Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.So lebten wir denn wie ein Paar Schwalben, saßen zusammen und zwitscherten. Eine süße Hoffnung erhöhte unsere Freuden. Und doch, wie bange war mir um das Weib. Ich streichelte ihr oft nur so die Haare aus der Stirne, und die Thränen traten mir in die Augen. Sie verstand mich, nahm mich um den Hals und weinte. Aber es kam unerwartet, wie das Glück. Ich fuhr nach Kolomea um den Arzt, und wie ich hereintrete, hält sie mir das Kind entgegen. Die Eltern flossen förmlich vor Freude, die Dienstleute -- das schrie und lachte und Alles betrunken, und auf der Scheune stand der Storch und hielt nachdenklich ein Bein in die Höhe. Da gab es zu denken, zu sorgen, und jede schwere Stunde band uns nur noch fester zusammen. Aber so blieb es nicht. Seine Stimme war unendlich sanft und leise geworden, sie zitterte nur so in der Luft, leise wie der dünne Dampf seiner Pfeife. Es konnte nicht so bleiben -- ich bitte Sie -- und dann -- so und so -- verstehen Sie mich. Es ist so eine Regel. -- Ich meine, es ist so die Natur. Ich habe oft darüber nachgedacht, was meinen Sie? Ich habe einen Freund gehabt -- Leon Bodoschkan. Er hat zu viel gelesen und ist darüber krank geworden. Der hat mir oft gesagt -- Aber wozu das, ich kann [Ihnen] ja -- So lebten wir denn wie ein Paar Schwalben, saßen zusammen und zwitscherten. Eine süße Hoffnung erhöhte unsere Freuden. Und doch, wie bange war mir um das Weib. Ich streichelte ihr oft nur so die Haare aus der Stirne, und die Thränen traten mir in die Augen. Sie verstand mich, nahm mich um den Hals und weinte. Aber es kam unerwartet, wie das Glück. Ich fuhr nach Kolomea um den Arzt, und wie ich hereintrete, hält sie mir das Kind entgegen. Die Eltern flossen förmlich vor Freude, die Dienstleute — das schrie und lachte und Alles betrunken, und auf der Scheune stand der Storch und hielt nachdenklich ein Bein in die Höhe. Da gab es zu denken, zu sorgen, und jede schwere Stunde band uns nur noch fester zusammen. Aber so blieb es nicht. Seine Stimme war unendlich sanft und leise geworden, sie zitterte nur so in der Luft, leise wie der dünne Dampf seiner Pfeife. Es konnte nicht so bleiben — ich bitte Sie — und dann — so und so — verstehen Sie mich. Es ist so eine Regel. — Ich meine, es ist so die Natur. Ich habe oft darüber nachgedacht, was meinen Sie? Ich habe einen Freund gehabt — Leon Bodoschkan. Er hat zu viel gelesen und ist darüber krank geworden. Der hat mir oft gesagt — Aber wozu das, ich kann [Ihnen] ja — <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0053"/> <p>So lebten wir denn wie ein Paar Schwalben, saßen zusammen und zwitscherten.</p><lb/> <p>Eine süße Hoffnung erhöhte unsere Freuden.</p><lb/> <p>Und doch, wie bange war mir um das Weib. Ich streichelte ihr oft nur so die Haare aus der Stirne, und die Thränen traten mir in die Augen. Sie verstand mich, nahm mich um den Hals und weinte.</p><lb/> <p>Aber es kam unerwartet, wie das Glück.</p><lb/> <p>Ich fuhr nach Kolomea um den Arzt, und wie ich hereintrete, hält sie mir das Kind entgegen.</p><lb/> <p>Die Eltern flossen förmlich vor Freude, die Dienstleute — das schrie und lachte und Alles betrunken, und auf der Scheune stand der Storch und hielt nachdenklich ein Bein in die Höhe.</p><lb/> <p>Da gab es zu denken, zu sorgen, und jede schwere Stunde band uns nur noch fester zusammen.</p><lb/> <p>Aber so blieb es nicht.</p><lb/> <p>Seine Stimme war unendlich sanft und leise geworden, sie zitterte nur so in der Luft, leise wie der dünne Dampf seiner Pfeife.</p><lb/> <p>Es konnte nicht so bleiben — ich bitte Sie — und dann — so und so — verstehen Sie mich. Es ist so eine Regel. — Ich meine, es ist so die Natur. Ich habe oft darüber nachgedacht, was meinen Sie?</p><lb/> <p>Ich habe einen Freund gehabt — Leon Bodoschkan. Er hat zu viel gelesen und ist darüber krank geworden. Der hat mir oft gesagt — </p><lb/> <p>Aber wozu das, ich kann <supplied>Ihnen</supplied> ja —</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
So lebten wir denn wie ein Paar Schwalben, saßen zusammen und zwitscherten.
Eine süße Hoffnung erhöhte unsere Freuden.
Und doch, wie bange war mir um das Weib. Ich streichelte ihr oft nur so die Haare aus der Stirne, und die Thränen traten mir in die Augen. Sie verstand mich, nahm mich um den Hals und weinte.
Aber es kam unerwartet, wie das Glück.
Ich fuhr nach Kolomea um den Arzt, und wie ich hereintrete, hält sie mir das Kind entgegen.
Die Eltern flossen förmlich vor Freude, die Dienstleute — das schrie und lachte und Alles betrunken, und auf der Scheune stand der Storch und hielt nachdenklich ein Bein in die Höhe.
Da gab es zu denken, zu sorgen, und jede schwere Stunde band uns nur noch fester zusammen.
Aber so blieb es nicht.
Seine Stimme war unendlich sanft und leise geworden, sie zitterte nur so in der Luft, leise wie der dünne Dampf seiner Pfeife.
Es konnte nicht so bleiben — ich bitte Sie — und dann — so und so — verstehen Sie mich. Es ist so eine Regel. — Ich meine, es ist so die Natur. Ich habe oft darüber nachgedacht, was meinen Sie?
Ich habe einen Freund gehabt — Leon Bodoschkan. Er hat zu viel gelesen und ist darüber krank geworden. Der hat mir oft gesagt —
Aber wozu das, ich kann Ihnen ja —
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/53>, abgerufen am 16.07.2024. |