Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Rauschen allein verlieben. -- Da lärmt der Jahrmarkt rings herum, da traben die Bauern in ihren schweren Stiefeln, da schießen die Juden durch das Gedränge, das schreit, und jammert, und lacht, und die Buben haben kleine hölzerne Pfeifchen gekauft und pfeifen. Aber sie hat mich gleich gesehen. Da fass' ich mir ein Herz, sehe mich um und denke: Halt! Du giebst ihr die Sonne! Das wird sie freuen! Was kannst du mehr geben? -- Verzeihen Sie, es war eine Sonne von Lebzelten, prächtig vergoldet, sag' ich Ihnen. Sie fiel mir von Weitem auf und machte ein erstauntes Gesicht, wie unser Pfarrer, wenn er Jemand umsonst begraben soll. Gut, ich habe diesmal Courage wie der Teufel, gehe, werfe meinen Zwanziger hin -- es war mein einziger -- und kaufe die Sonne; mache dann große Schritte und erwische mein Fräulein richtig bei einer Falte -- was eigentlich recht unanständig war, aber so ist man, wenn man verliebt ist, ganz unanständig! -- erwische sie und präsentire ihr die Sonne, und was denken Sie, was thut meine Nikolaja? Sie bedankt sich wohl? Bedankt sich? -- Sie -- sie lacht mir ins Gesicht, lacht auch ihr Vater, lacht ihre Mutter, lachen ihre Schwestern und Basen, alle Senkows lachen! Mir ist zu Muthe, wie an der Schlucht dort, wie der Bär so langsam kommt. Ich möchte laufen, aber ich schäme mich. -- Die Senkows aber lachen so fort. -- Rauschen allein verlieben. — Da lärmt der Jahrmarkt rings herum, da traben die Bauern in ihren schweren Stiefeln, da schießen die Juden durch das Gedränge, das schreit, und jammert, und lacht, und die Buben haben kleine hölzerne Pfeifchen gekauft und pfeifen. Aber sie hat mich gleich gesehen. Da fass' ich mir ein Herz, sehe mich um und denke: Halt! Du giebst ihr die Sonne! Das wird sie freuen! Was kannst du mehr geben? — Verzeihen Sie, es war eine Sonne von Lebzelten, prächtig vergoldet, sag' ich Ihnen. Sie fiel mir von Weitem auf und machte ein erstauntes Gesicht, wie unser Pfarrer, wenn er Jemand umsonst begraben soll. Gut, ich habe diesmal Courage wie der Teufel, gehe, werfe meinen Zwanziger hin — es war mein einziger — und kaufe die Sonne; mache dann große Schritte und erwische mein Fräulein richtig bei einer Falte — was eigentlich recht unanständig war, aber so ist man, wenn man verliebt ist, ganz unanständig! — erwische sie und präsentire ihr die Sonne, und was denken Sie, was thut meine Nikolaja? Sie bedankt sich wohl? Bedankt sich? — Sie — sie lacht mir ins Gesicht, lacht auch ihr Vater, lacht ihre Mutter, lachen ihre Schwestern und Basen, alle Senkows lachen! Mir ist zu Muthe, wie an der Schlucht dort, wie der Bär so langsam kommt. Ich möchte laufen, aber ich schäme mich. — Die Senkows aber lachen so fort. — <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0032"/> Rauschen allein verlieben. — Da lärmt der Jahrmarkt rings herum, da traben die Bauern in ihren schweren Stiefeln, da schießen die Juden durch das Gedränge, das schreit, und jammert, und lacht, und die Buben haben kleine hölzerne Pfeifchen gekauft und pfeifen. Aber sie hat mich gleich gesehen.</p><lb/> <p>Da fass' ich mir ein Herz, sehe mich um und denke: Halt! Du giebst ihr die Sonne! Das wird sie freuen! Was kannst du mehr geben? — Verzeihen Sie, es war eine Sonne von Lebzelten, prächtig vergoldet, sag' ich Ihnen. Sie fiel mir von Weitem auf und machte ein erstauntes Gesicht, wie unser Pfarrer, wenn er Jemand umsonst begraben soll. Gut, ich habe diesmal Courage wie der Teufel, gehe, werfe meinen Zwanziger hin — es war mein einziger — und kaufe die Sonne; mache dann große Schritte und erwische mein Fräulein richtig bei einer Falte — was eigentlich recht unanständig war, aber so ist man, wenn man verliebt ist, ganz unanständig! — erwische sie und präsentire ihr die Sonne, und was denken Sie, was thut meine Nikolaja?</p><lb/> <p>Sie bedankt sich wohl?</p><lb/> <p>Bedankt sich? — Sie — sie lacht mir ins Gesicht, lacht auch ihr Vater, lacht ihre Mutter, lachen ihre Schwestern und Basen, alle Senkows lachen! Mir ist zu Muthe, wie an der Schlucht dort, wie der Bär so langsam kommt. Ich möchte laufen, aber ich schäme mich. — Die Senkows aber lachen so fort. —<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Rauschen allein verlieben. — Da lärmt der Jahrmarkt rings herum, da traben die Bauern in ihren schweren Stiefeln, da schießen die Juden durch das Gedränge, das schreit, und jammert, und lacht, und die Buben haben kleine hölzerne Pfeifchen gekauft und pfeifen. Aber sie hat mich gleich gesehen.
Da fass' ich mir ein Herz, sehe mich um und denke: Halt! Du giebst ihr die Sonne! Das wird sie freuen! Was kannst du mehr geben? — Verzeihen Sie, es war eine Sonne von Lebzelten, prächtig vergoldet, sag' ich Ihnen. Sie fiel mir von Weitem auf und machte ein erstauntes Gesicht, wie unser Pfarrer, wenn er Jemand umsonst begraben soll. Gut, ich habe diesmal Courage wie der Teufel, gehe, werfe meinen Zwanziger hin — es war mein einziger — und kaufe die Sonne; mache dann große Schritte und erwische mein Fräulein richtig bei einer Falte — was eigentlich recht unanständig war, aber so ist man, wenn man verliebt ist, ganz unanständig! — erwische sie und präsentire ihr die Sonne, und was denken Sie, was thut meine Nikolaja?
Sie bedankt sich wohl?
Bedankt sich? — Sie — sie lacht mir ins Gesicht, lacht auch ihr Vater, lacht ihre Mutter, lachen ihre Schwestern und Basen, alle Senkows lachen! Mir ist zu Muthe, wie an der Schlucht dort, wie der Bär so langsam kommt. Ich möchte laufen, aber ich schäme mich. — Die Senkows aber lachen so fort. —
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Zitationshilfe: | Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/32>, abgerufen am 16.02.2025. |