Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lache doch! -- Ich dachte gar nicht, daß sie etwas Mehr wünschen könnte. Ich ritt jetzt oft hinaus zu den Senkows. Einmal sagte ich zu Nikolaja: Erlauben Sie mir, daß ich nicht mehr lüge. Sie sah mich erstaunt an. Sie lügen? Da sage ich Ihnen, ich bin Ihr Knecht, meine Seele gehört Ihnen; da falle ich Ihnen zu Füßen, küsse Ihre Fußstapfen, und bin es nicht und thue es nicht. Erlauben Sie, daß ich nicht mehr lüge. -- Glauben Sie mir, ich -- ich hörte noch in derselben Stunde auf zu lügen. Nach einiger Zeit sagte unser alter Kosak so zu den Dienstleuten: Unser junger Herr ist jetzt andächtig geworden, hat der förmliche Flecke auf den Knieen. -- So! Jetzt muß ich Ihnen von einem Hunde erzählen. Die Senkows hatten ihr Dorf näher dem Gebirge als wir. -- Sie hatten zahlreiche Schafe im Freien auf der Weide, nach dem tiefen Walde. Der Lagerplatz war von einem tüchtigen Zaun eingeschlossen. Da machten die Hirten Nachts ihr Feuer, hatten ihre Stöcke mit Eisen beschlagen, sogar eine alte Entenflinte mit einem Lauf und ein paar Wolfshunde. Alles, wie gesagt, weil es nahe dem Gebirge war, und die Wölfe und Bären liefen dort herum wie die Hühner, und waren zahlreich und vermehrten sich in einer Weise wie die Juden. Da war ein schwarzer Wolfshund. lache doch! — Ich dachte gar nicht, daß sie etwas Mehr wünschen könnte. Ich ritt jetzt oft hinaus zu den Senkows. Einmal sagte ich zu Nikolaja: Erlauben Sie mir, daß ich nicht mehr lüge. Sie sah mich erstaunt an. Sie lügen? Da sage ich Ihnen, ich bin Ihr Knecht, meine Seele gehört Ihnen; da falle ich Ihnen zu Füßen, küsse Ihre Fußstapfen, und bin es nicht und thue es nicht. Erlauben Sie, daß ich nicht mehr lüge. — Glauben Sie mir, ich — ich hörte noch in derselben Stunde auf zu lügen. Nach einiger Zeit sagte unser alter Kosak so zu den Dienstleuten: Unser junger Herr ist jetzt andächtig geworden, hat der förmliche Flecke auf den Knieen. — So! Jetzt muß ich Ihnen von einem Hunde erzählen. Die Senkows hatten ihr Dorf näher dem Gebirge als wir. — Sie hatten zahlreiche Schafe im Freien auf der Weide, nach dem tiefen Walde. Der Lagerplatz war von einem tüchtigen Zaun eingeschlossen. Da machten die Hirten Nachts ihr Feuer, hatten ihre Stöcke mit Eisen beschlagen, sogar eine alte Entenflinte mit einem Lauf und ein paar Wolfshunde. Alles, wie gesagt, weil es nahe dem Gebirge war, und die Wölfe und Bären liefen dort herum wie die Hühner, und waren zahlreich und vermehrten sich in einer Weise wie die Juden. Da war ein schwarzer Wolfshund. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0036"/> lache doch! — Ich dachte gar nicht, daß sie etwas Mehr wünschen könnte.</p><lb/> <p>Ich ritt jetzt oft hinaus zu den Senkows.</p><lb/> <p>Einmal sagte ich zu Nikolaja: Erlauben Sie mir, daß ich nicht mehr lüge.</p><lb/> <p>Sie sah mich erstaunt an.</p><lb/> <p>Sie lügen?</p><lb/> <p>Da sage ich Ihnen, ich bin Ihr Knecht, meine Seele gehört Ihnen; da falle ich Ihnen zu Füßen, küsse Ihre Fußstapfen, und bin es nicht und thue es nicht. Erlauben Sie, daß ich nicht mehr lüge. —</p><lb/> <p>Glauben Sie mir, ich — ich hörte noch in derselben Stunde auf zu lügen.</p><lb/> <p>Nach einiger Zeit sagte unser alter Kosak so zu den Dienstleuten: Unser junger Herr ist jetzt andächtig geworden, hat der förmliche Flecke auf den Knieen. — So! Jetzt muß ich Ihnen von einem Hunde erzählen.</p><lb/> <p>Die Senkows hatten ihr Dorf näher dem Gebirge als wir. — Sie hatten zahlreiche Schafe im Freien auf der Weide, nach dem tiefen Walde. Der Lagerplatz war von einem tüchtigen Zaun eingeschlossen. Da machten die Hirten Nachts ihr Feuer, hatten ihre Stöcke mit Eisen beschlagen, sogar eine alte Entenflinte mit einem Lauf und ein paar Wolfshunde. Alles, wie gesagt, weil es nahe dem Gebirge war, und die Wölfe und Bären liefen dort herum wie die Hühner, und waren zahlreich und vermehrten sich in einer Weise wie die Juden.</p><lb/> <p>Da war ein schwarzer Wolfshund.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
lache doch! — Ich dachte gar nicht, daß sie etwas Mehr wünschen könnte.
Ich ritt jetzt oft hinaus zu den Senkows.
Einmal sagte ich zu Nikolaja: Erlauben Sie mir, daß ich nicht mehr lüge.
Sie sah mich erstaunt an.
Sie lügen?
Da sage ich Ihnen, ich bin Ihr Knecht, meine Seele gehört Ihnen; da falle ich Ihnen zu Füßen, küsse Ihre Fußstapfen, und bin es nicht und thue es nicht. Erlauben Sie, daß ich nicht mehr lüge. —
Glauben Sie mir, ich — ich hörte noch in derselben Stunde auf zu lügen.
Nach einiger Zeit sagte unser alter Kosak so zu den Dienstleuten: Unser junger Herr ist jetzt andächtig geworden, hat der förmliche Flecke auf den Knieen. — So! Jetzt muß ich Ihnen von einem Hunde erzählen.
Die Senkows hatten ihr Dorf näher dem Gebirge als wir. — Sie hatten zahlreiche Schafe im Freien auf der Weide, nach dem tiefen Walde. Der Lagerplatz war von einem tüchtigen Zaun eingeschlossen. Da machten die Hirten Nachts ihr Feuer, hatten ihre Stöcke mit Eisen beschlagen, sogar eine alte Entenflinte mit einem Lauf und ein paar Wolfshunde. Alles, wie gesagt, weil es nahe dem Gebirge war, und die Wölfe und Bären liefen dort herum wie die Hühner, und waren zahlreich und vermehrten sich in einer Weise wie die Juden.
Da war ein schwarzer Wolfshund.
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/36>, abgerufen am 16.02.2025. |