Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Wenn ich das Kind mitnahm, kniete sie nieder, küßte es und sagte leise: Bleib bei mir. Aber es schüttelte den Kopf. Ich lachte, und weit weg vom Hause, im tiefen Walde, erinnerte ich mich noch, und freute mich, wenn das Kind bei mir war und die Mutter im Hause fast verging vor Angst. Wenn meine Frau dem Mädchen etwas zu nähen gab, that es nur so, legte die Arbeit plötzlich weg und lief fort -- mein Gewehr zu putzen. Oder die Frau sagte ihr etwas. Das Kind sah auf mich und rührte sich nicht. Einmal schreit meine Frau auf: Er ist nicht dein Vater. Dann bist du nicht meine Mutter, sagt das Kind ruhig. Sie wird bleich, schweigt fortan und weint nur manchmal. So ein Unsinn! Wer wird da Thränen vergießen? Die Welt ist so lustig! Er stürzte das letzte Glas Tokai hinab. Lustig! -- Da sagt -- der -- der -- er fuhr über die Stirn -- richtig, der Karamsin, der große Karamsin -- er ist eigentlich ein Großrusse -- aber das thut Nichts -- der große Karamsin! -- Wie sagt er denn nur? Wissen Sie das nicht? Er griff in sein Haar, als wollte er in seinem Kopfe wühlen. Richtig! Richtig! Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt: Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens Hoffst du, daß die Liebe währt Wenn ich das Kind mitnahm, kniete sie nieder, küßte es und sagte leise: Bleib bei mir. Aber es schüttelte den Kopf. Ich lachte, und weit weg vom Hause, im tiefen Walde, erinnerte ich mich noch, und freute mich, wenn das Kind bei mir war und die Mutter im Hause fast verging vor Angst. Wenn meine Frau dem Mädchen etwas zu nähen gab, that es nur so, legte die Arbeit plötzlich weg und lief fort — mein Gewehr zu putzen. Oder die Frau sagte ihr etwas. Das Kind sah auf mich und rührte sich nicht. Einmal schreit meine Frau auf: Er ist nicht dein Vater. Dann bist du nicht meine Mutter, sagt das Kind ruhig. Sie wird bleich, schweigt fortan und weint nur manchmal. So ein Unsinn! Wer wird da Thränen vergießen? Die Welt ist so lustig! Er stürzte das letzte Glas Tokai hinab. Lustig! — Da sagt — der — der — er fuhr über die Stirn — richtig, der Karamsin, der große Karamsin — er ist eigentlich ein Großrusse — aber das thut Nichts — der große Karamsin! — Wie sagt er denn nur? Wissen Sie das nicht? Er griff in sein Haar, als wollte er in seinem Kopfe wühlen. Richtig! Richtig! Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt: Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens Hoffst du, daß die Liebe währt <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0085"/> <p>Wenn ich das Kind mitnahm, kniete sie nieder, küßte es und sagte leise: Bleib bei mir. Aber es schüttelte den Kopf. Ich lachte, und weit weg vom Hause, im tiefen Walde, erinnerte ich mich noch, und freute mich, wenn das Kind bei mir war und die Mutter im Hause fast verging vor Angst.</p><lb/> <p>Wenn meine Frau dem Mädchen etwas zu nähen gab, that es nur so, legte die Arbeit plötzlich weg und lief fort — mein Gewehr zu putzen.</p><lb/> <p>Oder die Frau sagte ihr etwas. Das Kind sah auf mich und rührte sich nicht.</p><lb/> <p>Einmal schreit meine Frau auf: Er ist nicht dein Vater. Dann bist du nicht meine Mutter, sagt das Kind ruhig. Sie wird bleich, schweigt fortan und weint nur manchmal. So ein Unsinn! Wer wird da Thränen vergießen? Die Welt ist so lustig!</p><lb/> <p>Er stürzte das letzte Glas Tokai hinab.</p><lb/> <p>Lustig! — Da sagt — der — der — er fuhr über die Stirn — richtig, der Karamsin, der große Karamsin — er ist eigentlich ein Großrusse — aber das thut Nichts — der große Karamsin! — Wie sagt er denn nur? Wissen Sie das nicht?</p><lb/> <p>Er griff in sein Haar, als wollte er in seinem Kopfe wühlen.</p><lb/> <p>Richtig! Richtig!</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Alle Weisheit meines Lebens</l><lb/> <l>Hat das Eine mich gelehrt:</l><lb/> <l>Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens</l><lb/> <l>Hoffst du, daß die Liebe währt</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Wenn ich das Kind mitnahm, kniete sie nieder, küßte es und sagte leise: Bleib bei mir. Aber es schüttelte den Kopf. Ich lachte, und weit weg vom Hause, im tiefen Walde, erinnerte ich mich noch, und freute mich, wenn das Kind bei mir war und die Mutter im Hause fast verging vor Angst.
Wenn meine Frau dem Mädchen etwas zu nähen gab, that es nur so, legte die Arbeit plötzlich weg und lief fort — mein Gewehr zu putzen.
Oder die Frau sagte ihr etwas. Das Kind sah auf mich und rührte sich nicht.
Einmal schreit meine Frau auf: Er ist nicht dein Vater. Dann bist du nicht meine Mutter, sagt das Kind ruhig. Sie wird bleich, schweigt fortan und weint nur manchmal. So ein Unsinn! Wer wird da Thränen vergießen? Die Welt ist so lustig!
Er stürzte das letzte Glas Tokai hinab.
Lustig! — Da sagt — der — der — er fuhr über die Stirn — richtig, der Karamsin, der große Karamsin — er ist eigentlich ein Großrusse — aber das thut Nichts — der große Karamsin! — Wie sagt er denn nur? Wissen Sie das nicht?
Er griff in sein Haar, als wollte er in seinem Kopfe wühlen.
Richtig! Richtig!
Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt:
Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens
Hoffst du, daß die Liebe währt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/85 |
Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/85>, abgerufen am 16.07.2024. |