Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Manchmal, wenn ich -- wenn ich denke -- an diese Zeit -- da -- da -- bekomme ich Kopfweh -- Kopfweh. -- -- Aber jetzt sind wir lustig, lustig, lustig! Er warf die Weinflasche an die Wand, daß der Jude aus dem Schlafe aufschrak und sich die Gebetriemen über die Nase herabriß. So, jetzt ist mir wohl, sagte er, knöpfte seinen Rock auf, wohl, lustig! So ist das Leben, Wenn wir so sind -- dann ist uns wohl. Lustig, lustig! Er stellte sich mitten in die Schenke, die Arme kokett eingestemmt, und begann den Kosak zu tanzen, indem er selbst dazu die kindlich-wilden, bacchantisch- schwermüthigen Melodieen sang. Bald saß er am Boden und warf die Füße wie etwas Ueberflüssiges von sich, bald sprang er bis zur Decke und drehte sich nur so in der Luft. Jetzt stand er stille, die Arme auf der Brust verschränkt, und wackelte so traurig mit dem Kopfe. Jetzt packte er ihn mit der Hand, als wolle er ihn hinabreißen, und jauchzte auf, wie ein Adler jauchzt, wenn er in die Sonne fliegt. Ich stand und sah ihm zu und je mehr ich ihn beobachtete, um so besser verstand ich den Zwiespalt seines zutraulichen Wesens, das mit Wolf und Bär fertig werden konnte, dem aber die Räthsel der menschlichen Natur, jener ewigen Sphinx mit dem klugen Kopfe und dem Thierleibe, unbezwinglich blieben. Manchmal, wenn ich — wenn ich denke — an diese Zeit — da — da — bekomme ich Kopfweh — Kopfweh. — — Aber jetzt sind wir lustig, lustig, lustig! Er warf die Weinflasche an die Wand, daß der Jude aus dem Schlafe aufschrak und sich die Gebetriemen über die Nase herabriß. So, jetzt ist mir wohl, sagte er, knöpfte seinen Rock auf, wohl, lustig! So ist das Leben, Wenn wir so sind — dann ist uns wohl. Lustig, lustig! Er stellte sich mitten in die Schenke, die Arme kokett eingestemmt, und begann den Kosak zu tanzen, indem er selbst dazu die kindlich-wilden, bacchantisch- schwermüthigen Melodieen sang. Bald saß er am Boden und warf die Füße wie etwas Ueberflüssiges von sich, bald sprang er bis zur Decke und drehte sich nur so in der Luft. Jetzt stand er stille, die Arme auf der Brust verschränkt, und wackelte so traurig mit dem Kopfe. Jetzt packte er ihn mit der Hand, als wolle er ihn hinabreißen, und jauchzte auf, wie ein Adler jauchzt, wenn er in die Sonne fliegt. Ich stand und sah ihm zu und je mehr ich ihn beobachtete, um so besser verstand ich den Zwiespalt seines zutraulichen Wesens, das mit Wolf und Bär fertig werden konnte, dem aber die Räthsel der menschlichen Natur, jener ewigen Sphinx mit dem klugen Kopfe und dem Thierleibe, unbezwinglich blieben. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0087"/> Manchmal, wenn ich — wenn ich denke — an diese Zeit — da — da — bekomme ich Kopfweh — Kopfweh. — — Aber jetzt sind wir lustig, lustig, lustig!</p><lb/> <p>Er warf die Weinflasche an die Wand, daß der Jude aus dem Schlafe aufschrak und sich die Gebetriemen über die Nase herabriß.</p><lb/> <p>So, jetzt ist mir wohl, sagte er, knöpfte seinen Rock auf, wohl, lustig!</p><lb/> <p>So ist das Leben, Wenn wir so sind — dann ist uns wohl. Lustig, lustig!</p><lb/> <p>Er stellte sich mitten in die Schenke, die Arme kokett eingestemmt, und begann den Kosak zu tanzen, indem er selbst dazu die kindlich-wilden, bacchantisch- schwermüthigen Melodieen sang.</p><lb/> <p>Bald saß er am Boden und warf die Füße wie etwas Ueberflüssiges von sich, bald sprang er bis zur Decke und drehte sich nur so in der Luft.</p><lb/> <p>Jetzt stand er stille, die Arme auf der Brust verschränkt, und wackelte so traurig mit dem Kopfe. Jetzt packte er ihn mit der Hand, als wolle er ihn hinabreißen, und jauchzte auf, wie ein Adler jauchzt, wenn er in die Sonne fliegt.</p><lb/> <p>Ich stand und sah ihm zu und je mehr ich ihn beobachtete, um so besser verstand ich den Zwiespalt seines zutraulichen Wesens, das mit Wolf und Bär fertig werden konnte, dem aber die Räthsel der menschlichen Natur, jener ewigen Sphinx mit dem klugen Kopfe und dem Thierleibe, unbezwinglich blieben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
Manchmal, wenn ich — wenn ich denke — an diese Zeit — da — da — bekomme ich Kopfweh — Kopfweh. — — Aber jetzt sind wir lustig, lustig, lustig!
Er warf die Weinflasche an die Wand, daß der Jude aus dem Schlafe aufschrak und sich die Gebetriemen über die Nase herabriß.
So, jetzt ist mir wohl, sagte er, knöpfte seinen Rock auf, wohl, lustig!
So ist das Leben, Wenn wir so sind — dann ist uns wohl. Lustig, lustig!
Er stellte sich mitten in die Schenke, die Arme kokett eingestemmt, und begann den Kosak zu tanzen, indem er selbst dazu die kindlich-wilden, bacchantisch- schwermüthigen Melodieen sang.
Bald saß er am Boden und warf die Füße wie etwas Ueberflüssiges von sich, bald sprang er bis zur Decke und drehte sich nur so in der Luft.
Jetzt stand er stille, die Arme auf der Brust verschränkt, und wackelte so traurig mit dem Kopfe. Jetzt packte er ihn mit der Hand, als wolle er ihn hinabreißen, und jauchzte auf, wie ein Adler jauchzt, wenn er in die Sonne fliegt.
Ich stand und sah ihm zu und je mehr ich ihn beobachtete, um so besser verstand ich den Zwiespalt seines zutraulichen Wesens, das mit Wolf und Bär fertig werden konnte, dem aber die Räthsel der menschlichen Natur, jener ewigen Sphinx mit dem klugen Kopfe und dem Thierleibe, unbezwinglich blieben.
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