Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Bearbeitung des natürlichen Systems unter dem das gesammte Organisationssystem oder die Symmetrie, welcheallein in Betracht kommen könne. Alle Organismen eines Rei- ches, fährt er fort, haben mit leichten Abänderungen dieselben Functionen; die enormen Verschiedenheiten der systematisch ver- schiedenen Arten beruhen daher nur in der Art und Weise, wie die allgemeine Symmetrie der Structur sich verändert. Diese Symmetrie der Theile, das wesentliche Ziel der Naturforschung, sei weiter Nichts als die Gesammtheit (l'ensemble) der relativen Stellungsverhältnisse der Theile. Jedesmal, wenn diese relativen Stellungsverhältnisse (disposition) nach demselben Plane geregelt sind, bieten die Organismen unter sich eine Art von Gesammtähnlichkeit dar, unabhängig von der Form der Organe im Einzelnen; insofern man diese Gesammtähnlichkeit wahrnimmt, ohne sich über dieselbe im Einzelnen Rechenschaft zu geben, sei es das, was man als habituelle Verwandtschaft bezeichnet habe; Aufgabe der Lehre von der Symmetrie aber sei es, diese habi- tuelle Aehnlichkeit in ihre Elemente zu zerlegen und sich über ihre Ursachen klar zu werden. Ohne dieses Studium der Sym- metrie könne es leicht vorkommen, daß zweierlei verschiedene Arten von Symmetrie in Folge ihrer sinnlichen äußerlichen Aehnlichkeit für gleichartig gehalten würden, ähnlich wie man Crystallformen ganz verschiedener Systeme ohne genaue Unter- suchung mit einander verwechseln könne; für jede Pflanzenklasse müsse man nun zunächst den Symmetrieplan kennen und das Studium desselben sei die Grundlage einer jeden Theorie der natürlichen Verwandtschaften. Aber der Erfolg dieses Studiums selbst werde bedingt durch die Sicherheit der Unterscheidung der Organe, welche unabhängig von den Veränderungen der Form, Größe und Function sein müsse. Er findet nun, daß die Schwie- rigkeiten bei der morphologischen Vergleichung der Organe, oder wie wir jetzt sagen würden, bei der Feststellung der Homologie, von drei Ursachen abhängen. Diese liegen in dem Abortus, in der Degeneration und den Verwachsungen (adherence). Im Verfolg werden nun diese drei Ursachen, durch welche der ursprüngliche Symmetrieplan einer Classe verändert und selbst Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem das geſammte Organiſationsſyſtem oder die Symmetrie, welcheallein in Betracht kommen könne. Alle Organismen eines Rei- ches, fährt er fort, haben mit leichten Abänderungen dieſelben Functionen; die enormen Verſchiedenheiten der ſyſtematiſch ver- ſchiedenen Arten beruhen daher nur in der Art und Weiſe, wie die allgemeine Symmetrie der Structur ſich verändert. Dieſe Symmetrie der Theile, das weſentliche Ziel der Naturforſchung, ſei weiter Nichts als die Geſammtheit (l'ensemble) der relativen Stellungsverhältniſſe der Theile. Jedesmal, wenn dieſe relativen Stellungsverhältniſſe (disposition) nach demſelben Plane geregelt ſind, bieten die Organismen unter ſich eine Art von Geſammtähnlichkeit dar, unabhängig von der Form der Organe im Einzelnen; inſofern man dieſe Geſammtähnlichkeit wahrnimmt, ohne ſich über dieſelbe im Einzelnen Rechenſchaft zu geben, ſei es das, was man als habituelle Verwandtſchaft bezeichnet habe; Aufgabe der Lehre von der Symmetrie aber ſei es, dieſe habi- tuelle Aehnlichkeit in ihre Elemente zu zerlegen und ſich über ihre Urſachen klar zu werden. Ohne dieſes Studium der Sym- metrie könne es leicht vorkommen, daß zweierlei verſchiedene Arten von Symmetrie in Folge ihrer ſinnlichen äußerlichen Aehnlichkeit für gleichartig gehalten würden, ähnlich wie man Cryſtallformen ganz verſchiedener Syſteme ohne genaue Unter- ſuchung mit einander verwechſeln könne; für jede Pflanzenklaſſe müſſe man nun zunächſt den Symmetrieplan kennen und das Studium desſelben ſei die Grundlage einer jeden Theorie der natürlichen Verwandtſchaften. Aber der Erfolg dieſes Studiums ſelbſt werde bedingt durch die Sicherheit der Unterſcheidung der Organe, welche unabhängig von den Veränderungen der Form, Größe und Function ſein müſſe. Er findet nun, daß die Schwie- rigkeiten bei der morphologiſchen Vergleichung der Organe, oder wie wir jetzt ſagen würden, bei der Feſtſtellung der Homologie, von drei Urſachen abhängen. Dieſe liegen in dem Abortus, in der Degeneration und den Verwachſungen (adhérence). Im Verfolg werden nun dieſe drei Urſachen, durch welche der urſprüngliche Symmetrieplan einer Claſſe verändert und ſelbſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0152" n="140"/><fw place="top" type="header">Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem</fw><lb/> das geſammte Organiſationsſyſtem oder die Symmetrie, welche<lb/> allein in Betracht kommen könne. Alle Organismen eines Rei-<lb/> ches, fährt er fort, haben mit leichten Abänderungen dieſelben<lb/> Functionen; die enormen Verſchiedenheiten der ſyſtematiſch ver-<lb/> ſchiedenen Arten beruhen daher nur in der Art und Weiſe, wie<lb/> die allgemeine Symmetrie der Structur ſich verändert. Dieſe<lb/> Symmetrie der Theile, das weſentliche Ziel der Naturforſchung,<lb/> ſei weiter Nichts als die Geſammtheit (<hi rendition="#aq">l'ensemble</hi>) der relativen<lb/> Stellungsverhältniſſe der Theile. 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Functionen; die enormen Verſchiedenheiten der ſyſtematiſch ver-
ſchiedenen Arten beruhen daher nur in der Art und Weiſe, wie
die allgemeine Symmetrie der Structur ſich verändert. Dieſe
Symmetrie der Theile, das weſentliche Ziel der Naturforſchung,
ſei weiter Nichts als die Geſammtheit (l'ensemble) der relativen
Stellungsverhältniſſe der Theile. Jedesmal, wenn dieſe relativen
Stellungsverhältniſſe (disposition) nach demſelben Plane
geregelt ſind, bieten die Organismen unter ſich eine Art von
Geſammtähnlichkeit dar, unabhängig von der Form der Organe
im Einzelnen; inſofern man dieſe Geſammtähnlichkeit wahrnimmt,
ohne ſich über dieſelbe im Einzelnen Rechenſchaft zu geben, ſei
es das, was man als habituelle Verwandtſchaft bezeichnet habe;
Aufgabe der Lehre von der Symmetrie aber ſei es, dieſe habi-
tuelle Aehnlichkeit in ihre Elemente zu zerlegen und ſich über
ihre Urſachen klar zu werden. Ohne dieſes Studium der Sym-
metrie könne es leicht vorkommen, daß zweierlei verſchiedene
Arten von Symmetrie in Folge ihrer ſinnlichen äußerlichen
Aehnlichkeit für gleichartig gehalten würden, ähnlich wie man
Cryſtallformen ganz verſchiedener Syſteme ohne genaue Unter-
ſuchung mit einander verwechſeln könne; für jede Pflanzenklaſſe
müſſe man nun zunächſt den Symmetrieplan kennen und das
Studium desſelben ſei die Grundlage einer jeden Theorie der
natürlichen Verwandtſchaften. Aber der Erfolg dieſes Studiums
ſelbſt werde bedingt durch die Sicherheit der Unterſcheidung der
Organe, welche unabhängig von den Veränderungen der Form,
Größe und Function ſein müſſe. Er findet nun, daß die Schwie-
rigkeiten bei der morphologiſchen Vergleichung der Organe, oder
wie wir jetzt ſagen würden, bei der Feſtſtellung der Homologie,
von drei Urſachen abhängen. Dieſe liegen in dem Abortus, in
der Degeneration und den Verwachſungen (adhérence). Im
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