Der Schwerpunkt der ganzen Mykologie lag indessen in den niederen, einfachen kleinen Pilzen, ganz besonders in denen, welche auf und in Pflanzen und Thieren parasitisch leben. Hier häuften sich die Schwierigkeiten, hier lagen die dunkelsten Räthsel, mit denen es jemals die Botanik zu thun hatte, hier galt es mit der äußersten Umsicht und Vorsicht der Wissenschaft Schritt für Schritt ein neues Terrain zu gewinnen. Wie bei den Algen handelte es sich auch hier zunächst darum, wenigstens bei einer kleineren Anzahl von Arten die vollständige Entwicklungsgeschichte kennen zu lernen; aber noch viel schwieriger als dort war es hier, das in Einen Entwicklungskreis Zusammengehörige aufzu- finden und von den zerstreuten Entwicklungszuständen anderer Pilze abzusondern. Das Verdienst, in dieser Richtung die Bahn gebrochen zu haben, gebührt den Gebrüdern Tulasne, welche schon vor 1850 die ersten genaueren Untersuchungen über die Brand- und Rostpilze veröffentlichten, denen dann eine lange Reihe ausgezeichneter Arbeiten über die verschiedensten Pilzformen folgten, so vor Allem über die unterirdischen Pilze, deren Lebensweise und Anatomie beschrieben und prachtvoll abgebildet wurde; theoretisch wichtiger aber waren ihre Arbeiten über die Entwick- lungsgeschichte des Mutterkorns 1853 und ihre weiteren Unter- suchungen über Sporenbildung und Keimung von Cystopus, Puccinia, Tilletia und Ustilago und die Entdeckung der Sexualorgane bei Peronospora schon vor 1861. Von größter Bedeutung für die Reformation der Mykologie war die in drei Bänden von 1861-1865 erschienene, mit prachtvollen z. Th. entwicklungsgeschichtlichen Abbildungen versehene Selecta fun- gorum carpologia. Unterdessen hatte auch schon Cessati Untersuchungen über den Muscardinenpilz der Seidenraupen 1852, und Cohn über einen merkwürdigen Schimmelpilz, den Pilobulus publicirt.
Ihre heutige Form aber verdankt die Mykologie ganz vorwie- gend den mehr als zwanzigjährigen Bemühungen Anton de Bary's dessen mykologische Schriften hier aufzuzählen zu weit führen würde. Mit richtigem Verständniß dessen, was auf diesem schwierigen
Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
Der Schwerpunkt der ganzen Mykologie lag indeſſen in den niederen, einfachen kleinen Pilzen, ganz beſonders in denen, welche auf und in Pflanzen und Thieren paraſitiſch leben. Hier häuften ſich die Schwierigkeiten, hier lagen die dunkelſten Räthſel, mit denen es jemals die Botanik zu thun hatte, hier galt es mit der äußerſten Umſicht und Vorſicht der Wiſſenſchaft Schritt für Schritt ein neues Terrain zu gewinnen. Wie bei den Algen handelte es ſich auch hier zunächſt darum, wenigſtens bei einer kleineren Anzahl von Arten die vollſtändige Entwicklungsgeſchichte kennen zu lernen; aber noch viel ſchwieriger als dort war es hier, das in Einen Entwicklungskreis Zuſammengehörige aufzu- finden und von den zerſtreuten Entwicklungszuſtänden anderer Pilze abzuſondern. Das Verdienſt, in dieſer Richtung die Bahn gebrochen zu haben, gebührt den Gebrüdern Tulaſne, welche ſchon vor 1850 die erſten genaueren Unterſuchungen über die Brand- und Roſtpilze veröffentlichten, denen dann eine lange Reihe ausgezeichneter Arbeiten über die verſchiedenſten Pilzformen folgten, ſo vor Allem über die unterirdiſchen Pilze, deren Lebensweiſe und Anatomie beſchrieben und prachtvoll abgebildet wurde; theoretiſch wichtiger aber waren ihre Arbeiten über die Entwick- lungsgeſchichte des Mutterkorns 1853 und ihre weiteren Unter- ſuchungen über Sporenbildung und Keimung von Cystopus, Puccinia, Tilletia und Ustilago und die Entdeckung der Sexualorgane bei Peronospora ſchon vor 1861. Von größter Bedeutung für die Reformation der Mykologie war die in drei Bänden von 1861-1865 erſchienene, mit prachtvollen z. Th. entwicklungsgeſchichtlichen Abbildungen verſehene Selecta fun- gorum carpologia. Unterdeſſen hatte auch ſchon Ceſſati Unterſuchungen über den Muscardinenpilz der Seidenraupen 1852, und Cohn über einen merkwürdigen Schimmelpilz, den Pilobulus publicirt.
Ihre heutige Form aber verdankt die Mykologie ganz vorwie- gend den mehr als zwanzigjährigen Bemühungen Anton de Bary's deſſen mykologiſche Schriften hier aufzuzählen zu weit führen würde. Mit richtigem Verſtändniß deſſen, was auf dieſem ſchwierigen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0240"n="228"/><fwplace="top"type="header">Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der</fw><lb/><p>Der Schwerpunkt der ganzen Mykologie lag indeſſen in<lb/>
den niederen, einfachen kleinen Pilzen, ganz beſonders in denen,<lb/>
welche auf und in Pflanzen und Thieren paraſitiſch leben. Hier<lb/>
häuften ſich die Schwierigkeiten, hier lagen die dunkelſten Räthſel,<lb/>
mit denen es jemals die Botanik zu thun hatte, hier galt es<lb/>
mit der äußerſten Umſicht und Vorſicht der Wiſſenſchaft Schritt<lb/>
für Schritt ein neues Terrain zu gewinnen. Wie bei den Algen<lb/>
handelte es ſich auch hier zunächſt darum, wenigſtens bei einer<lb/>
kleineren Anzahl von Arten die vollſtändige Entwicklungsgeſchichte<lb/>
kennen zu lernen; aber noch viel ſchwieriger als dort war es<lb/>
hier, das in Einen Entwicklungskreis Zuſammengehörige aufzu-<lb/>
finden und von den zerſtreuten Entwicklungszuſtänden anderer<lb/>
Pilze abzuſondern. Das Verdienſt, in dieſer Richtung die Bahn<lb/>
gebrochen zu haben, gebührt den Gebrüdern <hirendition="#g">Tulaſne</hi>, welche<lb/>ſchon vor 1850 die erſten genaueren Unterſuchungen über die<lb/>
Brand- und Roſtpilze veröffentlichten, denen dann eine lange Reihe<lb/>
ausgezeichneter Arbeiten über die verſchiedenſten Pilzformen folgten,<lb/>ſo vor Allem über die unterirdiſchen Pilze, deren Lebensweiſe<lb/>
und Anatomie beſchrieben und prachtvoll abgebildet wurde;<lb/>
theoretiſch wichtiger aber waren ihre Arbeiten über die Entwick-<lb/>
lungsgeſchichte des Mutterkorns 1853 und ihre weiteren Unter-<lb/>ſuchungen über Sporenbildung und Keimung von <hirendition="#aq">Cystopus,<lb/>
Puccinia, Tilletia</hi> und <hirendition="#aq">Ustilago</hi> und die Entdeckung der<lb/>
Sexualorgane bei <hirendition="#aq">Peronospora</hi>ſchon vor 1861. Von größter<lb/>
Bedeutung für die Reformation der Mykologie war die in drei<lb/>
Bänden von 1861-1865 erſchienene, mit prachtvollen z. Th.<lb/>
entwicklungsgeſchichtlichen Abbildungen verſehene <hirendition="#aq">Selecta fun-<lb/>
gorum carpologia</hi>. Unterdeſſen hatte auch ſchon <hirendition="#g">Ceſſati</hi><lb/>
Unterſuchungen über den Muscardinenpilz der Seidenraupen<lb/>
1852, und <hirendition="#g">Cohn</hi> über einen merkwürdigen Schimmelpilz, den<lb/><hirendition="#aq">Pilobulus</hi> publicirt.</p><lb/><p>Ihre heutige Form aber verdankt die Mykologie ganz vorwie-<lb/>
gend den mehr als zwanzigjährigen Bemühungen <hirendition="#b">Anton de Bary's</hi><lb/>
deſſen mykologiſche Schriften hier aufzuzählen zu weit führen würde.<lb/>
Mit richtigem Verſtändniß deſſen, was auf dieſem ſchwierigen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[228/0240]
Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
Der Schwerpunkt der ganzen Mykologie lag indeſſen in
den niederen, einfachen kleinen Pilzen, ganz beſonders in denen,
welche auf und in Pflanzen und Thieren paraſitiſch leben. Hier
häuften ſich die Schwierigkeiten, hier lagen die dunkelſten Räthſel,
mit denen es jemals die Botanik zu thun hatte, hier galt es
mit der äußerſten Umſicht und Vorſicht der Wiſſenſchaft Schritt
für Schritt ein neues Terrain zu gewinnen. Wie bei den Algen
handelte es ſich auch hier zunächſt darum, wenigſtens bei einer
kleineren Anzahl von Arten die vollſtändige Entwicklungsgeſchichte
kennen zu lernen; aber noch viel ſchwieriger als dort war es
hier, das in Einen Entwicklungskreis Zuſammengehörige aufzu-
finden und von den zerſtreuten Entwicklungszuſtänden anderer
Pilze abzuſondern. Das Verdienſt, in dieſer Richtung die Bahn
gebrochen zu haben, gebührt den Gebrüdern Tulaſne, welche
ſchon vor 1850 die erſten genaueren Unterſuchungen über die
Brand- und Roſtpilze veröffentlichten, denen dann eine lange Reihe
ausgezeichneter Arbeiten über die verſchiedenſten Pilzformen folgten,
ſo vor Allem über die unterirdiſchen Pilze, deren Lebensweiſe
und Anatomie beſchrieben und prachtvoll abgebildet wurde;
theoretiſch wichtiger aber waren ihre Arbeiten über die Entwick-
lungsgeſchichte des Mutterkorns 1853 und ihre weiteren Unter-
ſuchungen über Sporenbildung und Keimung von Cystopus,
Puccinia, Tilletia und Ustilago und die Entdeckung der
Sexualorgane bei Peronospora ſchon vor 1861. Von größter
Bedeutung für die Reformation der Mykologie war die in drei
Bänden von 1861-1865 erſchienene, mit prachtvollen z. Th.
entwicklungsgeſchichtlichen Abbildungen verſehene Selecta fun-
gorum carpologia. Unterdeſſen hatte auch ſchon Ceſſati
Unterſuchungen über den Muscardinenpilz der Seidenraupen
1852, und Cohn über einen merkwürdigen Schimmelpilz, den
Pilobulus publicirt.
Ihre heutige Form aber verdankt die Mykologie ganz vorwie-
gend den mehr als zwanzigjährigen Bemühungen Anton de Bary's
deſſen mykologiſche Schriften hier aufzuzählen zu weit führen würde.
Mit richtigem Verſtändniß deſſen, was auf dieſem ſchwierigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/240>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.