Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Entwicklungsgeschichte und Kryptogamenkunde. und mögliche Täuschungen in Betracht zu ziehen; die Sicherungder Thatsachen selbst verlangt alle die Kräfte, welche ganz vor- wiegend das Eigenartige des Naturforschers darstellen. So war schon die ernste Beschäftigung mit der Mikroskopie eine der Ur- sachen, welche die hervorragenden Mikroskopiker ganz auf das Gebiet und auf die Eigenartigkeit der inductiven Forschung hin- führten; als sich aber nach wenigen Jahren die thatsächlichen Resultate dieser Forschung zeigten, als sich eine ganz neue Welt, besonders in den Kryptogamen den Botanikern eröffnete, da handelte es sich um Fragen, welche vorher nicht aufgeworfen waren, an denen die dogmatische Philosophie ihre alte Kraft noch nicht versucht hatte; die Thatsachen und die Fragen waren neu intakt und boten sich der unbefangenen Betrachtung reiner dar als diejenigen, welche in den letzten drei Jahrhunderten sich viel- fach mit der alten Philosophie, zumal mit scholastischen Elementen verbunden hatten. Abgesehen von Mohl, der sich nur ganz nebenbei mit morphologischen Dingen beschäftigte, sich streng an die inductive Methode hielt und mehr die Feststellung einzelner Thatsachen als die allgemeiner Principien im Auge hatte, gingen aber auch die Begründer der neuen morphologischen Richtung, Schlei- den und Nägeli, von allgemein philosophischen Gesichtspuncten aus, die, so verschieden sie auch bei beiden Männern waren, doch zweierlei gemein hatten: die Forderung einer streng inductiven Forschung als Grundlage der ganzen Wissenschaft und die Ab- lehnung jeder teleologischen Erklärungsweise der Erscheinungen, in welch letzterem Puncte der Gegensatz zur idealistisch naturphilosophischen Schule am deutlichsten hervortrat. Mit dieser aber hatten die Begründer der neuen Botanik einen Be- rührungspunct von großer Bedeutung, den Glauben an die Constanz der organischen Formen, der hier jedoch, da er sich nicht mit der platonischen Ideenlehre verband, mehr nur die Anerkennung der alltäglichen Beobachtungen enthielt, daher von geringerer principieller Wichtigkeit war und eher als eine Unbe- quemlichkeit in der Wissenschaft empfunden wurde; dieser Auf- fassung entsprechend und durch die neuen Ergebnisse selbst dahin Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde. und mögliche Täuſchungen in Betracht zu ziehen; die Sicherungder Thatſachen ſelbſt verlangt alle die Kräfte, welche ganz vor- wiegend das Eigenartige des Naturforſchers darſtellen. So war ſchon die ernſte Beſchäftigung mit der Mikroſkopie eine der Ur- ſachen, welche die hervorragenden Mikroſkopiker ganz auf das Gebiet und auf die Eigenartigkeit der inductiven Forſchung hin- führten; als ſich aber nach wenigen Jahren die thatſächlichen Reſultate dieſer Forſchung zeigten, als ſich eine ganz neue Welt, beſonders in den Kryptogamen den Botanikern eröffnete, da handelte es ſich um Fragen, welche vorher nicht aufgeworfen waren, an denen die dogmatiſche Philoſophie ihre alte Kraft noch nicht verſucht hatte; die Thatſachen und die Fragen waren neu intakt und boten ſich der unbefangenen Betrachtung reiner dar als diejenigen, welche in den letzten drei Jahrhunderten ſich viel- fach mit der alten Philoſophie, zumal mit ſcholaſtiſchen Elementen verbunden hatten. Abgeſehen von Mohl, der ſich nur ganz nebenbei mit morphologiſchen Dingen beſchäftigte, ſich ſtreng an die inductive Methode hielt und mehr die Feſtſtellung einzelner Thatſachen als die allgemeiner Principien im Auge hatte, gingen aber auch die Begründer der neuen morphologiſchen Richtung, Schlei- den und Nägeli, von allgemein philoſophiſchen Geſichtspuncten aus, die, ſo verſchieden ſie auch bei beiden Männern waren, doch zweierlei gemein hatten: die Forderung einer ſtreng inductiven Forſchung als Grundlage der ganzen Wiſſenſchaft und die Ab- lehnung jeder teleologiſchen Erklärungsweiſe der Erſcheinungen, in welch letzterem Puncte der Gegenſatz zur idealiſtiſch naturphiloſophiſchen Schule am deutlichſten hervortrat. Mit dieſer aber hatten die Begründer der neuen Botanik einen Be- rührungspunct von großer Bedeutung, den Glauben an die Conſtanz der organiſchen Formen, der hier jedoch, da er ſich nicht mit der platoniſchen Ideenlehre verband, mehr nur die Anerkennung der alltäglichen Beobachtungen enthielt, daher von geringerer principieller Wichtigkeit war und eher als eine Unbe- quemlichkeit in der Wiſſenſchaft empfunden wurde; dieſer Auf- faſſung entſprechend und durch die neuen Ergebniſſe ſelbſt dahin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="197"/><fw place="top" type="header">Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.</fw><lb/> und mögliche Täuſchungen in Betracht zu ziehen; die Sicherung<lb/> der Thatſachen ſelbſt verlangt alle die Kräfte, welche ganz vor-<lb/> wiegend das Eigenartige des Naturforſchers darſtellen. So war<lb/> ſchon die ernſte Beſchäftigung mit der Mikroſkopie eine der Ur-<lb/> ſachen, welche die hervorragenden Mikroſkopiker ganz auf das<lb/> Gebiet und auf die Eigenartigkeit der inductiven Forſchung hin-<lb/> führten; als ſich aber nach wenigen Jahren die thatſächlichen<lb/> Reſultate dieſer Forſchung zeigten, als ſich eine ganz neue Welt,<lb/> beſonders in den Kryptogamen den Botanikern eröffnete, da<lb/> handelte es ſich um Fragen, welche vorher nicht aufgeworfen<lb/> waren, an denen die dogmatiſche Philoſophie ihre alte Kraft noch<lb/> nicht verſucht hatte; die Thatſachen und die Fragen waren neu<lb/> intakt und boten ſich der unbefangenen Betrachtung reiner dar<lb/> als diejenigen, welche in den letzten drei Jahrhunderten ſich viel-<lb/> fach mit der alten Philoſophie, zumal mit ſcholaſtiſchen Elementen<lb/> verbunden hatten. Abgeſehen von <hi rendition="#g">Mohl</hi>, der ſich nur ganz<lb/> nebenbei mit morphologiſchen Dingen beſchäftigte, ſich ſtreng an<lb/> die inductive Methode hielt und mehr die Feſtſtellung einzelner<lb/> Thatſachen als die allgemeiner Principien im Auge hatte, gingen aber<lb/> auch die Begründer der neuen morphologiſchen Richtung, <hi rendition="#g">Schlei</hi>-<lb/><hi rendition="#g">den</hi> und <hi rendition="#g">Nägeli</hi>, von allgemein philoſophiſchen Geſichtspuncten<lb/> aus, die, ſo verſchieden ſie auch bei beiden Männern waren, doch<lb/> zweierlei gemein hatten: die Forderung einer ſtreng inductiven<lb/> Forſchung als Grundlage der ganzen Wiſſenſchaft und die Ab-<lb/> lehnung jeder teleologiſchen Erklärungsweiſe der Erſcheinungen,<lb/> in welch letzterem Puncte der Gegenſatz zur idealiſtiſch<lb/> naturphiloſophiſchen Schule am deutlichſten hervortrat. Mit<lb/> dieſer aber hatten die Begründer der neuen Botanik einen Be-<lb/> rührungspunct von großer Bedeutung, den Glauben an die<lb/> Conſtanz der organiſchen Formen, der hier jedoch, da er ſich<lb/> nicht mit der platoniſchen Ideenlehre verband, mehr nur die<lb/> Anerkennung der alltäglichen Beobachtungen enthielt, daher von<lb/> geringerer principieller Wichtigkeit war und eher als eine Unbe-<lb/> quemlichkeit in der Wiſſenſchaft empfunden wurde; dieſer Auf-<lb/> faſſung entſprechend und durch die neuen Ergebniſſe ſelbſt dahin<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0209]
Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
und mögliche Täuſchungen in Betracht zu ziehen; die Sicherung
der Thatſachen ſelbſt verlangt alle die Kräfte, welche ganz vor-
wiegend das Eigenartige des Naturforſchers darſtellen. So war
ſchon die ernſte Beſchäftigung mit der Mikroſkopie eine der Ur-
ſachen, welche die hervorragenden Mikroſkopiker ganz auf das
Gebiet und auf die Eigenartigkeit der inductiven Forſchung hin-
führten; als ſich aber nach wenigen Jahren die thatſächlichen
Reſultate dieſer Forſchung zeigten, als ſich eine ganz neue Welt,
beſonders in den Kryptogamen den Botanikern eröffnete, da
handelte es ſich um Fragen, welche vorher nicht aufgeworfen
waren, an denen die dogmatiſche Philoſophie ihre alte Kraft noch
nicht verſucht hatte; die Thatſachen und die Fragen waren neu
intakt und boten ſich der unbefangenen Betrachtung reiner dar
als diejenigen, welche in den letzten drei Jahrhunderten ſich viel-
fach mit der alten Philoſophie, zumal mit ſcholaſtiſchen Elementen
verbunden hatten. Abgeſehen von Mohl, der ſich nur ganz
nebenbei mit morphologiſchen Dingen beſchäftigte, ſich ſtreng an
die inductive Methode hielt und mehr die Feſtſtellung einzelner
Thatſachen als die allgemeiner Principien im Auge hatte, gingen aber
auch die Begründer der neuen morphologiſchen Richtung, Schlei-
den und Nägeli, von allgemein philoſophiſchen Geſichtspuncten
aus, die, ſo verſchieden ſie auch bei beiden Männern waren, doch
zweierlei gemein hatten: die Forderung einer ſtreng inductiven
Forſchung als Grundlage der ganzen Wiſſenſchaft und die Ab-
lehnung jeder teleologiſchen Erklärungsweiſe der Erſcheinungen,
in welch letzterem Puncte der Gegenſatz zur idealiſtiſch
naturphiloſophiſchen Schule am deutlichſten hervortrat. Mit
dieſer aber hatten die Begründer der neuen Botanik einen Be-
rührungspunct von großer Bedeutung, den Glauben an die
Conſtanz der organiſchen Formen, der hier jedoch, da er ſich
nicht mit der platoniſchen Ideenlehre verband, mehr nur die
Anerkennung der alltäglichen Beobachtungen enthielt, daher von
geringerer principieller Wichtigkeit war und eher als eine Unbe-
quemlichkeit in der Wiſſenſchaft empfunden wurde; dieſer Auf-
faſſung entſprechend und durch die neuen Ergebniſſe ſelbſt dahin
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |