Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Bär war da, der große Bär, und holt' ein Lamm. Die Hirten, die Hunde rühren sich nicht, heulen nur aus Leibeskräften, das Fräulein schreit auf, Kohle schämt sich und springt mit seinem lahmen Bein über den Zaun, grade hin auf den Bären. Seine Zähne sind stumpf. Er packt den Bären, der Bär ihn -- die Hirten rennen heraus mit der Flinte, der Bär flieht, das Lamm ist gerettet. Kohle aber schleppt sich nur einige Schritte und fällt, wie ein Held, sag' ich Ihnen -- Nikolaja wirft sich über ihn, schließt den Wolfshund an ihre Brust. Ihre Thränen fließen bis auf seinen Kopf, er sieht hinauf zu ihr, zieht noch einmal Luft -- es ist zu Ende. Ich habe ein Gefühl, wie wenn ich einen Mord begangen hätte. Lassen Sie ihn, Pana Nikolaja, sag ich; sie aber hebt die Augen voll Thränen zu mir und sagt: Sie sind ein harter Mensch, Demetrius, -- so heiße ich nämlich. -- Ich ein harter Mensch! Denken Sie! Ich gebe mein Pferd den Hirten, nehme mir ein langes Messer, schleife es noch, nehme die alte Flinte, ziehe die Ladung heraus, lade sie wieder selbst. Noch eine Hand voll Pulver und gehacktes Blei in den Sack und fort -- in das Gebirge. Ich wußte, daß er durch die Schlucht kommen werde. Der Bär? So ist es. Ihn erwartete ich ja. Ich stellte mich Der Bär war da, der große Bär, und holt' ein Lamm. Die Hirten, die Hunde rühren sich nicht, heulen nur aus Leibeskräften, das Fräulein schreit auf, Kohle schämt sich und springt mit seinem lahmen Bein über den Zaun, grade hin auf den Bären. Seine Zähne sind stumpf. Er packt den Bären, der Bär ihn — die Hirten rennen heraus mit der Flinte, der Bär flieht, das Lamm ist gerettet. Kohle aber schleppt sich nur einige Schritte und fällt, wie ein Held, sag' ich Ihnen — Nikolaja wirft sich über ihn, schließt den Wolfshund an ihre Brust. Ihre Thränen fließen bis auf seinen Kopf, er sieht hinauf zu ihr, zieht noch einmal Luft — es ist zu Ende. Ich habe ein Gefühl, wie wenn ich einen Mord begangen hätte. Lassen Sie ihn, Pana Nikolaja, sag ich; sie aber hebt die Augen voll Thränen zu mir und sagt: Sie sind ein harter Mensch, Demetrius, — so heiße ich nämlich. — Ich ein harter Mensch! Denken Sie! Ich gebe mein Pferd den Hirten, nehme mir ein langes Messer, schleife es noch, nehme die alte Flinte, ziehe die Ladung heraus, lade sie wieder selbst. Noch eine Hand voll Pulver und gehacktes Blei in den Sack und fort — in das Gebirge. Ich wußte, daß er durch die Schlucht kommen werde. Der Bär? So ist es. Ihn erwartete ich ja. Ich stellte mich <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0039"/> <p>Der Bär war da, der große Bär, und holt' ein Lamm. Die Hirten, die Hunde rühren sich nicht, heulen nur aus Leibeskräften, das Fräulein schreit auf, Kohle schämt sich und springt mit seinem lahmen Bein über den Zaun, grade hin auf den Bären.</p><lb/> <p>Seine Zähne sind stumpf. Er packt den Bären, der Bär ihn — die Hirten rennen heraus mit der Flinte, der Bär flieht, das Lamm ist gerettet. Kohle aber schleppt sich nur einige Schritte und fällt, wie ein Held, sag' ich Ihnen — Nikolaja wirft sich über ihn, schließt den Wolfshund an ihre Brust. Ihre Thränen fließen bis auf seinen Kopf, er sieht hinauf zu ihr, zieht noch einmal Luft — es ist zu Ende.</p><lb/> <p>Ich habe ein Gefühl, wie wenn ich einen Mord begangen hätte. Lassen Sie ihn, Pana Nikolaja, sag ich; sie aber hebt die Augen voll Thränen zu mir und sagt: Sie sind ein harter Mensch, Demetrius, — so heiße ich nämlich. — Ich ein harter Mensch! Denken Sie!</p><lb/> <p>Ich gebe mein Pferd den Hirten, nehme mir ein langes Messer, schleife es noch, nehme die alte Flinte, ziehe die Ladung heraus, lade sie wieder selbst. Noch eine Hand voll Pulver und gehacktes Blei in den Sack und fort — in das Gebirge.</p><lb/> <p>Ich wußte, daß er durch die Schlucht kommen werde.</p><lb/> <p>Der Bär?</p><lb/> <p>So ist es. Ihn erwartete ich ja. Ich stellte mich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Der Bär war da, der große Bär, und holt' ein Lamm. Die Hirten, die Hunde rühren sich nicht, heulen nur aus Leibeskräften, das Fräulein schreit auf, Kohle schämt sich und springt mit seinem lahmen Bein über den Zaun, grade hin auf den Bären.
Seine Zähne sind stumpf. Er packt den Bären, der Bär ihn — die Hirten rennen heraus mit der Flinte, der Bär flieht, das Lamm ist gerettet. Kohle aber schleppt sich nur einige Schritte und fällt, wie ein Held, sag' ich Ihnen — Nikolaja wirft sich über ihn, schließt den Wolfshund an ihre Brust. Ihre Thränen fließen bis auf seinen Kopf, er sieht hinauf zu ihr, zieht noch einmal Luft — es ist zu Ende.
Ich habe ein Gefühl, wie wenn ich einen Mord begangen hätte. Lassen Sie ihn, Pana Nikolaja, sag ich; sie aber hebt die Augen voll Thränen zu mir und sagt: Sie sind ein harter Mensch, Demetrius, — so heiße ich nämlich. — Ich ein harter Mensch! Denken Sie!
Ich gebe mein Pferd den Hirten, nehme mir ein langes Messer, schleife es noch, nehme die alte Flinte, ziehe die Ladung heraus, lade sie wieder selbst. Noch eine Hand voll Pulver und gehacktes Blei in den Sack und fort — in das Gebirge.
Ich wußte, daß er durch die Schlucht kommen werde.
Der Bär?
So ist es. Ihn erwartete ich ja. Ich stellte mich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/39 |
Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/39>, abgerufen am 16.07.2024. |