;chon jetzt<lb/>
das genannt werden, daß die beiden bisher &#x017F;treng ge&#x017F;chiedenen<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;en der Algen und Pilze offenbar mit einander vereinigt<lb/>
werden mü&#x017F;&#x017F;en und daß eine ganz neue Cla&#x017F;&#x017F;ification aufzu&#x017F;tellen<lb/>
i&#x017F;t, in welcher Algen und Pilze als bloße Habitusformen in ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen morphologi&#x017F;ch begründeten Abtheilungen wiederkehren<note place="foot" n="1)">Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. 1874 <hi rendition="#aq">p.</hi> 245.</note></p><lb/>
            <p>Noch wäre hier ein Wort über die Flechten zu &#x017F;agen; &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind die Abtheilung der Thallophyten, welche zuletzt und er&#x017F;t in<lb/>
neue&#x017F;ter Zeit in ihrer wahren Natur erkannt wurden; bis tief<lb/>
in die fünfziger Jahre hinein kannte man von ihrer Organi&#x017F;ation<lb/>
nicht viel mehr, als was <hi rendition="#g">Wallroth</hi> 1825 fe&#x017F;tge&#x017F;tellt hatte <note place="foot" n="2)"> Fr. Wilh. <hi rendition="#g">Wallroth</hi> geb. 1792 am Harz, &#x017F;tarb als Kreisphy&#x017F;ikus<lb/>
zu Nordhau&#x017F;en 1857 (<hi rendition="#aq">Flora</hi> 1857 <hi rendition="#aq">p.</hi> 336).</note>;<lb/>
daß nämlich zwi&#x017F;chen dem pilzähnlichen Hyphengewebe des Thallus<lb/>
grüne Zellen einge&#x017F;treut &#x017F;ind, die man als Gonidien bezeichnete.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0242] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der der ganze Fruchtkörper eines Aſcomyceten ſelbſt das Product eines Sexualactes iſt, welcher an den Fäden des Myceliums ſtattfindet. Auf De Bary's Beobachtungsmethoden und ſeinen that- ſächlichen Ergebniſſen fußend iſt nun ſeit ungefähr 1860 die mykologiſche Literatur auch von anderen nach den verſchiedenſten Richtungen hin bereichert worden; wie bei den Algen läßt ſich auch hier noch nicht abſehen, zu welchen Reſultaten ſchließlich die Unterſuchungen führen werden; daß es aber gelungen iſt, auch dieſen dornigen, ja gefahrvollen Weg, auf welchem überall Irrthümer auf den Forſcher eindringen, zu ebnen und den ſtrengſten Anforderungen der Wiſſenſchaft auch hier zu ge- nügen, iſt eines der ſchönſten Reſultate der ſtreng inductiven Methode. Für die Morphologie und Syſtematik ſind ſchon jetzt bedeutende Erfolge errungen, unter denen die Feſtſtellung der Natur der großen Fruchtkörper und gewiſſer dem Generations- wechſel höherer Kryptogamen ähnlichen Vorgänge vor Allem hervorzuheben ſind. Als eines der bedeutendſten Ergebniſſe der algologiſchen und mykologiſchen Forſchung aber darf ſchon jetzt das genannt werden, daß die beiden bisher ſtreng geſchiedenen Klaſſen der Algen und Pilze offenbar mit einander vereinigt werden müſſen und daß eine ganz neue Claſſification aufzuſtellen iſt, in welcher Algen und Pilze als bloße Habitusformen in ver- ſchiedenen morphologiſch begründeten Abtheilungen wiederkehren 1) Noch wäre hier ein Wort über die Flechten zu ſagen; ſie ſind die Abtheilung der Thallophyten, welche zuletzt und erſt in neueſter Zeit in ihrer wahren Natur erkannt wurden; bis tief in die fünfziger Jahre hinein kannte man von ihrer Organiſation nicht viel mehr, als was Wallroth 1825 feſtgeſtellt hatte 2); daß nämlich zwiſchen dem pilzähnlichen Hyphengewebe des Thallus grüne Zellen eingeſtreut ſind, die man als Gonidien bezeichnete. 1) Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. 1874 p. 245. 2) Fr. Wilh. Wallroth geb. 1792 am Harz, ſtarb als Kreisphyſikus zu Nordhauſen 1857 (Flora 1857 p. 336).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/242
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/242>, abgerufen am 25.11.2024.