Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ich lasse Sturm läuten in allen Dörfern, der Balg soll heulen, weißt du -- das Land ist in Gefahr! Endlich ist sie einmal bei mir. Wir sitzen so auf dem Divan, ich den Arm um sie. Da horcht sie, ob sich das Kind nicht regt. Was hast du gesagt? fragt sie nach einer Weile. Nichts! sag' ich, Nichts! aber mein Herz thut mir weh, ich versichre! Wo ist deine Kazabaika, Nikolaja! -- Ach, bedenke doch, im Haus, beim Kinde! -- Ja freilich! Da wird das Haar nur so zusammengekämmt, da nimmt man das erste, beste Kleid. Wer wird sich für das Haus anziehen! Freilich! -- Oft erkenne ich das hübsche Gesicht nicht mehr! Aber das Kind -- verstehen Sie. -- Wenn ich mich aufputze, erkennt mich mein Kind nicht. Du wirst doch einsehen? -- Freilich, ich sehe Alles ein, Alles! -- Aber wenn Gäste da sind, wissen Sie, da kann das Kind schreien! Da läuft sie einen Augenblick hinein, schenkt dann den Thee ein, lacht und plaudert, denn was thut man nicht bei uns für Gäste? Oho! Da ist auch wieder einmal die saftgrüne Jacke mit sibirischen Eichhörnchen ausgeschlagen. Ich muß mich doch anziehen für die Gäste. -- Sehen Sie! Da gehe ich einmal nach langer Zeit auf die Bärenjagd. Mein Weib wiegt das Kind, und wenn ich sie küsse, sagt sie: Geh fort! Du weckst das Kind! -- Was mache ich? Ich gehe also. ich lasse Sturm läuten in allen Dörfern, der Balg soll heulen, weißt du — das Land ist in Gefahr! Endlich ist sie einmal bei mir. Wir sitzen so auf dem Divan, ich den Arm um sie. Da horcht sie, ob sich das Kind nicht regt. Was hast du gesagt? fragt sie nach einer Weile. Nichts! sag' ich, Nichts! aber mein Herz thut mir weh, ich versichre! Wo ist deine Kazabaika, Nikolaja! — Ach, bedenke doch, im Haus, beim Kinde! — Ja freilich! Da wird das Haar nur so zusammengekämmt, da nimmt man das erste, beste Kleid. Wer wird sich für das Haus anziehen! Freilich! — Oft erkenne ich das hübsche Gesicht nicht mehr! Aber das Kind — verstehen Sie. — Wenn ich mich aufputze, erkennt mich mein Kind nicht. Du wirst doch einsehen? — Freilich, ich sehe Alles ein, Alles! — Aber wenn Gäste da sind, wissen Sie, da kann das Kind schreien! Da läuft sie einen Augenblick hinein, schenkt dann den Thee ein, lacht und plaudert, denn was thut man nicht bei uns für Gäste? Oho! Da ist auch wieder einmal die saftgrüne Jacke mit sibirischen Eichhörnchen ausgeschlagen. Ich muß mich doch anziehen für die Gäste. — Sehen Sie! Da gehe ich einmal nach langer Zeit auf die Bärenjagd. Mein Weib wiegt das Kind, und wenn ich sie küsse, sagt sie: Geh fort! Du weckst das Kind! — Was mache ich? Ich gehe also. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0061"/> ich lasse Sturm läuten in allen Dörfern, der Balg soll heulen, weißt du — das Land ist in Gefahr!</p><lb/> <p>Endlich ist sie einmal bei mir. Wir sitzen so auf dem Divan, ich den Arm um sie. Da horcht sie, ob sich das Kind nicht regt. Was hast du gesagt? fragt sie nach einer Weile. Nichts! sag' ich, Nichts! aber mein Herz thut mir weh, ich versichre!</p><lb/> <p>Wo ist deine Kazabaika, Nikolaja! — Ach, bedenke doch, im Haus, beim Kinde! — Ja freilich! Da wird das Haar nur so zusammengekämmt, da nimmt man das erste, beste Kleid. Wer wird sich für das Haus anziehen! Freilich! — Oft erkenne ich das hübsche Gesicht nicht mehr! Aber das Kind — verstehen Sie. — Wenn ich mich aufputze, erkennt mich mein Kind nicht. Du wirst doch einsehen? — Freilich, ich sehe Alles ein, Alles! — Aber wenn Gäste da sind, wissen Sie, da kann das Kind schreien!</p><lb/> <p>Da läuft sie einen Augenblick hinein, schenkt dann den Thee ein, lacht und plaudert, denn was thut man nicht bei uns für Gäste?</p><lb/> <p>Oho! Da ist auch wieder einmal die saftgrüne Jacke mit sibirischen Eichhörnchen ausgeschlagen. Ich muß mich doch anziehen für die Gäste. — Sehen Sie!</p><lb/> <p>Da gehe ich einmal nach langer Zeit auf die Bärenjagd.</p><lb/> <p>Mein Weib wiegt das Kind, und wenn ich sie küsse, sagt sie: Geh fort! Du weckst das Kind! — Was mache ich? Ich gehe also. </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
ich lasse Sturm läuten in allen Dörfern, der Balg soll heulen, weißt du — das Land ist in Gefahr!
Endlich ist sie einmal bei mir. Wir sitzen so auf dem Divan, ich den Arm um sie. Da horcht sie, ob sich das Kind nicht regt. Was hast du gesagt? fragt sie nach einer Weile. Nichts! sag' ich, Nichts! aber mein Herz thut mir weh, ich versichre!
Wo ist deine Kazabaika, Nikolaja! — Ach, bedenke doch, im Haus, beim Kinde! — Ja freilich! Da wird das Haar nur so zusammengekämmt, da nimmt man das erste, beste Kleid. Wer wird sich für das Haus anziehen! Freilich! — Oft erkenne ich das hübsche Gesicht nicht mehr! Aber das Kind — verstehen Sie. — Wenn ich mich aufputze, erkennt mich mein Kind nicht. Du wirst doch einsehen? — Freilich, ich sehe Alles ein, Alles! — Aber wenn Gäste da sind, wissen Sie, da kann das Kind schreien!
Da läuft sie einen Augenblick hinein, schenkt dann den Thee ein, lacht und plaudert, denn was thut man nicht bei uns für Gäste?
Oho! Da ist auch wieder einmal die saftgrüne Jacke mit sibirischen Eichhörnchen ausgeschlagen. Ich muß mich doch anziehen für die Gäste. — Sehen Sie!
Da gehe ich einmal nach langer Zeit auf die Bärenjagd.
Mein Weib wiegt das Kind, und wenn ich sie küsse, sagt sie: Geh fort! Du weckst das Kind! — Was mache ich? Ich gehe also.
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
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