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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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der Organe von Caesalpin bis auf Linne
hervor, ferner daraus, weil die Blüthe der Frucht vorausgeht;
ferner aus ihrer Stellung, der Zeit, den Loculamenten (der An-
theren), ferner aus der Castration und der Structur der Pollens."
Die Hauptsache ist ihm auch hier das Wesen der männlichen
Organe und damit man wisse, was dieses Wesen sei, verweist
er auf einen früheren Satz, wo wir die Belehrung finden, daß
die Essenz der Blüthe in Anthern und Stigma bestehe. Auf
solchen Cirkelschlüssen und Beweisführungen aus dem zu Bewei-
senden bestehen fast alle Demonstrationen Linne's. Zugleich
wird das Mitgetheilte zeigen, wie groß seine Verdienste um
die Lehre von der Sexualität gewesen sind; diese ganze Sophistik
aber findet sich noch viel ausführlicher in dem Aufsatz sponsalia
plantarum
(amoenitates I. p. 77) und noch viel schlimmer
sieht es aus in dem Aufsatz plantae hybridae (Amoen. III.
p.
29). Das Linne nicht die entfernteste Ahnung davon hatte,
wie man nach den Grundsätzen streng inductiver Forschung die
Existenz einer hypothetisch angenommenen Thatsache erweist,
zeigt neben diesen und zahlreichen anderen Beispielen auch seine
Untersuchung über die Samen der Moose (amoenitates II. p.
266), auf die er sich nicht wenig einbildete, die aber selbst für
jene Zeit (1750) ganz unglaublich schlecht ist. Ueberhaupt war
es Linne's Sache nicht, sich mit dem, was wir eine Unter-
suchung nennen, zu befassen; was dem ersten prüfenden Blick
entging, das ließ er ruhig liegen; Erscheinungen, die ihn
interessirten, etwa auf ihre Ursachen zu untersuchen, fiel ihm gar
nicht ein: er classificirte sie und damit war die Sache abgethan;
wie z. B. in seinem somnus plantarum, wie er die periodischen
Bewegungen der Pflanzen nannte. Wenn man sich längere Zeit
mit der Lectüre der Philosophia botanica und der Amoenitates
beschäftigt, fühlt man sich durch die Art der Scholastik und
Sophistik, auf welche hier Alles hinausläuft, in die Literatur
des Mittelalters versetzt und doch stammen diese Schriften
Linne's aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, aus einer
Zeit, wo Malpighi, Grew, Rud. Jakob Camerarius,
Hales bereits musterhafte Untersuchungen durchgeführt hatten

der Organe von Caeſalpin bis auf Linné
hervor, ferner daraus, weil die Blüthe der Frucht vorausgeht;
ferner aus ihrer Stellung, der Zeit, den Loculamenten (der An-
theren), ferner aus der Caſtration und der Structur der Pollens.“
Die Hauptſache iſt ihm auch hier das Weſen der männlichen
Organe und damit man wiſſe, was dieſes Weſen ſei, verweiſt
er auf einen früheren Satz, wo wir die Belehrung finden, daß
die Eſſenz der Blüthe in Anthern und Stigma beſtehe. Auf
ſolchen Cirkelſchlüſſen und Beweisführungen aus dem zu Bewei-
ſenden beſtehen faſt alle Demonſtrationen Linné's. Zugleich
wird das Mitgetheilte zeigen, wie groß ſeine Verdienſte um
die Lehre von der Sexualität geweſen ſind; dieſe ganze Sophiſtik
aber findet ſich noch viel ausführlicher in dem Aufſatz sponsalia
plantarum
(amoenitates I. p. 77) und noch viel ſchlimmer
ſieht es aus in dem Aufſatz plantae hybridae (Amoen. III.
p.
29). Das Linné nicht die entfernteſte Ahnung davon hatte,
wie man nach den Grundſätzen ſtreng inductiver Forſchung die
Exiſtenz einer hypothetiſch angenommenen Thatſache erweiſt,
zeigt neben dieſen und zahlreichen anderen Beiſpielen auch ſeine
Unterſuchung über die Samen der Mooſe (amoenitates II. p.
266), auf die er ſich nicht wenig einbildete, die aber ſelbſt für
jene Zeit (1750) ganz unglaublich ſchlecht iſt. Ueberhaupt war
es Linné's Sache nicht, ſich mit dem, was wir eine Unter-
ſuchung nennen, zu befaſſen; was dem erſten prüfenden Blick
entging, das ließ er ruhig liegen; Erſcheinungen, die ihn
intereſſirten, etwa auf ihre Urſachen zu unterſuchen, fiel ihm gar
nicht ein: er claſſificirte ſie und damit war die Sache abgethan;
wie z. B. in ſeinem somnus plantarum, wie er die periodiſchen
Bewegungen der Pflanzen nannte. Wenn man ſich längere Zeit
mit der Lectüre der Philosophia botanica und der Amoenitates
beſchäftigt, fühlt man ſich durch die Art der Scholaſtik und
Sophiſtik, auf welche hier Alles hinausläuft, in die Literatur
des Mittelalters verſetzt und doch ſtammen dieſe Schriften
Linné's aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, aus einer
Zeit, wo Malpighi, Grew, Rud. Jakob Camerarius,
Hales bereits muſterhafte Unterſuchungen durchgeführt hatten

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[95/0107] der Organe von Caeſalpin bis auf Linné hervor, ferner daraus, weil die Blüthe der Frucht vorausgeht; ferner aus ihrer Stellung, der Zeit, den Loculamenten (der An- theren), ferner aus der Caſtration und der Structur der Pollens.“ Die Hauptſache iſt ihm auch hier das Weſen der männlichen Organe und damit man wiſſe, was dieſes Weſen ſei, verweiſt er auf einen früheren Satz, wo wir die Belehrung finden, daß die Eſſenz der Blüthe in Anthern und Stigma beſtehe. Auf ſolchen Cirkelſchlüſſen und Beweisführungen aus dem zu Bewei- ſenden beſtehen faſt alle Demonſtrationen Linné's. Zugleich wird das Mitgetheilte zeigen, wie groß ſeine Verdienſte um die Lehre von der Sexualität geweſen ſind; dieſe ganze Sophiſtik aber findet ſich noch viel ausführlicher in dem Aufſatz sponsalia plantarum (amoenitates I. p. 77) und noch viel ſchlimmer ſieht es aus in dem Aufſatz plantae hybridae (Amoen. III. p. 29). Das Linné nicht die entfernteſte Ahnung davon hatte, wie man nach den Grundſätzen ſtreng inductiver Forſchung die Exiſtenz einer hypothetiſch angenommenen Thatſache erweiſt, zeigt neben dieſen und zahlreichen anderen Beiſpielen auch ſeine Unterſuchung über die Samen der Mooſe (amoenitates II. p. 266), auf die er ſich nicht wenig einbildete, die aber ſelbſt für jene Zeit (1750) ganz unglaublich ſchlecht iſt. Ueberhaupt war es Linné's Sache nicht, ſich mit dem, was wir eine Unter- ſuchung nennen, zu befaſſen; was dem erſten prüfenden Blick entging, das ließ er ruhig liegen; Erſcheinungen, die ihn intereſſirten, etwa auf ihre Urſachen zu unterſuchen, fiel ihm gar nicht ein: er claſſificirte ſie und damit war die Sache abgethan; wie z. B. in ſeinem somnus plantarum, wie er die periodiſchen Bewegungen der Pflanzen nannte. Wenn man ſich längere Zeit mit der Lectüre der Philosophia botanica und der Amoenitates beſchäftigt, fühlt man ſich durch die Art der Scholaſtik und Sophiſtik, auf welche hier Alles hinausläuft, in die Literatur des Mittelalters verſetzt und doch ſtammen dieſe Schriften Linné's aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, aus einer Zeit, wo Malpighi, Grew, Rud. Jakob Camerarius, Hales bereits muſterhafte Unterſuchungen durchgeführt hatten

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/107>, abgerufen am 22.11.2024.