Winterknospe der Holzpflanzen. Auf diesem Wege, wo morpho- logische und biologische Beziehungen der Organe vermengt werden, folgten ihm übrigens die Botaniker bis tief in unser Jahrhun- dert hinein.
Ueber seine Vorgänger geht Linne weit hinaus in der Unterscheidung und Benennung der Fructificationsorgane, von denen das vierte Capitel der Philosophia botanica handelt. Die Fructification der Vegetabilien, sagt er, ist ein temporärer Theil, der Fortpflanzung gewidmet, welcher das Alte begrenzt, das Neue beginnt. Er unterscheidet folgende sieben Theile: 1) den Kelch, welcher die Rinde in der Fructification vergegenwärtigt, dahin rechnet er jedoch auch das involucrum der Umbelliferen, die spatha, die calyptra der Moose und sogar die volva gewisser Hutpilze; abermals ein Beweis, wie sich Linne bei seiner Nomenclatur der Pflanzentheile ganz von Aeußerlichkeiten leiten ließ. 2) Die Blumenkrone, welche den Bast der Pflanze in der Blüthe repräsentirt. 3) Das Staubgefäß, welches den Pollen er- zeugt. 4) Das Pistill, welches der Frucht anhängend den Pollen aufnimmt; hier wird zuerst der Fruchtknoten, Griffel und Narbe deutlich unterschieden. Nun aber kommt wieder als besonderes Organ 5) das Perikarpium, der die Samen enthaltende Fruchtknoten. Wie Zwiebel und Knospe nicht einfach als junge Sprosse, sondern neben diesen als eigenartige Organe behandelt werden, so wird also hier auch die reife Frucht nicht blos als der weiter ausgebildete Fruchtknoten, sondern als eigenartiges Organ betrachtet. Doch ist die Unterscheidung der verschiedenen Fruchtformen Linne's schon viel besser als bei seinen Vorgängern. 6) Der Same ist ein abfallender Theil der Pflanze, das Rudiment einer neuen, welches durch den Reiz des Pollens belebt worden ist. Die Behandlung des Samens und seiner Theile gehört zum Allerschwächsten, was Linne geleistet hat; obgleich auf Cae- salpin gestützt, ist das, was er über die Theile des Samens sagt, doch viel mangelhafter als bei diesem und dessen Nachfolgern. Der Embryo wird als corculum bezeichnet und an ihm die
der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
Winterknoſpe der Holzpflanzen. Auf dieſem Wege, wo morpho- logiſche und biologiſche Beziehungen der Organe vermengt werden, folgten ihm übrigens die Botaniker bis tief in unſer Jahrhun- dert hinein.
Ueber ſeine Vorgänger geht Linné weit hinaus in der Unterſcheidung und Benennung der Fructificationsorgane, von denen das vierte Capitel der Philosophia botanica handelt. Die Fructification der Vegetabilien, ſagt er, iſt ein temporärer Theil, der Fortpflanzung gewidmet, welcher das Alte begrenzt, das Neue beginnt. Er unterſcheidet folgende ſieben Theile: 1) den Kelch, welcher die Rinde in der Fructification vergegenwärtigt, dahin rechnet er jedoch auch das involucrum der Umbelliferen, die spatha, die calyptra der Mooſe und ſogar die volva gewiſſer Hutpilze; abermals ein Beweis, wie ſich Linné bei ſeiner Nomenclatur der Pflanzentheile ganz von Aeußerlichkeiten leiten ließ. 2) Die Blumenkrone, welche den Baſt der Pflanze in der Blüthe repräſentirt. 3) Das Staubgefäß, welches den Pollen er- zeugt. 4) Das Piſtill, welches der Frucht anhängend den Pollen aufnimmt; hier wird zuerſt der Fruchtknoten, Griffel und Narbe deutlich unterſchieden. Nun aber kommt wieder als beſonderes Organ 5) das Perikarpium, der die Samen enthaltende Fruchtknoten. Wie Zwiebel und Knoſpe nicht einfach als junge Sproſſe, ſondern neben dieſen als eigenartige Organe behandelt werden, ſo wird alſo hier auch die reife Frucht nicht blos als der weiter ausgebildete Fruchtknoten, ſondern als eigenartiges Organ betrachtet. Doch iſt die Unterſcheidung der verſchiedenen Fruchtformen Linné's ſchon viel beſſer als bei ſeinen Vorgängern. 6) Der Same iſt ein abfallender Theil der Pflanze, das Rudiment einer neuen, welches durch den Reiz des Pollens belebt worden iſt. Die Behandlung des Samens und ſeiner Theile gehört zum Allerſchwächſten, was Linné geleiſtet hat; obgleich auf Cae- ſalpin geſtützt, iſt das, was er über die Theile des Samens ſagt, doch viel mangelhafter als bei dieſem und deſſen Nachfolgern. Der Embryo wird als corculum bezeichnet und an ihm die
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der Organe von Caeſalpin bis auf Linné.
Winterknoſpe der Holzpflanzen. Auf dieſem Wege, wo morpho-
logiſche und biologiſche Beziehungen der Organe vermengt werden,
folgten ihm übrigens die Botaniker bis tief in unſer Jahrhun-
dert hinein.
Ueber ſeine Vorgänger geht Linné weit hinaus in der
Unterſcheidung und Benennung der Fructificationsorgane, von
denen das vierte Capitel der Philosophia botanica handelt.
Die Fructification der Vegetabilien, ſagt er, iſt ein
temporärer Theil, der Fortpflanzung gewidmet,
welcher das Alte begrenzt, das Neue beginnt. Er
unterſcheidet folgende ſieben Theile: 1) den Kelch, welcher die
Rinde in der Fructification vergegenwärtigt, dahin rechnet er
jedoch auch das involucrum der Umbelliferen, die spatha,
die calyptra der Mooſe und ſogar die volva gewiſſer Hutpilze;
abermals ein Beweis, wie ſich Linné bei ſeiner Nomenclatur
der Pflanzentheile ganz von Aeußerlichkeiten leiten ließ. 2) Die
Blumenkrone, welche den Baſt der Pflanze in der Blüthe
repräſentirt. 3) Das Staubgefäß, welches den Pollen er-
zeugt. 4) Das Piſtill, welches der Frucht anhängend den Pollen
aufnimmt; hier wird zuerſt der Fruchtknoten, Griffel und Narbe
deutlich unterſchieden. Nun aber kommt wieder als beſonderes
Organ 5) das Perikarpium, der die Samen enthaltende
Fruchtknoten. Wie Zwiebel und Knoſpe nicht einfach als junge
Sproſſe, ſondern neben dieſen als eigenartige Organe behandelt
werden, ſo wird alſo hier auch die reife Frucht nicht blos als
der weiter ausgebildete Fruchtknoten, ſondern als eigenartiges Organ
betrachtet. Doch iſt die Unterſcheidung der verſchiedenen Fruchtformen
Linné's ſchon viel beſſer als bei ſeinen Vorgängern. 6) Der
Same iſt ein abfallender Theil der Pflanze, das Rudiment
einer neuen, welches durch den Reiz des Pollens belebt worden
iſt. Die Behandlung des Samens und ſeiner Theile gehört zum
Allerſchwächſten, was Linné geleiſtet hat; obgleich auf Cae-
ſalpin geſtützt, iſt das, was er über die Theile des Samens
ſagt, doch viel mangelhafter als bei dieſem und deſſen Nachfolgern.
Der Embryo wird als corculum bezeichnet und an ihm die
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/115>, abgerufen am 24.11.2024.
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