Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.heißt das Buch. Eine dumme Geschichte, aber meine Nikolaja fiebert und will viele Wochen kein Buch sehen. Oft springt sie auf, schlägt mir das Buch ins Gesicht und zeigt mir die Zunge. Hetzen dann wie Kinder! Ich verstecke mich hinter den Thüren und schrecke sie. Oder sie führt mit mir ganze Märchen auf. Geht in ihr Zimmer: Wenn ich wiederkomme, bist du mein Sclave. Dann zieht sie sich als Sultanin an, schlingt einen Shawl um die Lenden, einen andern um den Kopf, wie einen Turban. Meinen Tscherkessendolch im Gürtel, ganz in einen weißen Schleier gehüllt, so kommt sie heraus. Ein Weib! -- Eine Gottheit von einem Weibe. Wenn sie schlief, konnte ich stundenlang sie nur ansehen, wie sie athmete -- und wenn sie einmal seufzte, wurde es mir so weh um das Herz, als hätte ich ihr das schwerste Unrecht zugefügt, und eine Angst kam über mich, sie sei nicht mein, sie sei gestorben. Und rief ich sie beim Namen, dann setzte sie sich auf, sah mich groß an und lachte. Aber die Sultanin konnte sie am besten machen. Sie verzog keine Miene. Wenn ich sagte: Aber Nikolaja ! -- und spaßte, zog sie nur die Brauen in die Höhe und bohrte ihre Augen in mich, daß ich mich beinahe schon am Pfahle fühlte. Bist du bei Sinnen, Sclave? -- Wirklich da war Nichts zu machen! Ich war ihr Sclave, und sie gebot wie eine Sultanin. heißt das Buch. Eine dumme Geschichte, aber meine Nikolaja fiebert und will viele Wochen kein Buch sehen. Oft springt sie auf, schlägt mir das Buch ins Gesicht und zeigt mir die Zunge. Hetzen dann wie Kinder! Ich verstecke mich hinter den Thüren und schrecke sie. Oder sie führt mit mir ganze Märchen auf. Geht in ihr Zimmer: Wenn ich wiederkomme, bist du mein Sclave. Dann zieht sie sich als Sultanin an, schlingt einen Shawl um die Lenden, einen andern um den Kopf, wie einen Turban. Meinen Tscherkessendolch im Gürtel, ganz in einen weißen Schleier gehüllt, so kommt sie heraus. Ein Weib! — Eine Gottheit von einem Weibe. Wenn sie schlief, konnte ich stundenlang sie nur ansehen, wie sie athmete — und wenn sie einmal seufzte, wurde es mir so weh um das Herz, als hätte ich ihr das schwerste Unrecht zugefügt, und eine Angst kam über mich, sie sei nicht mein, sie sei gestorben. Und rief ich sie beim Namen, dann setzte sie sich auf, sah mich groß an und lachte. Aber die Sultanin konnte sie am besten machen. Sie verzog keine Miene. Wenn ich sagte: Aber Nikolaja ! — und spaßte, zog sie nur die Brauen in die Höhe und bohrte ihre Augen in mich, daß ich mich beinahe schon am Pfahle fühlte. Bist du bei Sinnen, Sclave? — Wirklich da war Nichts zu machen! Ich war ihr Sclave, und sie gebot wie eine Sultanin. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0052"/> heißt das Buch. Eine dumme Geschichte, aber meine Nikolaja fiebert und will viele Wochen kein Buch sehen.</p><lb/> <p>Oft springt sie auf, schlägt mir das Buch ins Gesicht und zeigt mir die Zunge. Hetzen dann wie Kinder! Ich verstecke mich hinter den Thüren und schrecke sie.</p><lb/> <p>Oder sie führt mit mir ganze Märchen auf.</p><lb/> <p>Geht in ihr Zimmer: Wenn ich wiederkomme, bist du mein Sclave. Dann zieht sie sich als Sultanin an, schlingt einen Shawl um die Lenden, einen andern um den Kopf, wie einen Turban. Meinen Tscherkessendolch im Gürtel, ganz in einen weißen Schleier gehüllt, so kommt sie heraus. Ein Weib! — Eine Gottheit von einem Weibe.</p><lb/> <p>Wenn sie schlief, konnte ich stundenlang sie nur ansehen, wie sie athmete — und wenn sie einmal seufzte, wurde es mir so weh um das Herz, als hätte ich ihr das schwerste Unrecht zugefügt, und eine Angst kam über mich, sie sei nicht mein, sie sei gestorben. Und rief ich sie beim Namen, dann setzte sie sich auf, sah mich groß an und lachte.</p><lb/> <p>Aber die Sultanin konnte sie am besten machen. Sie verzog keine Miene. Wenn ich sagte: Aber Nikolaja ! — und spaßte, zog sie nur die Brauen in die Höhe und bohrte ihre Augen in mich, daß ich mich beinahe schon am Pfahle fühlte. Bist du bei Sinnen, Sclave? — Wirklich da war Nichts zu machen! Ich war ihr Sclave, und sie gebot wie eine Sultanin.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
heißt das Buch. Eine dumme Geschichte, aber meine Nikolaja fiebert und will viele Wochen kein Buch sehen.
Oft springt sie auf, schlägt mir das Buch ins Gesicht und zeigt mir die Zunge. Hetzen dann wie Kinder! Ich verstecke mich hinter den Thüren und schrecke sie.
Oder sie führt mit mir ganze Märchen auf.
Geht in ihr Zimmer: Wenn ich wiederkomme, bist du mein Sclave. Dann zieht sie sich als Sultanin an, schlingt einen Shawl um die Lenden, einen andern um den Kopf, wie einen Turban. Meinen Tscherkessendolch im Gürtel, ganz in einen weißen Schleier gehüllt, so kommt sie heraus. Ein Weib! — Eine Gottheit von einem Weibe.
Wenn sie schlief, konnte ich stundenlang sie nur ansehen, wie sie athmete — und wenn sie einmal seufzte, wurde es mir so weh um das Herz, als hätte ich ihr das schwerste Unrecht zugefügt, und eine Angst kam über mich, sie sei nicht mein, sie sei gestorben. Und rief ich sie beim Namen, dann setzte sie sich auf, sah mich groß an und lachte.
Aber die Sultanin konnte sie am besten machen. Sie verzog keine Miene. Wenn ich sagte: Aber Nikolaja ! — und spaßte, zog sie nur die Brauen in die Höhe und bohrte ihre Augen in mich, daß ich mich beinahe schon am Pfahle fühlte. Bist du bei Sinnen, Sclave? — Wirklich da war Nichts zu machen! Ich war ihr Sclave, und sie gebot wie eine Sultanin.
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(2017-03-16T10:36:14Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:36:14Z)
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