Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Entwicklungsgeschichte und Kryptogamenkunde. Gebieten der Systematik, Morphologie, Anatomie und Physiologiean hervorragenden Leistungen; fallen doch eine Anzahl der besten Arbeiten Mohl's bereits in diesen Zeitraum, auch Meyen, Dutrochet, Ludolph Treviranus und andere kultivirten die Pflanzenanatomie und Physiologie; daß auf dem Gebiet der Morphologie und Systematik in den letzten Jahrzehnten ebenfalls Gutes und Beachtenswerthes geschehen war, ist schon erzählt worden. Allein eine Zusammenfassung alles dessen, was sich von werthvollen Kenntnissen in der gesammten Botanik ange- sammelt hatte, fehlte durchaus; noch mehr eine kritisch systema- tische Behandlung des Ganzen; im Grunde wußte Niemand, wie reich schon damals die Botanik an wichtigen Thatsachen war; am allerwenigsten konnte man aus den Lehrbüchern jener Zeit ein Urtheil darüber gewinnen; sie waren leer an Gedanken und Thatsachen, angefüllt mit einer überflüssigen Nomenclatur, die ganze Behandlung trivial und abgeschmackt, das eigentlich Wissens- werthe und Wichtige, was diese Bücher dem Lernenden hätten über- liefern sollen, enthielten sie überhaupt nicht. Diejenigen welche wirklich wissenschaftliche Untersuchungen anstellten, trennten sich von denen, welche die Botanik nach dem alten Schematismus der Linne'schen Schule behandelten; diese aber waren es, obwohl am wenigsten von allen dazu berufen, in deren Händen fast überall der botanische Unterricht, die Fortpflanzung des Wissens lag; so wurde denn der großen Masse der Studirenden, vor Allem auch den jungen Botanikern unter dem Namen Botanik ein Haufen geistloser Redensarten überliefert, die nicht verfehlen konnten, jeden höher Begabten abzustoßen. So rächte sich die alte Thorheit, die da verlangte, die einzige oder doch die Haupt- aufgabe jedes Botanikers solle sein: mit Pflanzensammeln in Wald und Wiese und mit dem Herumstöbern in Herbarien, die Zeit zu vertrödeln, womit nicht einmal im Linne'schen Sinne der Systematik gedient sein konnte. Selbst Begabteren mußte bei solcher Beschäftigung mit der Pflanzenwelt der Sinn für tieferes Wissen abhanden kommen, sogar eine Rückbildung der Verstandeskräfte konnte nicht ausbleiben, und daß es wirk- Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde. Gebieten der Syſtematik, Morphologie, Anatomie und Phyſiologiean hervorragenden Leiſtungen; fallen doch eine Anzahl der beſten Arbeiten Mohl's bereits in dieſen Zeitraum, auch Meyen, Dutrochet, Ludolph Treviranus und andere kultivirten die Pflanzenanatomie und Phyſiologie; daß auf dem Gebiet der Morphologie und Syſtematik in den letzten Jahrzehnten ebenfalls Gutes und Beachtenswerthes geſchehen war, iſt ſchon erzählt worden. Allein eine Zuſammenfaſſung alles deſſen, was ſich von werthvollen Kenntniſſen in der geſammten Botanik ange- ſammelt hatte, fehlte durchaus; noch mehr eine kritiſch ſyſtema- tiſche Behandlung des Ganzen; im Grunde wußte Niemand, wie reich ſchon damals die Botanik an wichtigen Thatſachen war; am allerwenigſten konnte man aus den Lehrbüchern jener Zeit ein Urtheil darüber gewinnen; ſie waren leer an Gedanken und Thatſachen, angefüllt mit einer überflüſſigen Nomenclatur, die ganze Behandlung trivial und abgeſchmackt, das eigentlich Wiſſens- werthe und Wichtige, was dieſe Bücher dem Lernenden hätten über- liefern ſollen, enthielten ſie überhaupt nicht. Diejenigen welche wirklich wiſſenſchaftliche Unterſuchungen anſtellten, trennten ſich von denen, welche die Botanik nach dem alten Schematismus der Linné'ſchen Schule behandelten; dieſe aber waren es, obwohl am wenigſten von allen dazu berufen, in deren Händen faſt überall der botaniſche Unterricht, die Fortpflanzung des Wiſſens lag; ſo wurde denn der großen Maſſe der Studirenden, vor Allem auch den jungen Botanikern unter dem Namen Botanik ein Haufen geiſtloſer Redensarten überliefert, die nicht verfehlen konnten, jeden höher Begabten abzuſtoßen. So rächte ſich die alte Thorheit, die da verlangte, die einzige oder doch die Haupt- aufgabe jedes Botanikers ſolle ſein: mit Pflanzenſammeln in Wald und Wieſe und mit dem Herumſtöbern in Herbarien, die Zeit zu vertrödeln, womit nicht einmal im Linné'ſchen Sinne der Syſtematik gedient ſein konnte. Selbſt Begabteren mußte bei ſolcher Beſchäftigung mit der Pflanzenwelt der Sinn für tieferes Wiſſen abhanden kommen, ſogar eine Rückbildung der Verſtandeskräfte konnte nicht ausbleiben, und daß es wirk- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0213" n="201"/><fw place="top" type="header">Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.</fw><lb/> Gebieten der Syſtematik, Morphologie, Anatomie und Phyſiologie<lb/> an hervorragenden Leiſtungen; fallen doch eine Anzahl der beſten<lb/> Arbeiten <hi rendition="#g">Mohl</hi>'s bereits in dieſen Zeitraum, auch <hi rendition="#g">Meyen</hi>,<lb/><hi rendition="#g">Dutrochet</hi>, <hi rendition="#g">Ludolph Treviranus</hi> und andere kultivirten<lb/> die Pflanzenanatomie und Phyſiologie; daß auf dem Gebiet der<lb/> Morphologie und Syſtematik in den letzten Jahrzehnten ebenfalls<lb/> Gutes und Beachtenswerthes geſchehen war, iſt ſchon erzählt<lb/> worden. 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Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
Gebieten der Syſtematik, Morphologie, Anatomie und Phyſiologie
an hervorragenden Leiſtungen; fallen doch eine Anzahl der beſten
Arbeiten Mohl's bereits in dieſen Zeitraum, auch Meyen,
Dutrochet, Ludolph Treviranus und andere kultivirten
die Pflanzenanatomie und Phyſiologie; daß auf dem Gebiet der
Morphologie und Syſtematik in den letzten Jahrzehnten ebenfalls
Gutes und Beachtenswerthes geſchehen war, iſt ſchon erzählt
worden. Allein eine Zuſammenfaſſung alles deſſen, was ſich
von werthvollen Kenntniſſen in der geſammten Botanik ange-
ſammelt hatte, fehlte durchaus; noch mehr eine kritiſch ſyſtema-
tiſche Behandlung des Ganzen; im Grunde wußte Niemand,
wie reich ſchon damals die Botanik an wichtigen Thatſachen war;
am allerwenigſten konnte man aus den Lehrbüchern jener Zeit
ein Urtheil darüber gewinnen; ſie waren leer an Gedanken und
Thatſachen, angefüllt mit einer überflüſſigen Nomenclatur, die
ganze Behandlung trivial und abgeſchmackt, das eigentlich Wiſſens-
werthe und Wichtige, was dieſe Bücher dem Lernenden hätten über-
liefern ſollen, enthielten ſie überhaupt nicht. Diejenigen welche
wirklich wiſſenſchaftliche Unterſuchungen anſtellten, trennten ſich
von denen, welche die Botanik nach dem alten Schematismus
der Linné'ſchen Schule behandelten; dieſe aber waren es,
obwohl am wenigſten von allen dazu berufen, in deren Händen
faſt überall der botaniſche Unterricht, die Fortpflanzung des
Wiſſens lag; ſo wurde denn der großen Maſſe der Studirenden,
vor Allem auch den jungen Botanikern unter dem Namen Botanik
ein Haufen geiſtloſer Redensarten überliefert, die nicht verfehlen
konnten, jeden höher Begabten abzuſtoßen. So rächte ſich die
alte Thorheit, die da verlangte, die einzige oder doch die Haupt-
aufgabe jedes Botanikers ſolle ſein: mit Pflanzenſammeln in
Wald und Wieſe und mit dem Herumſtöbern in Herbarien,
die Zeit zu vertrödeln, womit nicht einmal im Linné'ſchen
Sinne der Syſtematik gedient ſein konnte. Selbſt Begabteren
mußte bei ſolcher Beſchäftigung mit der Pflanzenwelt der Sinn
für tieferes Wiſſen abhanden kommen, ſogar eine Rückbildung
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