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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
Pflänzchen, welches sofort die Geschlechtsorgane bildet, aus deren
Befruchtung der bewurzelte und blättertragende Stamm des
Farnkrauts hervorgeht, das seinerseits nur wieder ungeschlechtliche
Sporen erzeugt. Bei den Muscineen dagegen entwickelt sich aus
der Spore eine gewöhnlich langlebige, vielfach gegliederte
Pflanze, welche erst spät zur Bildung von Geschlechtsorganen
schreitet, als deren Function die sogenannte Moosfrucht entsteht.
Die erste aus der Spore entstandene Generation, die geschlecht-
liche, ist bei den Muscineen die vegetirende Pflanze, während
bei den Farnen und Verwandten die ganze Fülle der Lebens-
thätigkeit, der morphologischen Differenzirung sich in der zweiten
sexuell erzeugten Generation entfaltet. Hier lag Alles klar und
sofort einleuchtend, aber Hofmeister's Untersuchungen zeigten
auch, daß dasselbe Schema der Entwicklung auch bei den Rhizo-
carpeen und Selaginellen gilt, wo zweierlei Sporen entstehen
und gerade in diesem Fall erwies sich die Erkenntniß des wahren
Verhältnisses zwischen Sporenbildung und Sexualorganen als
die die morphologische Deutung leitende. Mit der Kenntniß der
Vorgänge an der weiblichen großen Spore der vollkommensten
Kryptogamen ließ sich nun sofort die Samenbildung der Coni-
feren verstehen, der Embryosack derselben entsprach dieser großen
Spore, in welcher das Prothallium nunmehr als das längst
bekannte Endosperm sich darstellt, sowie das Pollenkorn die Mi-
krospore repräsentirte; in der Samenbildung der Phanerogamen
zeigten sich die letzten Spuren des Generationswechsels, der bei
den Muscineen und Farnen so klar zu Tage lag. Die Verän-
derungen, welche der Generationswechsel von den Muscineen
aufwärts bis zu den Phanerogamen durchläuft, waren wo mög-
lich noch überraschender, als der Generationswechsel selbst.

Vor dem Leser von Hofmeister's "vergleichenden
Untersuchungen" entrollte sich ein Bild des verwandtschaft-
lichen genetischen Zusammenhanges der Kryptogamen und
Phanerogamen, dessen Wahrnehmung mit dem damals herr-
schenden Glauben an die Constanz der Arten nicht mehr verein-
bar war. Es handelte sich hier nicht um Aufstellung von Typen

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
Pflänzchen, welches ſofort die Geſchlechtsorgane bildet, aus deren
Befruchtung der bewurzelte und blättertragende Stamm des
Farnkrauts hervorgeht, das ſeinerſeits nur wieder ungeſchlechtliche
Sporen erzeugt. Bei den Muscineen dagegen entwickelt ſich aus
der Spore eine gewöhnlich langlebige, vielfach gegliederte
Pflanze, welche erſt ſpät zur Bildung von Geſchlechtsorganen
ſchreitet, als deren Function die ſogenannte Moosfrucht entſteht.
Die erſte aus der Spore entſtandene Generation, die geſchlecht-
liche, iſt bei den Muscineen die vegetirende Pflanze, während
bei den Farnen und Verwandten die ganze Fülle der Lebens-
thätigkeit, der morphologiſchen Differenzirung ſich in der zweiten
ſexuell erzeugten Generation entfaltet. Hier lag Alles klar und
ſofort einleuchtend, aber Hofmeiſter's Unterſuchungen zeigten
auch, daß dasſelbe Schema der Entwicklung auch bei den Rhizo-
carpeen und Selaginellen gilt, wo zweierlei Sporen entſtehen
und gerade in dieſem Fall erwies ſich die Erkenntniß des wahren
Verhältniſſes zwiſchen Sporenbildung und Sexualorganen als
die die morphologiſche Deutung leitende. Mit der Kenntniß der
Vorgänge an der weiblichen großen Spore der vollkommenſten
Kryptogamen ließ ſich nun ſofort die Samenbildung der Coni-
feren verſtehen, der Embryoſack derſelben entſprach dieſer großen
Spore, in welcher das Prothallium nunmehr als das längſt
bekannte Endoſperm ſich darſtellt, ſowie das Pollenkorn die Mi-
kroſpore repräſentirte; in der Samenbildung der Phanerogamen
zeigten ſich die letzten Spuren des Generationswechſels, der bei
den Muscineen und Farnen ſo klar zu Tage lag. Die Verän-
derungen, welche der Generationswechſel von den Muscineen
aufwärts bis zu den Phanerogamen durchläuft, waren wo mög-
lich noch überraſchender, als der Generationswechſel ſelbſt.

Vor dem Leſer von Hofmeiſter's „vergleichenden
Unterſuchungen“ entrollte ſich ein Bild des verwandtſchaft-
lichen genetiſchen Zuſammenhanges der Kryptogamen und
Phanerogamen, deſſen Wahrnehmung mit dem damals herr-
ſchenden Glauben an die Conſtanz der Arten nicht mehr verein-
bar war. Es handelte ſich hier nicht um Aufſtellung von Typen

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[216/0228] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der Pflänzchen, welches ſofort die Geſchlechtsorgane bildet, aus deren Befruchtung der bewurzelte und blättertragende Stamm des Farnkrauts hervorgeht, das ſeinerſeits nur wieder ungeſchlechtliche Sporen erzeugt. Bei den Muscineen dagegen entwickelt ſich aus der Spore eine gewöhnlich langlebige, vielfach gegliederte Pflanze, welche erſt ſpät zur Bildung von Geſchlechtsorganen ſchreitet, als deren Function die ſogenannte Moosfrucht entſteht. Die erſte aus der Spore entſtandene Generation, die geſchlecht- liche, iſt bei den Muscineen die vegetirende Pflanze, während bei den Farnen und Verwandten die ganze Fülle der Lebens- thätigkeit, der morphologiſchen Differenzirung ſich in der zweiten ſexuell erzeugten Generation entfaltet. Hier lag Alles klar und ſofort einleuchtend, aber Hofmeiſter's Unterſuchungen zeigten auch, daß dasſelbe Schema der Entwicklung auch bei den Rhizo- carpeen und Selaginellen gilt, wo zweierlei Sporen entſtehen und gerade in dieſem Fall erwies ſich die Erkenntniß des wahren Verhältniſſes zwiſchen Sporenbildung und Sexualorganen als die die morphologiſche Deutung leitende. Mit der Kenntniß der Vorgänge an der weiblichen großen Spore der vollkommenſten Kryptogamen ließ ſich nun ſofort die Samenbildung der Coni- feren verſtehen, der Embryoſack derſelben entſprach dieſer großen Spore, in welcher das Prothallium nunmehr als das längſt bekannte Endoſperm ſich darſtellt, ſowie das Pollenkorn die Mi- kroſpore repräſentirte; in der Samenbildung der Phanerogamen zeigten ſich die letzten Spuren des Generationswechſels, der bei den Muscineen und Farnen ſo klar zu Tage lag. Die Verän- derungen, welche der Generationswechſel von den Muscineen aufwärts bis zu den Phanerogamen durchläuft, waren wo mög- lich noch überraſchender, als der Generationswechſel ſelbſt. Vor dem Leſer von Hofmeiſter's „vergleichenden Unterſuchungen“ entrollte ſich ein Bild des verwandtſchaft- lichen genetiſchen Zuſammenhanges der Kryptogamen und Phanerogamen, deſſen Wahrnehmung mit dem damals herr- ſchenden Glauben an die Conſtanz der Arten nicht mehr verein- bar war. Es handelte ſich hier nicht um Aufſtellung von Typen

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/228>, abgerufen am 24.11.2024.